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Andreas P.

WGT 2007 Bericht III

...oder ein paar Gnarks in Leipzig


WGT 2007 Bericht III
Kategorie: Spezial
Wörter: 1571
Erstellt: 11.06.2007
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Leipzig - wir schreiben das Jahr 2007 - eine Stadt sieht schwarz. Zum sechzehnten Mal ergießen sich tausende Weißgekalkte im Rahmen des alljährlichen „Wave-Gotik-Treffens“ (WGT) ins Leipziger Stadtzentrum. Das wohl internationalste Happening für alle „Grufties“, „Goths“, „WirmögenKuscheltiereundziehenunsauchsoan“s, „IcharbeiteimBaumarkt“s und „Schwarzkittel“ dieser Welt wirkt beim ersten Blick auf die Homepage der Veranstalter wie ein jedes andere Festival auch. Beim genaueren Hinsehen wird einem jedoch klar, dass der Name „Wave-Gotik-Treffen“ nicht von ungefähr kam, gibt es doch keine Mainstage, keine gewaltige Partywiese (bei manchen auch als „Zeltplatz“ bekannt), auf der ein Gros der Besucher nächtigt – nein, auf dem WGT schläft man auch mal gern im Hotel, duscht (die meisten zumindest) regelmäßig warm und führt seine neusten auf den Messeständen des „Agra“-Geländes erworbenen Mode-Errungenschaften vor. Eine weitere Besonderheit dieses Treffen sind die großen Distanzen zwischen den jeweiligen Veranstaltungsorten, und wäre das Bändchen nicht gleichzeitig Straßenbahn-Ticket, so wäre das WGT alles andere als kontofreundlich.

Musikalisch bot das Line-Up wie jedes Jahr die wohl vielschichtigste Mischung der verschiedenen Stile innerhalb des „schwarzen Spektrums“, von alt- bis unbekannt kam 2007 auch jeder auf seine Kosten – die einen mehr die anderen weniger. Zwar vermissten so manche herausragende Highlights wie DEINE LAKAIEN oder bemängelten, dass man die jüngst reaktivierten englischen Urgoten von BAUHAUS nicht für Leipzig gewinnen konnte, aber das änderte nichts an der guten Stimmung, mit der die einzelnen Konzerte abgefeiert wurden.

FREITAG
Unser WGT selbst begann mit einer guten Verspätung erst am Freitagabend, auch wenn ein kleiner Vortrupp die lokale Essensversorgung etc. schon gut vorbereitet hatte. Dank der relativ späten Ankunft verpassten wir leider IN THE NURSERY und zogen daraufhin direkt auf die „When We Were Young“-Party in der Kantine des Volkspalastes weiter. Wie auch schon im letzten Jahr war die Musik dort sehr abwechslungsreich und bot einen Querschnitt aus den letzten drei Dekaden gitarrenlastiger Gruftmusik (homoerotischer New Romantic inklusive, ich liebe Boy George!).

SAMSTAG
„Sonnabend“ wurde das heidnische Dorf exzessiv beehrt und führte zum Verpassen des französischen Projektes ROSA CRVX – Schade. Also trieb es uns weiter ins Werk II, wo wir die Zugabe der amerikanischen Gothpunk-Heroen 45 GRAVE mitbekamen, die uns aber nicht so recht zu überzeugen wussten. Frontfrau (oder -sau?) DINAH CANCER ist ja schließlich auch nicht mehr die Jüngste. Nach einer kurzen Umbaupause, die mit dem Treffen einiger Bekannter überbrückt werden konnte, begann schließlich der Konzerthöhepunkt unseres WGT-Samstags: FRANK THE BAPTIST betraten die Bühne. Von der ersten Minute an konnte der kleine Mann im Zylinder mit seinem sehr eigenwilligen Gitarrensound die Menge begeistern. Die Band konzentrierte sich hierbei auf Stücke des aktuellen Albums „The New Colossus“ und des Debüts „Different Degrees Of Empty“, während man das schwächere zweite Album „Beggars Would Ride“ größtenteils außen vor ließ. Vor allem die mit Geigenunterstützung vorgetragenen Stücke hatten eine magisch-anziehende Wirkung, bis die Stimmung mit dem Auftauchen von 45 GRAVE und FRANKENSTEIN bei der Hymne „If I Speak“ letzendlich explodierte und die ganze Halle den Refrain mitsang. Nach einer langen Zugabe verabschiedeten sich die Amerikaner schließlich doch und hinterließen eine große, glückliche Menge. Zu unserem Leidwesen wollte eben jene Menge dann auch direkt weiter zum Auftritt von VIVE LA FETE, was in völlig überfüllten Straßenbahnen resultierte.
Während der viertelstündigen Fahrt wurden dann einige Gassenhauer wie EAVs „Phatamorgana“ angestimmt. Entzückend!
In der Agra-Halle angekommen legten VIVE LA FETE auch nach kurzem Warten los, leicht dadaistisch angehauchter Nonsense-New Wave mit hohem Spaß- und Feierfaktor und eindeutig zu hohem Wiedererkennungswert. Auch wenn die Sängerin durch mehr als freizügige Kleidung durchaus einen Blick wert war, verdrückten wir uns nach fünf Songs in den hinteren Bereich der Halle und verharrten dort bis zum Ende des Konzerts. Auch wenn Stücke wie „Noir Desir“ durchaus ihren Reiz haben, wirkte das Set der Belgier über längere Zeit ein wenig eintönig. Aber was solls, trotz allem ein schönes Konzert.


SONNTAG
An unserem dritten WGT-Tag wollten wir auf die Konzerte von COPH NIA und BRIGHTER DEATH NOW und erlebten, wie der erste Teil der „Cold Meat Industry“ (CMI)- Jubiläumsnacht im UT Connewitz von gewalttätigen Übergriffen auf Gäste des Treffens überschattet wurde. Ein Pulk aus kontaktfreudigen Weltverbesserern, die hinter den CMI-Projekten den Keim eines neuen Faschismus sahen, attackierten wahllos Gäste, die mit T-Shirts des australischen Projektes DEATH IN JUNE und anderer, in ihren Augen „tendenziöser“ Bands, bekleidet waren. Platzwunden und blaue Augen inklusive. Bei genauerem Nachfragen stellte sich jedoch heraus, dass die reichlich Uninformierten, die die Uniformierten angingen, selber nicht wirklich wussten, wieso sie überhaupt da waren und von den Projekten, die dort spielen sollten teilweise noch nie etwas gehört hatten. Neben den vor allem in Beschuss geratenen STORMFAGEL geriet auch der Auftritt von DERNIERE VOLONTE im „Volkspalast“ in Kritik, dies geschah jedoch politisch korrekt mit (mehr oder minder) informativen Flugblättern.

Nach ca. 30 Minuten Wartens und stumpfsinniger Diskussionen wurden wir schließlich rein gelassen, erlebten 20 Minuten des COPH NIA-Sets, welches sehr druckvoll mit Drummer präsentiert wurde und gingen daraufhin wieder. Nicht nur, dass uns der dort zumindest optisch teilweise präsente Fanclub diverser historischer Organisationen ziemlich auf den Zeiger gegangen ist, nein: Das UT Connewitz glich bei der totalen Überfüllung eher einer Sauna, in dem eine Party mit netten Atemreduktionsspielchen an den richtigen Ecken begangen wurde. Schade, aber mein leider angeschlagener Gesundheitszustand hätte bis zu BRIGHTER DEATH NOW völlig kapituliert.

Nach dem Verlassen des UT Connewitz und einigen weiteren Pöbeleien seitens der Bürger des Viertels ging es weiter zum Werk II, wo wir dem Auftritt von HEIMSTATT YIPOTASH beiwohnten. Optisch wie nicht anders zu erwarten zwar unspektakulär, dafür mit einem guten Rhythmus-Set unterm Hintern holperte sich das Duo (HEIMSTATT und YIPOTASH also) in die Beine der Tanzwütigen. Das auf dem allseits bekannten HANDS PRODUCTIONS-Label erschienene Erstlingswerk weiß übrigens auch voll und ganz zu überzeugen.
Als dann das Projekt MÜLLER OF DEATH die Bühne erklomm, hatten wir nach zehn Minuten bereits genug. Ein paar doch sehr bäuerlich wirkende Herren klammerten sich an der Bühne fest, malträtierten das Publikum mit ihrem bestenfalls an eine schlechte DIVE-Kopie (benannter Herr stand kopfschüttelnd am Eingang) gemahnenden Sound und fühlten sich dabei wahnsinnig wichtig. Das qualitative Martyrium der Besucher gipfelte dann in einer Vergewaltigung von NONs „Total War“. Dass deren Label TRISOL sie auch noch großspurig mit GENOCIDE ORGAN verglich, leuchtet mir von daher erst recht nicht ein.
Wenn doch wenigstens die Gemüsepfanne vor der Tür geschmeckt hätte….
In der Agra-Halle verfolgten wir daraufhin den Auftritt der SUPERHEROINES (Die Band von Eva O., die auch bei SHADOW PROJECT aktiv war), bei deren Darbietung trotz der guten Musik der Gesamteindruck durch die langen Pausen zwischen den einzelnen Titeln getrübt wurde.

Auf den Abend im Anker ist Tony ja bereits eingegangen, und da habe ich auch nichts groß hinzuzfügen.


MONTAG
Eigentlich war ein weiterer Ausflug ins Werk II zu NIM VIND und SHADOW REICHENSTEIN geplant, der jedoch auf Grund gruppendynamischer Verwerfungen leider ausfiel. Da wir alle einen Besuch des CINEMA STRANGE-Konzerts auf der Parkbühne auf dem Programm stehen hatten, verschlug es uns dort dann ohne Zwischenpausen und ohne über Los zu gehen auch hin. Bei unserem Eintreffen spielte eine wahnsinnig schlechte Metal (?)-Band namens I:SCINTILLA, deren Klängen wir dann zur Vernichtung diverser Schweinshaxen zum Glück entfliehen konnten.
Das britische Wave-Projekt NEW SKIN war dann doch etwas ohrenfreundlicher, auch wenn man nach dem dritten Stück schon alles gehört hatte, was es da zu hören gab. Die völlig übertriebene Lautstärke tat wohl ihr übriges, denn auch diesem Konzert wohnten wir nur partiell bei.

Im Anschluss betraten dann CINEMA STRANGE die Bühne. Auch wenn sie wohl von vielen nur als lästige Wegbereiter der „Batcave“-Hysterie der letzten Jahre gesehen werden, hinter diesem Projekt steckt weit mehr als mancher denkt. Schon das Intro, das an die Leierkastenmelodien alter Jahrmärkte gemahnte, fesselte die sich mittlerweile in der Parkbühne eingefunden habende Menschenmenge. Als die Kalifornier um den charismatischen Frontmann LUCAS LANTHIER dann Gas gaben, wurde jeder Song frenetisch abgefeiert und die Band einmal wieder zu Höchstleistungen angetrieben. Auch wenn dieses Konzert mein mittlerweile fünfter CINEMA STRANGE-Gig war, konnte mich das Trio vollauf begeistern. Wie kaum eine andere Band aus dem „schwarzen Untergrund“ schaffen es die Gebrüder RIBIAT und ihr Zampano LANTHIER, jedes Konzert einzigartig zu halten, nicht zuletzt auch durch die verrückten und vor allem spontanen Kabaretteinlagen des Sängers. Grandios!

Das DERNIÈRE VOLONTÉ-Konzert im Volkspalast, das wir daraufhin ereilten, war klanglich nett, jedoch konnte uns die Bühnendarbietung kein bisschen überzeugen.
Die Aftershowparty in der Kantine hatte leider auch mehr Betthupferlqualität, war doch zumindest der Anfang schon fast beeindruckend lang extrem ruhig gehalten. Immerhin habe ich zum ersten mal in meinem Leben neben den schon bekannten Lufttrommlern in Uniformen auch Neofolk-Luftgitarrenspieler erlebt. Was für ein Bild.


Jenseits der vielen Konzerte bot das Festival programmatisch wieder eine Vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten für Jung und Alt, sollte einem gerade das Geld für kostspielige Shopping-Touren ausgegangen sein: Vorlesungen verschiedenster Art, „schwarze“ Gottesdienste in der Peterskirche, Vampire-Liverollenspiel, Absinthfrühstück, Fotoausstellungen, Kunstperformances und sogar ein „Kinderparadies“ galt es zu besuchen und mitzunehmen. Mit der traditionellen großen Abschlussfeier in der zentral gelegenen „Moritzbastei“ klang dann der letzte Abend für die einen gemütlich, für die anderen tanzend im eigenen Schweiß aus. Wir landeten ohne die Moritzbastei auch nur zu streifen direkt im Bett. Fragt man nun abschließend die morgendlichen Passanten in schwarz, was für sie das wohl nachhaltigste am WGT war, so wird man wie jedes Jahr „die Leute und die Stimmung“ als Antwort bekommen. Fast so, als ob die annähernd 200 Konzerte nie stattgefunden hätten. Aber es ist ja schließlich auch nur ein Treffen, oder?


 
Andreas P. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Wave Gotik Treffen Homepage
» Live-Fotoblog WGT 2007

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