Wenn man einer Metalband das Gütesiegel ‚unverwechselbar’ zu Recht zugeschrieben hat, dann Celtic Frost, die seit über 20 Jahren im Geschäft sind. Die beiden Schlüsselfiguren Thomas Gabriel Fischer (‚Warrior’; Gitarre, Gesang) und Martin Eric Ain (Bass), die dereinst im beschaulichen Örtchen Birchwil (4750 Einwohner) die Formation Hellhammer gründeten (1982), beeinflussten wie kaum eine andere Band die goldene Frühklassik des Heavy Metal, der die Unterscheidung in die Spielarten Black- oder Death-Metal noch weitgehend fremd war (Die göttlichen Dilettanten von Venom veröffentlichten ihr Album ‚Black Metal’ 1982). Möglicherweise ist Thomas Fischer sogar der Pate der Bezeichnung ‚Death-Metal’, denn so lautete der Titel seines Untergrund-Magazins über die damals noch überschaubare extreme Metalszene. Nach einer Reihe von semiprofessionellen Veröffentlichungen (‚Satanic Rites’-Demo, ‚Apocalyptic Raids’ Mini-LP von 1984), die trotz technischer Unzulänglichkeiten Maßstäbe in Agressivität und Heaviness setzten, fanden die Schweizer unter dem Namen Celtic Frost ins Musikbusiness. Die Mini-Lp ‚Morbid Tales’ (1984), die damals bei dem Berliner Label ‚Noise’ erschien, das zuvor ‚Apocalyptic Raids’ veröffentlicht hatte, gilt als absolute Kultscheibe.
Was zeichnet Celtic Frost aus? Zunächst einmal die erdige Heaviness, die von den ungeschlachten und langsamen Brachialriffs ausgeht und der morbide und heiser-melancholische und unverwechselbare Gesang Fischers, der auch für die lyrisch-morbiden Texte zuständig ist, die mitunter an den Dichter Charles Baudelaire erinnern (1821-1867). Stilbildend in Artwork waren Celtic Frost spätestens, als sie den Schweizer Avantgardisten H.R. Giger als „most important mentor“ für sich entdeckten und dessen Gemälde ‚Satan I’ als Albumcover für ‚To mega Therion’ (1985) verwendeten. Diese erste LP gilt den Frosties auch heute noch als „most important release in Celtic Frost’s history“, gerade weil „the combination of Giger’s art and the album’s dark musical blend of classical elements and metal is the cornerstone of what is now perceived to be Celtic Frost’s legacy and part of death/black metal history”. Diese würdige Nachfolger von ‚Morbid Tales’ darf als logische und aggressiv-ungeschliffene Weiterentwicklung betrachtet werden, und enthielt mit ‚Circle of the Tyrants’ ein Stück, das vielleicht das erste aus dem Bereich des extremen und nicht von großen Plattenfirmen gesponserten Metals war, dass als Videoclip gesendet wurde. Nach einer weiteren Mini-Lp auf ‚Noise’ (‚Emperors Return’, 1985) gingen die Pioniere mit der zweiten LP ein großes Wagnis ein. Das dritte Album ‚Into de Pandemonium’ (1987) enthielt nämlich eine höchst heterogene Klanglandschaft. Neben Heavystücken alter Manier (‚Inner Sanctum’, ‚Babylon Fell’) gruben Celtic Frost den Hit ‚Mexican Radio’ der 80er Jahre Wave Legende Wall of Voodoo (‚Dark Continent’, 1981) für eine Coverversion aus und waren meines Wissens nach die erste Metalband, die ein rein technoides Drumcomputerstück kreierte, in das Funksprüche, die im Zuge der Apollo-Missionen entstanden sind, eingefügt wurden. Als drittes Novum bot ‚Into the Pandemonium’ das bombastische ‚Rex Irae (Reqiuem)’ in dem eine klassische Sängerin und orchestrale Anleihen durch Becken- und Streichereinsatz die Riffarbeit in den Hintergrund treten lassen und das Gerüchten zu Folge für Thomas’ Beerdigung komponiert wurde. Üppiger Einsatz klassischer Instrumentierung findet sich auch bei ‚Caress Into Oblivion’, das vom Gebetsruf eines Muezzins eingeleitet wird. Ebenso verrät ‚Tristesse de la Lune’, dessen französischer Text von einer klassischen Sängerin gesungen wird, die poetische Ader der Frosties. Man muss sich heute vor Augen führen, dass vor rund 20 Jahren, klassischer Gesang und derlei bombastische Instrumentierung dem Genre bis dahin völlig unbekannt waren.
Gerade wegen der verschiedenen musikalischen Experimente, geht von ‚Into Pandemonium’ ein besonderer Reiz aus und es darf sicher zu den innovativsten Metalalben aller Zeiten gezählt werden. Weil aber Celtic Frost damals ihrer Zeit voraus und im besten Sinne ‚Crossover’ waren, verfehlten sie mit dem Album den großen Durchbruch.
Die Band veränderte darauf ihren Stil hin zu eingängigen und mehr auf Melodie bedachten Metal, was meines Erachtens deutlich zu Lasten der Originalität ging. Das vierte Album ‚Cold Lake’ (1988) steht für diese Veränderung, wenn auch mit ‚Vanity/Nemesis’ (1990) und ‚parched with thirst i am and dying’ (1992) Veröffentlichungen folgten, die – nicht ganz geglückt – an den alten CF-Stil anknüpften bzw. Stücke aus der alten und neuen Schaffensperiode (1984-1992) retrospektiv zusammenführten. In Folge fiel die Band auseinander und Fischer startete mit Under Apollyon’s Sun ein Soloprojekt. An dem CF-Material vergriffen sich später einige Bands zwecks Coverversionen, scheiterten aber in dem Unterfangen, die alte CF-Heaviness zu transportieren, kläglich. Auch der mittlerweile erschienene Tributsammler (‚Order of the tyrants’, 2003 u.a. mit Dimmu Borgir) ist nicht weiter erwähnenswert. Die einzige nennenswerte und gelungene Coverversion lieferten die Brasilianer Sepultura ab, die ‚Procreation of the wicked’ von ‚Morbid Tales’ auf ihrer Singleauskopplung der LP ‚Roots’ (1996) in unglaublich brachialer Manier zum Leben erweckten.
Man hatte Celtic Frost schon weithin als Stück Metalgeschichte betrachtet, als die ersten vier CF-Alben als klangtechnisch remasterte Neuveröffentlichungen von ‚Noise’ auf den Markt gebracht wurden (1999). Hinzu trat ein von Thomas Fischer mit viel Wortwitz geschriebenes ‚Enthüllungsbuch’, das die berechtigte Frage ‚Are you morbid?’ (2000) im Titel führte und den Leser – der nicht notwendigerweise CF-Fan sein muss, um das Buch zu genießen – Innenansichten einer Karriere im Metalgeschäft offenbarte und mit unterhaltsamen Anekdoten den Werdegang der Schweizer nacherzählt. Wer daraufhin die Internetsite (www.celticfrost.com, zunächst lediglich als Hommage an die Band konzipiert) von Celtic Frost beobachtete, merkte bald, dass sich kurz danach etwas in Richtung Reunion bzw. Comeback tat. Abgesehen von der Vorfreude auf ein solches Projekt, weckte die Art und Weise wie man die Fans auf dem Laufenden hielt und immer wieder mit Informationen fütterte, große Sympathie, die sich in zahlreichen Beiträgen und Kommentaren seitens der immer noch großen Fangemeinde niederschlug.
Durch das von Thomas Fischer eingerichtete Blog (apollyonsun.blogspot.com) konnte man sich ab 2004 fast täglich über den Stand der Dinge informieren und an der Arbeit an dem neuen Alben durch kleine Anekdoten, Lyrik, Berichte und Bilder teilhaben. Weit mehr als eine intelligente Art des Marketings, gab die Band (neben den genannten der ex-CF Schlagzeuger Reed St. Mark und der Neuzugang Erol Unala, Gitarre) damit ihrer tiefen Verbundenheit mit der Fangemeinde Ausdruck und dieser Einblick in die Entstehung des Albums, das ‚Dark matter manifest’ heißen und u.a. die Titel ‚Totgetanzt’, ‚Lost Cynic Rover’ und ‚Resurgam’ enthalten wird. Offenbar hat sich die Band nach reicher Überlegung für eine radikale Revitalisierung des CF-Stils der ‚Morbid Tales’-Periode und damit gegen eine neues experimentelles Album entschieden, was Fischer schweren Herzens dazu veranlasste, die eher experimentell gearteten Kompositionen, die er als „utterly dark“ und „dark wave, electronica“ beschreibt, im Rahmen eines zweiten Albums zu veröffentlichen. Es wären jedoch nicht Celtic Frost, wenn nicht auch das sicher kantige ‚Dark matter manifest’ einige klangtechnische Überraschungen bereithalten würde. Immerhin sieht Fischer das neue Album „so much like the first Hellhammer demo, which we knew would provoke radically divided reactions“. Als erstes Tondokument war auf der CF-Seite das Demostück ‚Ground’ zu hören, das an eine ungefüge und morbide Version von Kiss erinnert. Im Juli 2005 ging die Band ins ‘Horus-Studio’ in Hannover und spielte die neuen Stücke ein. Geplant ist die Veröffentlichung des neuen Albums Anfang 2006. Ebenso planen Celtic Frost in Zusammenarbeit mit ‚Sanctuary Records’ (London) eine 2Cd-Anthologie unter dem Titel ‚Innocence and Wrath’ zu veröffentlichen, die neu arrangiertes und bis dato unveröffentlichtes Hellhammer und CF-Material enthalten soll. Vielleicht wird nach Jahren bleierner Stille das kommende das Jahr der Schweizer Lemuren sein.
Foto: Martin Ain (2005)
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