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Konzertbericht: Dies Natalis/Ain Soph


Konzertbericht: Dies Natalis/Ain Soph
Kategorie: Spezial
Wörter: 852
Erstellt: 04.11.2004
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Autor: Roy Liebscher

Auf schier unerklärliche Weise verschlug es am Samstag, dem 31. Oktober, DIE italienische Kultformation AIN SOPH in die Alte Spinnerei der, für diese Veranstaltung fast schon zu profanen Ortschaft Glauchau - nun gut, man möchte meinen für AIN SOPH sei jedwede Lokalität außerhalb des heimischen Roma zu weltlich...
Zu dieser Gelegenheit wurde die beliebte dt. Neofolkgruppe DIES NATALIS als Vorband eingeladen, deren Auftritt zunächst für einige Verwirrung sorgte. Mit der gewohnt pünktlichen Verspätung folkloristischer bzw. industrieller Konzertabende, fand man denn deutlich weniger Musiker auf der Bühne, als man von vergangenen Konzerten der Lausitzer in Erinnerung zu haben glaubte. Längst im Untergrund lauernde Differenzen und Meinungsverschiedenheiten traten wohl plötzlich zutage, worauf, für uns alle überraschend und bedauerlich, die Auflösung des personellen Gefüges folgte, welche den festen Kern dieses musikalischen Projektes allerdings nicht erschüttern konnte.
Aus der Band DIES NATALIS war also ein Duo – bestehend aus Tobias Strahl und Sylvia Schmidt – geworden, was sich freilich auch auf die Instrumentierung auswirkte, die, nicht unbedingt zum Nachteil, auf Akustikgitarre, Gesang und gelegentlichem Mundharmonikaeinsatz beschränkt blieb. Tatsächlich erklangen die Stücke trotz dieser Reduzierung nur umso intensiver, eindringlicher und, was ein wesentliches Merkmal für DIES NATALIS ist, sie bewegten sich auf einer emotionalen Ebene urreinster Folkmusik, die es an Nähe und Interaktion zwischen Künstler und Publikum, das auf die veränderte Situation sehr fair und diszipliniert reagierte, nie fehlen ließ. Eine solch sympathische Bühnenpräsenz bietet Grund zur Annahme, die Studioaufnahmen der Löbauer seien nur Beiwerk und erfreuliches Nebenprodukt ihrer Auftritte. So trug man zum größten Teil Lieder vor, die während der Tour u.a. in Portugal entstanden sind – selbstredend, dass diese das bereits bekannte Material von TRISTAN und älteren Veröffentlichungen nochmals übertrafen. Aber auch wunderschöne Klassiker, wie DEINE HAND ZU HALTEN und EIN WANDERER, ALSO AM ENDE SEINER REISE wurden nicht ausgelassen, um Zugaben war man ebenso nicht verlegen, so dass das Duo eine wirklich exzeptionelle Vorstellung darbot.
Gerade weil einer unvorgesehenen Veränderung der Umstände ausgesetzt, wünsche ich Tobias Strahl und seiner Musik, alles Gute für die noch ungewisse Zukunft und kann das nächste Konzert am 13.11. in Leipzig nur wärmstens empfehlen.

Kurz nach elf kündigten sich dann schließlich die Italiener auf der Bühne an und etwas entfernt – aber von innen her – vernahm ich diese seltsamen Sätze, die mir vor nicht allzu langer Zeit, nach dem ersten Hören von ARS REGIA, in Form eines Gedichtes aus dem Sinn träufelten, wo es u.a. hieß: „...und ich wünsche mir die Tage zurück, die ich niemals erlebte...". Will heißen, dass AIN SOPH sich seit etwa der gleichen Anzahl von Jahren der Klangerzeugung widmen, die ich auf der holden Erde verweile und mir somit bisher jede Gelegenheit versagt blieb, die wahrscheinlich berechtigtste KULTband im Genre live zu erleben. Bisher. Aber wie das mit der Zeit so ist, die ja bekanntlich niemals still stehen möchte, hinterließ sie fortfolgend ihre unabänderlichen Spuren auf den Tonträgern der Römer, tauschte zunächst henochische Symbole mit rauchigen Partisanenversen und diese wiederum später gegen Hammer, Swastika & Sichel, und ich musste mir wohl sehr schnell aus dem Kopf schlagen, Stücke wie MONSALVAT oder KSHATRIYA an diesem Abend zu Gehör zu bekommen.
Zumindest ließ die für Rockgruppierungen typische Instrumentierung keine derartigen retrospektiven Ausflüge vermuten. Wer nach den ersten beiden Stücken – ULJANOV und LE NEVI ERTENE, die, ähnlich den Augenzeugenberichten vergangener AIN SOPH Konzerte, noch recht chaotisch, unkontrolliert und unabgestimmt tönten – mit einer stur programmatischen Umsetzung des letzten Albums rechnete, wurde glücklicherweise eines besseren belehrt; wohl diente OTTOBRE nur als Rahmen für eine bunte Abfolge bekanntester Titel. Hits der einzigartigen AURORA wurden ebenso bedacht, wie neuere Singles und - zur größten Überrauschung – der Klassiker DATEMI PACE, dessen sakrale Stimmung nicht einmal durch E-Gitarre und Schlagzeug zerstört werden konnte. Mit der Zeit also spielten sich Spectrae und seine Instrumentalisten immer besser und intensiver aufeinander ein, schwangen sich zu einer meisterlichen Form auf; so wirkte es dann auch eher erheiternd als unverständlich, dass man sich zwischen den Stücken, ja mitunter sogar innerhalb einiger Lieder lange Absprachen und eigenwillig platzierte Pausen gönnte. Nach etwas über einer Stunde schloss das offizielle Set mit KOBA und virtuosen Gitarrenfeedbacks. Die inzwischen – und für mich unbegreiflich – stark dezimierte Hörerschaft ließ es sich nicht entgehen, den Italienern lautstark drei Zugaben zu entlocken, so dass man doch noch mit dem lang erwarteten, pathetischen CUORE NERO verwöhnt wurde. BALTIKUM mag ein verhältnismäßig riesiger Hit sein, was ja auch im Publikum die entsprechende Resonanz fand, ob man aber ausgerechnet dieses Stück zweimal erklingen lassen muss, ist fragwürdig.
Zugegeben, ich hatte eingangs zum ersten mal Zweifel, dass AIN SOPH ihrem Kultstatus nicht gerecht werden könnten, ihre künstlerische Größe nicht zu bestätigten wüssten. Aber auch wenn sich rein äußerlich Stil und Klangkomponenten einer Änderung unterwarfen, ging dem eigentlichen Wesen dieser Band nichts an seiner magischen Transzendenz und spirituellen Qualität, der Musik nichts an ihrem weinschweren Taumel und rituellen Charakter verloren. In einem gängigen Lexikon für Religion und Mythologie steht unter dem Begriff ‚En-Sof’ schwarz auf weiß geschrieben: „...bezeichnet das reine, vom Menschen weder erkennbare noch benennbare Wesen Gottes und liegt jenseits aller Sinneserfahrung bzw. mystischen Versenkung." – Dem sei nichts mehr hinzuzufügen.

 
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