Autor: Michael SchönholdAm Samstagabend drängte sich in Berlin-Kreuzberg eine große Menschenmenge auf dem Gehsteig vor dem U-Bahnhof Schlesisches Tor. Diese Menschen begehrten Einlass ins
Kato, wo an jenem Abend für etwa 400 Gäste die deutschlandweit exklusive Live - Premiere des Kirlian Camera - Albums "Invisible Front. 2005" stattfinden sollte...
Der Beginn der Veranstaltung war zwar für 21 Uhr angekündigt, diese Zeit lag jedoch fern jeder Realität, weil sich der Einlass ziemlich in die Länge zog. Es wurden aus Sicherheitsgründen jeweils nur kleine Grüppchen von maximal zehn Personen eingelassen, wohl auch um beim Ansturm auf die Kasse die Übersicht wahren zu können. Im Inneren wurden alle Besucher an nur einem Tresen abgefertigt, egal ob sie schon Karten hatten, oder noch nicht. Dadurch ergaben sich große Verzögerungen, welche auch für den immensen Rückstau auf dem Gehsteig ursächlich waren. Die wartenden Besucher standen dort in einer Traube und drängten von allen Seiten auf die Tür zu - der Weg ins Kato wurde zu einem Ellenbogenkampf, bei welchem einige Leute wahrlich einen Mangel an Disziplin zeigten. Es fehlten dort Absperrgitter, mit denen man die zur Tür drängende Menschenmasse hätte kanalisieren können.
Wer den Einlass überstanden hatte, sammelte sich im Foyer bei den Merchandise-Artikeln und Tonträgern, in der Bar, oder im Konzertraum - und schaute vielleicht ein wenig mitleidig nach draußen zu jenen, welche sich noch vor der Tür im Gedränge befanden. Angesichts der Einlassmodalitäten verzögerte sich der Beginn erheblich, aber man hatte dadurch immerhin genug Zeit zum Austausch mit alten und neuen Bekannten - was ja auch schön sein kann.
Es war etwa 23 Uhr, als der Auftritt des Openers
Axon Neuron/Vagwa begann. Das Projekt wurde verstärkt durch Mitglieder der Band
Aurum Nostrum, was der Intensität der Live-Präsentation dieses Projektes deutlich zu gute kommt. Allerdings war es etwas schwierig, ihnen in der überfüllten Räumlichkeit die angemessene Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, die den Klangstrukturen Axon Neurons wirklich gebühren würde. Eigentlich benötigt ein solches
Industrial-Ambient-Konzert einen bestuhlten Raum, in welchem man diese Musik sitzend auf sich wirken lassen kann. Mancher Gast saß dann auch bei ihrem Auftritt draußen vor der Tür des Konzertraumes - wissend, daß die Nacht im überfüllten Saal noch lang genug werden würde. Nach etwa 40 Minuten verabschiedeten sich AN/V und es folgte eine kurze Umbaupause.
Um 0:14 Uhr war es so weit: Das Intro erklang, und die Mitglieder von
Kirlian Camera betraten mit ihren Sturmhauben maskiert die Bühne. Alle fünf trugen als Bühnenuniform weiße Hemden mit dreieckigen KC-Aufnähern, dazu schwarze Krawatten und schwarze Beinkleider, wodurch sie dem Zuschauer das einheitliche Bild einer (Weltraum-) Mannschaft vermittelten. Als zusätzlichen Beleuchtungseffekt hatte jeder der Musiker noch eine Taschenlampe. Dieses Science Fiction - Konzept in der Präsentation wurde durch filmische Hintergrundprojektionen mit der Thematik
Unbekannte Flugobjekte und
Fortschrittstechnologie, meist im
Fünfziger Jahre - Flair gehalten, unterstrichen.
Doch die gut vorbereitete Show begann leider mit einem Wehrmutstropfen in Form von unüberhörbaren technischen Problemen - Elenas Gesangsstimme war erst zu leise, nach Korrektur durch den Mixer kam es zu lästigen Rückkopplungen und schließlich war Angelos Gesang bei "
The Desert Inside" nur noch fragmental wahrnehmbar. Er entfernte sich dabei immer wieder vom Mikrofon, unternahm neue Gesangsversuche, und hörte dann ganz auf zu singen. Das Lied wurde zwar noch als Instrumental beendet, aber danach exerzierte Herr Bergamini etwas, das ich so konsequent leider noch von keinem anderen Künstler zuvor in einer solchen Situation erlebt habe: Schon mehrfach an diesem Abend bat er die Techniker vergeblich um die Behebung der Probleme. Diesmal aber ließ er das Licht anschalten, und verkündete auf englisch sinngemäß das Folgende: "Vielen Dank, daß ihr alle gekommen seid. Wir würden sehr gerne weiter für euch spielen, aber mit diesen technischen Problemen ist es uns nicht möglich" - und mit strengem Blick zum Mischpult drohte er: "really, we go!". Seine Mitmusiker bauten sich dabei demonstrativ in Streikpose hinter ihren Instrumenten auf. Ziemlich schnell kam ein Techniker auf die Bühne geeilt und werkelte etwas herum - und siehe da: Das Problem ward behoben! Die Mannschaft bedankte sich beim Techniker mit Beifall, das Publikum ebenfalls, und die Show konnte weitergehen. (nach einer weiteren, freundlichen Ermahnung, das Licht doch jetzt bitte wieder auszuschalten). Es war eine kleine
Sideshow, die eigentlich am besten einem italienischen Temperament wie Angelo Bergamini zuzutrauen ist. Andere Musiker hätten wohl auch mit dem versauten Sound weitergespielt - Kirlian Camera nicht.
Nach diesen Startschwierigkeiten gelang die weitere Show um so besser. Eine gute Stunde lang spielte man vornehmlich Lieder des aktuellen Albums
"Invisible Front. 2005", angereichert mit dem ein- oder anderen KC-Klassiker. Am Ende verabschiedete sich die Band freundlich winkend von ihrem Publikum - welches seine Helden aber jetzt noch nicht gehen lassen wollte. Man spendete tosenden Applaus und rhythmisches Klatschen, um die Italiener wieder auf die Bühne zu rufen. Zu selten bekommt man Kirlian Camera in diesem Land live zu sehen, als daß sie ohne Zugabe hätten gehen dürfen. Als erstes Zugabelied wurde "Eclipse" gespielt - gefolgt von einer rhythmischeren Variante von "Heldenplatz". Erneut gab es einen Abschied der Band, tosenden Applaus und lautstarke Zugabeforderungen des Publikums. KC kamen zurück auf die Bühne und das nächste Lied war "Twilight Fields". Anschließend erneut das Ritual: Abschied, Applaus, Rufe - Und die Band kam wieder zurück. Aus dem Publikum wurde mehrfach das Lied "Fields Of Sunset" gefordert, und man ließ eine Gitarre auf die Bühne bringen. Angelos Worte "we need a plectrum" und die Tatsache, daß die Gitarre zunächst erst einmal gestimmt werden musste, zeigte daß es offenbar ein spontaner Entschluss war, nun ein kleines akustisches Set zu spielen. Es bestand aus "FOS" und einem "new Song". Auch der folgende Abschied stieß noch nicht auf die Zustimmung des Publikums und so kamen KC ein viertes Mal auf die Bühne, und spielten - wohl selbst nicht auf derartig viele Zugaben eingerichtet - einfach das Lied "K-Pax" ein zweites Mal an diesem Abend.
Die darauf folgende Verabschiedung erschien nun endgültig zu sein, und viele Zuhörer bewegten sich auch schon aus dem Saal - als Kirlian Camera tatsächlich noch ein fünftes Mal auf die Bühne zurückkehrten. Da Angelo bereits umgekleidet war, machte sein Auftauchen einen sehr spontanen Eindruck. Für die vielen begeisterten Fans wurde nun zum
letzten Abschluss noch die Siderartica-Version des Joy Division - Klassikers "Atmosphere" gespielt. Nach fünfzig (!) Zugabe-Minuten klang mit diesem schönen Lied ein unvergesslicher Auftritt von fast zweistündiger Länge (nun wirklich) aus.
Das Konzert im überfüllten Kato zeigte vor allem eines: Den großen Bedarf der Zuhörerschaft, Kirlian Camera in Deutschland live sehen zu wollen. Die Reise nach Berlin hat sich regelrecht ausgezahlt. Man bekam Stimmung, Freude, Begeisterung - beste Unterhaltung, welche man in Geld nicht umrechnen sollte. Kirlian Camera haben gerne gespielt - selten war derartiges für mich so deutlich wahrzunehmen, wie bei dieser italienischen Kultformation. Liebhaber der alten, der neuen und sogar der akustischen Klänge KC's kamen dabei auf ihre Kosten. Ein großes Dankeschön an alle, die uns diesen besonderen Konzertabend möglich gemacht haben!
Zusätzliche Fotos:
ButowWeitere Bilder mit Dank an Marduk.
KIRLIAN CAMERA werden dieses Jahr am 31. Dezember auf dem neunten
Lichtreigen in Jena das Jahr 2005 musikalisch begrüßen! Weitere Informationen schon bald!
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