Das Black Easter Festival in Antwerpen ist ein kleines Festival, das eine recht breite Palette an Stilen abdeckt, was heute ja eher ungewöhnlich ist. Von Neofolk über Synth-Wave weiter zum Post-Punk bis hin zu Mainstream Gothic Acts ist so ziemlich alles im Programm, was man als Fan dunkler Klänge gut finden könnte. Am ersten Tag, dem Samstag, wurde auf jeden Fall eine Mischung von Bands präsentiert, die mich soweit ansprach, dass der Weg an diesem Tag ein lohnender war. Die wenige Tage zuvor erfolgten Anschläge in Brüssel hatten nur insofern Auswirkungen, als die eigentlich angekündigten ROSA RUBEA – die Band um die Ex-CAMERATA MEDIOLANENSE Sängerin DANIELA BEDESKI – nicht auftreten konnte, da der geplante Flug nach Brüssel nicht möglich war. Ansonsten verlebte man einen entspannten Festivaltag im Zappa, das in einer etwas außerhalb gelegenen Gegend von Antwerpen zu finden ist.
Los ging es zunächst mit ELVYA DULCIMER, die – ziemlich naheliegend – mit dem Dulcimer auf der Bühne stand. Zu synthetischen Backings und mit ihrem Gesang bewegt sie sich im Großen und Ganzen stilistisch im Ethereal-Umfeld, wo wehmütige Melodien mit synthetischem Bombast umwoben werden. Solide aber auch nicht wirklich neu oder mitreißend.
Die ungünstigsten Startbedingungen hatten an diesem Tag sicher STORY OFF, die kurzerhand für ROSA RUBEA eingesprungen sind und damit eine extrem kurze Vorbereitungszeit hatten. Eigentlich ein Solo-Projekt von GEERT VANDEKERKHOF, der auch bei DER KLINKE aktiv ist, trat man live als Duo auf, um den 80er orientierten Synth-Wave, der mich teilweise an THE NEON JUDGEMENT erinnert, vorzustellen. Es ist sicherlich immer eine Frage, ob sich eine Band, die nicht sowieso gerade in einer Tour oder in Vorbereitungen zu einem Live-Gig steckt, einen Gefallen damit tut, wenn sie kurzfristig irgendwo einspringt. Andererseits kann man der Band aber einzelne Unsicherheiten, die naturgemäß auftraten, unter diesen Umständen sicherlich auch gerne verzeihen. Insgesamt wurde jedenfalls ein launiges, aktivierendes Set gespielt, das sich größtenteils aus dem bisher einzigen Album „Amazing Conversations“ speiste. Am Ende wurde dann noch eine Cover-Version von PORTISHEADs „Machine Gun“ gespielt, das aber vor allem gesanglich – wen wundert es - nicht an das Original heranreichte.
Im Anschluss nahte der Auftritt der belgischen Newcomer von WHISPERING SONS, die in Belgien gerade, u.a. befeuert durch die Teilnahme an einem bekannten Rock-Wettbewerb, Begeisterung auslösen. Immerhin konnte die Band, die bisher ein Tape auf dem Konto hatte, an diesem Abend und wenige Tage nach dem Erscheinen bereits die Erstauflage ihrer Debut-E.P. ausverkaufen. Die recht jungen, spielerisch souveränen Musiker um die Frontfrau FENNE haben einen stark an JOY DIVISION angelehnten Sound; elektronisches, treibendes Schlagzeug, durchsetzungsfähiger Bass, schneidende Gitarren und 80er-Synthesizer-Sounds inklusive. Die nach bisher noch wenigen Auftritten verständlicherweise etwas schüchtern wirkenden Musiker setzten dabei voll auf ihre, die Musik engagiert und aktiv nach außen verkörpernde Sängerin FENNE, die mich mit ihrem ungewöhnlich tiefen Timbre an SIOUXSIE SIOUX erinnerte. Ab und zu werden auch Vergleiche zu NICO gezogen, wobei hier das musikalische Umfeld schon ein anderes ist. Die Performance von WHISPERING SONS, die neben eigenem Material auch eine interessante Cover-Version des THE DOORS Klassikers „Break On Through“ beinhaltete, erzeugte auf jeden Fall ordentlich Druck und erhöhte damit auch den Begeisterungs- und Bewegungsgrad im Publikum. Von dieser Band wird man in nächster Zeit mit Sicherheit noch mehr hören.
ATTRITION Der Schwenk zu ATTRITION war im Anschluss sowohl musikalisch als auch von der Art der Show her ein gewaltiger. Das Projekt von MARTIN BOWES sieht man ja eher selten auf der Bühne, obwohl der umtriebige BOWES immer wieder sehr unterschiedlich gelagerte Alben zwischen Ambient/Soundtrack und trockener Elektronik veröffentlicht. Als Duo, wobei der weibliche Gesangsanteil gegenüber früher deutlich zurückgefahren wurde, präsentierte man typische ATTRITION-Kost mit hypnotischen Beats und den unnachahmlichen staubtrockenen Basssequenzen; das alles garniert mit MARTIN BOWES tief, raunender Stimme. Das dicke Bündel brennender Räucherstäbchen in seiner Hand durfte natürlich auch diesmal nicht fehlen. Bei der Auswahl des Songmaterials blieb man allerdings in der Zeit diesseits des Jahres 2000, sodass der eine oder andere wünschenswerte Klassiker fehlte. Die Performance auf dem WGT vor ein paar Jahren hat mir zwar etwas besser gefallen; das Konzert war aber auf jeden Fall eine launige Veranstaltung.
HEKATE HEKATE hatten für ihre Verhältnisse eine recht kurze Spieldauer, sodass man sich neben einzelnen Klassikern wie „Mithras Garden“ auf das Material der letzten beiden Alben konzentrierte. Neue Stücke oder eher selten gespielte Stücke, die z.B. in Hilden beim Konzert mit ROME vor ein paar Wochen noch im Programm waren, fehlten somit. Insofern konnte man einen wie immer musikalisch runden Auftritt der Band erleben.
MILA MAR sind ja bereits im letzten Jahr im Rahmen des WGT wieder auf die Bühne zurückgekehrt. Das Quartett hatte ab dem Ende der 90er Jahre drei Alben veröffentlicht, die irgendwo zwischen Ethereal, Tribal-Pop und einer gehörigen Prise DEAD CAN DANCE angesiedelt waren. Später zerstritt man sich, wobei die Sängerin ANKE HACHFELD noch ein paar Jahre unter dem Namen MILÙ unterwegs war, bevor es dann auch um sie still wurde. Neues Material gibt es bisher nur im Netz und das auch nur begrenzt. Somit legte die Band den Augenmerk auf die Vergangenheit, wobei die Band mit Keyboard, Geige/Flöte und Schlagzeug absolut professionell agierte. Ebenso unzweifelhaft ist die gesangliche Leistung von ANKE HACHFELD zu bewerten, die ungemein variationsreich, tonsicher und mit ordentlich Volumen in der Stimme agierte und dabei stets auf der gesamten Bühne unterwegs war. Die etwas zu ironisch-distanzierte und bisweilen konfrontative Art der Sängerin ist aber etwas, das schon bei früheren Auftritten, noch vor dem Bruch der Band, aus meiner Sicht negativ auffiel und auch etwas die Atmosphäre störte. Dazu kam auch die kaum wahrgenommene Bindung innerhalb der Band. Ansonsten konnte man aber ein musikalisch hochklassiges Set erleben, bei dem Stücke wie „Djanga“, das auch früher in der Neofolk-Disco zum Programm gehörte, neben Stücken wie "Elfentanz“ erstrahlten.
IN THE NURSERY Den Abschluss des Abends gestalteten schließlich IN THE NURSERY, die ihr 35-jähriges Wirken feierten. Zu diesem Anlass band die vierköpfige Band in ihr übliches Set aus neuen Stücken wie „Crave“ oder „Lectern“ und vielen Live-Klassikern vor allem einen längeren Post-Punk Teil ein, der rund um das diesmal fast ganz ohne Elektronik auskommende „Mystery“ mehrere Stücke umfasste, die im Wesentlichen mit Gitarre, Bass und Schlagzeug instrumentiert waren und die aus der Frühphase der Band stammten. Da IN THE NURSERY schon etwas länger nicht live aufgetreten sind, hätte ich allerdings erwartet, dass das Live-Set in Bezug auf die Songauswahl ansonsten etwas kräftiger überarbeitet worden wäre, was bei dem Repertoire der Band ja eigentlich kein Problem darstellt. Abseits von diesem Punkt gibt es aber kaum etwas an dem sympathisch wirkenden und wie immer druckvollen Auftritt zu bemängeln.
Damit endete ein gut organisierter und auch was die Technik anbelangt fast tadelloser Festivaltag. Abschließend kann man nur hoffen, dass diese Art von eher kleinen, musikalisch recht breit gestreuten Festivals weiterhin ein Publikum findet.
Tony F. für nonpop.de
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hier irrt der Autor - das Set war zwar kürzer, aber auch hier waren 2 neue Stücke dabei (in Hilden waren es 3 neue Stücke).