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MICHEL HOUELLEBECQ: Unterwerfung


MICHEL HOUELLEBECQ: Unterwerfung
Kategorie: Spezial
Wörter: 1090
Erstellt: 21.07.2015
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Wenn man die Karriere von Autoren (auch Musikern oder Malern) verfolgt, fällt auf, dass man meist nur vom Erstling, der Frühphase, schwer beeindruckt war. Das liegt zum einen daran, dass das Buch (bei Autoren) neu gewesen ist, d.h. eine Neuigkeit unter den vielen Bekannten. Und zum anderen hat das damit zu tun, dass sich die meisten Künstler am Anfang nur wenig um die Konventionen kümmern. Sie schreiben (malen, spielen) einfach drauf los. Und, haben sie Glück, trifft das einen Nerv. Das hat mit den Umständen, vielleicht auch dem Zeitgeist zu tun. Manchmal, was die schreibende Zunft betrifft, aber auch mit der Form, der ungewöhnlichen Sprache, oder dem außergewöhnlichen thematischen Feld – ganz allgemein, dem Besonderen eben.
Später dann glätten sich die Ecken und Kanten. Das Ungewöhnliche macht sich einen Namen. Es wird bekannt. Dazu verfeinert sich der Stil – was eigentlich nichts anders bedeutet, als dass sich die schreibende Person in den Literaturbetrieb gut eingepasst hat. Zwischendurch kommt dann meist noch ein Buch, das aus der Reihe tanzt. Und schließlich – bleibt man dem Autoren treu – wartet man auf das Finale, auf das opus magnum, das meist ein überaus umfangreicher Brocken ist.
MICHEL HOUELLEBECQ ist noch nicht soweit. Allerdings schon ziemlich nah dran. Doch ob ich auf sein Haupt- oder aber Alterswerk warten werde, steht nach der Lektüre von „Unterwerfung“ noch nicht so ganz fest. Auch hab ich zugegebenermaßen eine Lücke, was das Gesamtwerk bis heute betrifft. „Ausweitung der Kampfzone“ habe ich noch mit Freude begeistert gelesen, „Elementarteilchen“ mit zumindest noch einiger Anteilnahme, doch schon bei „Plattform“ stieg ich aus. Mir war das dauernde Zur-Schau-Stellen der sexuellen Frustration, oder die eben in „Plattform“ folgende Beschreibung des Sex-Tourismus schlichtweg zu viel. Oder anders ausgedrückt, der Hengst war von HOUELLEBECQ tot geritten worden. „Die Möglichkeit einer Insel“ und „Karte und Gebiet“ – der, wie vorhin schon erwähnt, etwas aus der Reihe tanzende Roman – ließ ich dann ganz weg. Erst jetzt, weil ich „Unterwerfung“ geschenkt bekommen habe, steige ich wieder ein.
Tja, und was soll ich sagen? Der Sex ist immer noch da. Doch zu meinem Glück viel weniger vordergründig. Er spielt nur noch am Rand eine Rolle. Es geht hier nämlich um ein ganz anderes Thema. Das heißt, hier wird mit der Angst vor der Islamisierung Europas gespielt. Aber zum Inhalt:
François, ein Mittvierziger, lehrt an einer Pariser Universität Literatur. Er hat über Joris-Karl Huysmans (1848-1907), einen Naturalisten, promoviert. Sonst ist sein Leben trist, alkoholgetränkt, von kurzweiligen sexuellen Abenteuern geprägt, von der Leere und Einsamkeit, von Sinnlosigkeit, die dann aber plötzlich von außen mit Sinn angefüllt wird.
Eine muslimische Partei taucht im politischen Spektrum Frankreichs auf. Man schreibt das Jahr 2022. Diese geht ein Bündnis mit den Sozialisten und den Konservativen ein, um die Rechte, d.h. den „Front National“ nicht aufsteigen zu lassen. Der an der Spitze der muslimischen Partei stehende Ben Abbès wird Staatspräsident. Was folgt ist die Scharia, das Patriachat, die Vielehe – all das, wovor viele Angst haben. Zumindest steht das alles kurz bevor ...
Im Weiteren werden dann die (innere) Entwicklung (deshalb wird das Buch hier und da auch als Entwicklungsroman gehandelt) der Hauptfigur François und auch die politische vom liberal demokratischen zum islamischen Europa beschrieben. Allerdings nur während der Anfangszeit der Regierung von Ben Abbès. Der Roman ist also weder Utopie, die zeigt, wie schön es auf der Erde sein kann, noch Dystopie, die zeigt, wie es fault. Nein, hier wird ein Aufbruch beschrieben. Allerdings geht es auch um die Feststellung, dass Europa und die europäische Kultur längst verrottet sind, dass nur noch ein radikaler Schnitt helfen kann.

Einfluss nehmend ist hier vor allem der Uni-Rektor Rediger, der François zu überreden versucht, wieder an die Uni zu kommen (weil François kein Moslem ist, konnte er an seiner alten Uni, die sich neu strukturierte und zur muslimisch ausgerichteten Lehranstalt wurde, nicht weiter lehren). Es geht hier also sicher auch um die Beeinflussbarkeit von außen, um Umstände, die jeden Menschen verändern können, und zwar so, bis das, was ehemals unvorstellbar war, durchaus vorstellbar wird. Am Ende bleibt dann nur noch die Frage: Warum eigentlich nicht?
Es wird dann zwar nicht der tatsächliche Akt der Konversion sondern nur das mögliche Szenario beschrieben. Doch läuft es etwa ab der Hälfte des Buches darauf hinaus. Die Frage also, die sich uns während des Lesens stellt und sich auch mir gestellt hat, ist lediglich das Wie, wie führt HOUELLEBECQ seinen Protagonisten dorthin? ...

Daneben geht’s mal wieder, aber eben nicht ganz so vordergründig, um das Sexualleben des Protagonisten. Und um die Frage, ob die freie Partnerwahl nicht auch etwas mit der Freiheit im Allgemeinen zu tun hat. Das heißt, stellen wir uns einmal die Frage, was wohl passiert, wenn es keine Barrieren und Grenzen mehr gibt? Was wäre, lebten wir im hyperliberalen Raum, mit unseren Entscheidungen? Fiele es uns nicht bis hin zur Unfähigkeit schwer, eine zu treffen – wüssten wir doch nicht mehr, was infrage und was nicht infrage kommt. Welche Maßstäbe setzten wir an, wenn es nichts Verbindliches mehr gibt, keine Grenzen, ohne die wir nicht wüssten, wogegen wir anlaufen sollen? Wir wären in diesem Raum frei, aber eben auch gänzlich ohne Orientierung. Wäre das für uns erstrebenswert?  ...
Im Buch stellt sich die Frage ebenfalls. Doch in die entgegengesetzte Richtung. Da geht’s zurück ins Ultrakonservative. Da werden Partnerschaften arrangiert. Auch werden Frauen als konditionierbarer Leerkörper gekennzeichnet. Sie begehren nicht auf. Eine aktive Frauenbewegung scheint es urplötzlich nicht mehr zu geben (und das im Land der Simone de Beauvoir). Es regiert das Patriarchat. Das ist vielleicht nicht das Beste, aber es funktioniert, heißt es an einer Stelle. Und das ist natürlich brauchbarer Zündstoff. Sicher werden sich daran einige engagierte Rezensenten ihre Finger verbrennen, oder aber zu entflammten Gegenreden ansetzen. Doch das trifft nicht den Kern. HOUELLEBECQ verhandelt hier vielmehr das Kant´sche Gegensatzpaar von Freiheit und Notwendigkeit. Er schreibt nämlich vom Menschen, der zwischen Frei-Sein und in Grenzen befindlich, gleichwie beschränkt ist. Er stellt also gleich beide Seiten der Medaille infrage – auch wenn sein Protagonist letztlich zur Einsicht in die Notwendigkeit der Unterwerfung kommt ...

Ein nicht gänzlich uneingeschränkt aber doch lesenswertes, recht leicht verständliches, kurzweiliges, auch leicht entzündliches Buch, das mit Ängsten spielerisch, ab und an ironisch umgeht, das Diffuse, die Angst vor den Bewegungen des Lebens, beschreibt. Ein zuweilen närrisches Buch, das uns einen Spiegel vorhält. Aber auch ein Räderwerk, das sich dreht und nie aufhört damit, sich zu drehen. Man kommt letztlich immer unter die Räder. Was soll man da machen? Sich fügen? ...

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Seite von MICHEL HOUELLEBECQ
» Verlagsseite


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