Die Veranstaltungsreihe der Porta Nigra Festivals läuft ja bereits seit einigen Jahren in Belgien. Daneben wurden bisher ab und zu auch Veranstaltungen in den Niederlanden oder in Deutschland durchgeführt. Das jüngste Festival fand im belgischen Aarschot statt, wo im Club De Klinker ein recht abwechslungsreiches Programm geboten wurde, wobei gerade die Porta Nigra-Veranstaltungen ohnehin eine recht breite bis ungewöhnliche musikalische Varianz abdecken. Der erste Test für Bands und Besucher bestand allerdings darin, erst einmal zum Veranstaltungsort zu gelangen; fand just an dem Tag doch ein um die Jahreszeit nicht mehr erwarteter Karnevalsumzug statt, der Sperrungen und Parkplatzfülle mit sich brachte. Direkt vor dem Club wurde der Zug zudem zusammengestellt, sodass man auch einmal die musikalische, belgische Frohsinnshölle erleben durfte. Als alter Industrialkenner glaubte man natürlich nicht an einen Zufall: Stichwort „Shock-Tactics“ oder auch die Desensibilisierung oder Deprogrammierung durch offensive Klänge oder Bilder...
Den „Opening-Act“ gab an diesem Abend jedenfalls das Ein-Mann-Unternehmen FLINT GLASS, das mit seinem irgendwo zwischen IDM und Ambient angesiedelten Sound einen guten Einstieg bescherte, auch wenn ich das Projekt persönlich immer als etwas austauschbar und unspannend empfunden habe.
DER BLAUE REITER Danach folgte der Martial Industrial/Neofolk-Block mit DER BLAUE REITER und HEKATE. Nach dem Abschied von LADY NOTT aus dem Ensemble von DER BLAUE REITER trat die Band nun in einer neuen Vierer-Formation auf, wobei neben dem schon bekannten Live-Trommler DAVID GARCÍA vor allem die neue Sängerin CECILIA BJÄRGÖ (Ex-ARCANA, SOPHIA), die ihre Sache gut machte, aber ihr Können anhand vieler durch das bisherige Bandschaffen vorgegebener Sprechgesangparts noch nicht optimal einbringen konnte, im Mittelpunkt stand. Zusätzlich war noch eine Cellistin an Bord, die aber leider aus unverständlichen Gründen kaum etwas musikalisch beizutragen hatte. Das Programm war dabei weitgehend deckungsgleich mit dem Programm beim Morituri Te Salutant-Festival in Rüsselsheim Ende letzten Jahres. Insgesamt hatte man allerdings den Eindruck, dass sich das Quartett noch etwas einspielen muss, wobei die Live-Umsetzung auch etwas unökonomisch ist, wenn gerade beim Live-Ergänzungspersonal an Cello und Trommeln doch zu wenig zählbare und prägende Live-Elemente zu verzeichnen sind. Auch ist zu hoffen, dass die gesanglichen Möglichkeiten von CECILIA BJÄRGÖ bei zukünftigen Alben ausgenutzt werden.
HEKATE Im Anschluss traten HEKATE an, die aufgrund einer Verhinderung von ACHIM WEILER diesmal nur als Quartett auf die Bühne gingen. Insofern fielen die Stücke mit Drehleier-Anteil an diesem Abend aus. Einige Keyboard-Parts wurden dagegen von SUSANNE GROSCHE beigesteuert. Durch die andere Besetzung wirkte das Set, obwohl es gar nicht so viele Änderungen gab, sondern eher Kürzungen wegen der begrenzten Spieldauer, deutlich und erfrischend anders als bei den letzten Konzerten. Insgesamt luftiger und elektronischer – und damit eine gelungene Abwechslung. Der Fokus lag diesmal dann auch eher auf dem neueren Material der letzten beiden Alben bzw. auf noch unveröffentlichtem Material.
Mit HYPNOSKULL VS. HYBRYDS änderte sich der musikalische Rahmen anschließend erheblich. PATRICK STEVENS traf damit in der Live-Performance auf SANDY NYS, wobei die Rhythmen und Beats, die von STEVENS kamen, die Angelegenheit definitiv dominierten. SANDY NYS verlegte sich mehr darauf, Tribal-Samples oder andere Klänge und Geräusche einzuspielen. Mit Ritual-Ambient hatte die Performance also wenig zu tun. Per Video wurden zusätzlich Bilder und Slogans an die Wand geworfen. Da der Auftritt mit einer guten halben Stunde recht knapp, aber auch energetisch ausfiel, blieb letztlich ein durchaus positiver und agiler Eindruck.
Mit Rhythmen und Beats ging es mit dem Act POW(D)ER PUSSY danach weiter. POW(D)ER PUSSY mögen ein-zwei nette Club-Hits haben, mir liegt dieses Projekt aber überhaupt nicht, da die Stücke etwas zerfasert und unfokussiert – man könnte auch sagen willkürlich zusammengestellt – wirken. Außerdem ist man der rein straighten, 4-to-the-floor Partybespaßung zugetan, die mir nicht liegt. Nun ja.
Rhythmisch interessanter und ruppiger wurde es schließlich wieder mit SONAR, die ihr neues Album „Shadow Dancers“ vorstellten. In 50 kurzweiligen, krachigen Minuten wurde von DIRK IVENS und ERIC VAN WONTERGHEM jedenfalls ein gesundes Rhythmusgewitter abgefahren, wobei erfrischend, und mittels Hardware, Sounds manipuliert wurden, statt nur undynamisch vor dem Laptop zu hängen, wie es leider zu oft üblich ist. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass es auch schon einmal druckvollere Auftritte – bezogen auf die Musikauswahl – gab.
IN SLAUGHTER NATIVES Den Abschluss des Festivals bildeten schließlich IN SLAUGHTER NATIVES in mittlerweile üblicher Dreierbesetzung. Der Auftritt begann zunächst eher ruhig mit düsterstem Soundbild und abgrundtiefen Flächen und dem üblichen Flüstern und Fauchen von JOUNI HAVUKAINEN bevor es in der zweiten Hälfte der Auftritts dann rhythmischer und bombastischer wurde, wobei die Abstimmung zwischen Live-Trommeln und Backings nicht immer optimal war. Hier folgten dann auch die üblichen „Hits“ des Projekts. Als Überraschungsgast kam währenddessen auch CECILIA BJÄRGÖ auf die Bühne, um bei zwei Stücken zum Teil orientalisch angehauchte Vocals beizusteuern – definitiv eine gelungene Abwechslung.
Insgesamt gesehen ist den Veranstaltern ein recht abwechslungsreiches und gut durchorganisiertes Festival gelungen, bei dem es jetzt nicht die ganz großen Überraschungen gab; das aber solide zu unterhalten wusste.
Tony F. für nonpop.de
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