JIM HAYNES: Scarlet
HELEN SCARSDALE AGENCY, Januar 2015, MC JIM HAYNES ist einer der zahlreichen Multimedia-Künstler in San Francisco, allerdings ist sein Portfolio beeindruckender und umfangreicher als das der meisten Kollegen. Neben zahllosen eigenen Ausstellungen in den USA und Australien arbeitet er als Kurator, Labelbetreiber und nicht zuletzt als Musiker, hier unter anderem in Zusammenarbeit mit STEVEN STAPLETON. Er widmet sich der Erzeugung analoger Sounds und hat nun auf HELEN SCARSDALE AGENCY, seinem eigenen Label, eine Kassette herausgebracht, die mit 'Rauschen und Frequenzen' überschrieben werden könnte.
Elektrisches Rauschen mit Beat, ein wenig Frequenz-Techno, so startet das Band. Anschließend schieben sich lange, minimale Noise-Drones ineinander, eigentlich zwar kühle Sounds, die aber durchweg eine organische Atmosphäre ergeben. Zwischendurch Überraschungen, technische Vocal-Splitter und Frequenz-Donnern, sozusagen Heavenly Vocals als Science Fiction. Ein Elfminüter in der Mitte arbeitet mit sanftem, rotorenartigem Rauschen und Knattern, was sehr hypnotisch wirkt und später von weiteren Geräuschen begleitet wird (Nachrichtenticker, Fiepen ...), etwas länglich vielleicht. Weitere Geräusch- und Frequenzspielereien folgen, mal schrill noisig, mal vibrierend technisch, mal Ambient mit mehr Rhythmus, mal Dark Ambient mit noisigen oder technoiden Einlagen oder ein weiteres, zitterndes Vocal-Experiment. Mit der erwähnten organischen Atmosphäre erinnert mich "Scarlet" an den Bruitismus von BAD SECTOR, packt mich aber nicht ganz so emotional, sondern eher auf einer technischen, wissenschaftlichen Ebene. Spannend für Frickler und Tüftler. SIGTRYGGUR BERG SIGMARSSON: So Long HELEN SCARSDALE AGENCY, Januar 2015, CD Anders geht es mir mit dem ähnlich jungen, isländischen Soundbastler SIGTRYGGUR BERG SIGMARSSON, der seine neue CD ebenfalls auf HELEN SCARSDALE AGENCY veröffentlicht. Das Mitglied von den auf NONPOP schon vorgestellten STILLUPPSTEYPA verwendet ähnliche Stilmittel, verwebt diese aber dezenter und dichter ineinander, so dass für mich mehr Emotionen entstehen.
Das erste der beiden fast halbstündigen Stücke rauscht lange dunkel und kaum hörbar. Ein endloser, ausströmender Drone, der seine Intensität minimal ändert, langsam andere Färbungen annimmt. Dadurch kommt zunehmend ein Gefühl von Weite und Offenheit ins Spiel: Sakral-Ambient in Superzeitlupe. Bei immer wärmeren und weicheren Tönen muss ich an Schnee, an Winterlandschaften denken, die wie Orgeldrones schimmern. Die zweite Hälfte des fast halbstündigen 'Openers' tönt etwas bedrohlicher, kratzender, bleibt aber bei den langen, gedehnten Sounds. Ein Erlebnis, vor allem über Kopfhörer! Der zweite lange Brocken dröhnt härter und leicht verzerrt, dafür in kürzeren Abständen, so dass von Melodie gesprochen werden kann. Nach einem höhligen Mittelteil folgt spaciges Gleiten, bestärkt durch einige 'außerirdische' Sounds, am Ende stehen schwebende, wabernde Orgelcluster. Das dritte, etwas kürzere Stück geht mehr in Richtung Dark Ambient, basiert zwar auch auf langen, ruhigen Sounds, wirkt aber unheimlicher. Ein Besuch in einer düsteren, riesigen Kirche, der passenderweise mit sakralen, fast klassischen Klängen endet. Tolle Komposition, die eine Gratwanderung zwischen wohligen, schwelgerischen und unruhigen, dunkleren Passagen hinkriegt. Ambient, der durchweg lebendig ist und den Hörer aufnimmt!
Michael We. für nonpop.de
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