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Michael We.

POST SCRIPTVM im Interview

Fakten zum neuen Album und zum Bandkonzept


POST SCRIPTVM im Interview
Kategorie: Spezial
Wörter: 1357
Erstellt: 20.02.2014
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Benommenheit meint den Grundcharakter des Eingenommenseins des Tieres in es. Sehen, Greifen, Fangen geschehen immer aus der Angetriebenheit einer trieb- und diensthaften Fähigkeit dazu. (MARTIN HEIDEGGER: "Die Grundbegriffe der Metaphysik")

Zwei Vornamen und ein Wohnort - viel mehr Informationen gibt es nicht über POST SCRIPTVM. Obwohl ANDREY - live unterstützt von LIANA, siehe Foto - in den vergangenen zehn Jahren mehrere feine Industrial-Alben auf den Markt gebracht hat, allen voran das großartige "Raspad" von 2007 (Besprechung). Beheimatet in New York, haben die beiden gebürtigen Russen nun "Benommenheit" veröffentlicht (Besprechung), wobei für Studioalben ANDREY die Verantwortung hat und LIANA lediglich das Artwork übernimmt. Ein Interview mit dem Kopf von POST SCRIPTVM soll ein paar weitere Fakten liefern...

Hallo ANDREY! Dein neues Album heißt "Benommenheit". Warum der deutsche Titel? Was drückt das Wort für Dich aus?

Das ist ein Begriff, den MARTIN HEIDEGGER verwendet hat. Er wollte damit einen Zustand beschreiben, in dem Menschen - ohne dies zu hinterfragen - nur noch von ihren animalischen Instinkten angetrieben werden. Eine komplette Loslösung von geistigen, mystischen Werten. Ich habe den Eindruck, dass in der heutigen Zeit genau dieser Zustand immer mehr unser soziales und politisches Leben bestimmt, auf jeder Ebene, sowohl individuell als auch global. Das Wort hat eine bedrohliche, sehr symbolische Bedeutung, es gibt keine geeignete Übersetzung in andere Sprachen.

Da "Benommenheit" zum Zeitpunkt dieses Interviews noch nicht offiziell veröffentlicht ist und keine Reviews existieren, hast Du die einmalige Möglichkeit, es an dieser Stelle selbst zu beschreiben. Los geht's!

Das Album ist gedacht als lineare Geschichte, als Lebenszyklus. Wie sich die Seele von der Geburt bis zum Tod entwickelt, eingesperrt in ein menschliches Behältnis. Es ist alles, bloß kein friedliche oder ruhige Reise, aber nicht frei von einer gewissen düsteren Schönheit.
Es fällt mir sehr schwer, die Musik im Detail zu beschreiben, ohne auf eine Reihe von Standardbegriffen zurückzugreifen, die ziemlich nichtssagend sind. Ich denke, der Schwerpunkt liegt auf den atmosphärischen und surrealen Bereichen der Industrial-Musik. Wer möchte, kann unseren Beitrag auf dem letzten NONPOP-Sampler anhören, um einen Vorgeschmack zu bekommen.


Die Album-Version von W.A.L.S.C.H.

Beim ersten Hören kam mir das neue Werk sehr dunkel und düster vor, weniger rhythmisch oder gar melodisch als vorangegangene Alben. Vor allem aber ist mir aufgefallen, dass es insgesamt ruhiger wirkt, mit weniger Ausbrüchen. Kannst Du das bestätigen, oder siehst Du es anders?

Ich ganz persönlich sehe das neue Album als 'freigelegten Nerv'. Es ist sehr emotional und auf keinen Fall ruhiger als frühere Alben. Ich bin aber daran gewöhnt, dass viele Leute die Musik von POST SCRIPTVM ganz unterschiedlich einschätzen. Manche fühlen sich fast hypnotisiert und sehr besänftigt, sie machen dazu Yoga. Andere beschreiben sie als beunruhigend und zerstörerisch.

Um ein Statement zu "Grey Eminence" - dem Vorgängeralbum - gebeten, hast Du gesagt: "Grey Eminence is a personification of the hidden forces that are pushing our civilization towards spiritual death." Könnte das so etwas wie Grundsatzprogramm von POST SCRIPTVM sein?

POST SCRIPTVM wird inspiriert durch die Dunkelheit eines kollektiven Unterbewusstseins. Insbesondere fällt mir die Parallele zwischen dem geistigen Zerfall Einzelner und dem Niedergang einer ganzen Gesellschaft oder gar Zivilisation auf. Diese enge Beziehung habe ich zum ersten Mal in Moskau beobachtet, wo ich während des chaotischen Zerfalls der Sowjetunion lebte. Ein Elternteil arbeitete als Psychiater im Krankenhaus. Der dramatische Verfall von Werten und Überzeugungen, die Aufgabe von Identität und die darauffolgenden Unruhen ähnelten bemerkenswert den Symptomen von Schizophrenie. Als ich allerdings in die USA zog, fand ich schnell heraus, dass groteske und gefährliche, geisteskranke Vorgänge auch die westliche Welt zerfressen. "Grey Eminence" hat die tragischen Fehler der Menschheit eher gesamtgesellschaftlich betrachtet, "Benommenheit" packt das Thema als Mikrokosmos eines einzelnen Bewusstseins an.

Durch Eure Alben zog sich bisher aber neben aller Apokalypse aber auch viel Harmonie und Ästhetik, wie Du schon angesprochen hast. Also gibt es doch noch Hoffnung?

Ich glaube, dass sich eine apokalyptische, pessimistische Sicht der Welt und ein Zustand der Harmonie nicht gegenseitig ausschließen.

Um auf die musikalischen 'Standardbegriffe' zu kommen: Siehst Du Dich der ersten 'Industrial-Welle' verpflichtet, oder gibst Du Dich mit nachfolgenden Bezeichnungen wie 'Post-Industrial' oder 'Dark Ambient' zufrieden?

Sicherlich ist POST SCRIPVTUM in der Anlage beeinflusst von der ersten Welle an Industrial-Musik. Es wäre allerdings vermessen, mich zu etwas zu bekennen, das vor meiner Geburt passierte. Ich beobachte, dass es bei einigen unserer eher modisch orientierten Kollegen angesagt ist, den Sound der 1970er und 80er nachzuahmen, aber das will ich nicht. Für mich ist POST SCRIPTVM eine moderne Industrial-Band. Wenn ich mich wirklich auf einen spezielleren Begriff festlegen müsste, würde ich mich für 'Ambient Industrial' entscheiden.

Deine Alben klingen grundsätzlich sehr analog. Wie wichtig ist Dir das 'richtige' Equipment?

Wir verwenden keine auf Software basierenden Synthesizer oder Effekte für unsere Alben, daher der analoge Klang. Diese Art von Musik braucht nicht viel teure Ausrüstung. Man kann hervorragende Ergebnisse mit sehr einfachen Mitteln erzielen.

Deutscher Titel, russische Wurzeln, Wohnort New York. Du hast schon erwähnt, dass Du früher in Moskau gelebt hast. Was hat Dich in die USA gebracht oder getrieben?

Ja, ich bin in Moskau geboren und vor 20 Jahren nach New York gezogen, da war ich 14 Jahre alt und wollte dem großen amerikanischen Traum nachjagen.

Live sieht man Euch selten. Nur ein Konzert in den vergangenen sechs Jahren, und das in Europa. Welchen Grund hat das? Gibt es in den USA kein Publikum für Eure Musik?

Wir leben sehr zurückgezogen und schlüpfen nur zu ganz besonderen Anlässen aus unserem Bunker. Außerdem sind unsere Alben tatsächlich in Europa weiter verbreitet, also sitzt dort unser Hauptpublikum. 7000 Kilometer zu reisen, nur um einen Gig zu spielen, ist für einen obskuren Act aus dem Untergrund ein bisschen schwierig.



Auch CDs erscheinen in größeren Abständen...

Wir haben uns bewusst für diese Veröffentlichungspolitik entschieden. Für mich ist es wünschenswert, dass ich mir für ein Album lange Zeit lassen kann, damit etwas Gutes dabei herauskommt, das man auch nach einiger Zeit noch hören kann. Bands, die so einen irren Output haben, erinnern mich immer an geschwätzige Menschen, die nicht wissen, wann sie die Klappe zu halten haben.

Würdest Du mir zustimmen, dass Industrial-Musik mit russischen Wurzeln etwas Einzigartiges, Spezielles aufweist? Sagen wir mal, etwas sehr Weites, besonders Melancholisches?

Da könntest Du recht haben. Diese besondere Ästhetik, von der Du sprichst, könnte daher rühren, dass die Russen weitgehend isoliert von westlicher Popkultur aufwuchsen, in einer militarisierten, totalitären Gesellschaft, aber auf der anderen Seite auch mit der allgegenwärtigen Präsenz von revolutionärer, avantgardistischer Kunst, Literatur und Musik.

Hast Du noch Kontakt zu Russland und der starken Industrial-Szene dort (zum Beispiel SAL SOLARIS, REUTOFF, LUNAR ABYSS QUARTET, LINIJA MASS oder CISFINITUM)?

Die kenne ich alle nur von ihren Alben. Ich habe sie nie persönlich getroffen.

Hast Du eine Meinung zu dem, was im Moment zwischen Russland und der Ukraine passiert?

Die schreckliche Lage in der Ukraine ist viel komplizierter, als dass man sie nur auf einen Konflikt mit Russland reduzieren könnte. Da sitzen mehr Spieler am Tisch. Für mich sieht es so aus, als ob alles auf einen ausgewachsenen Bürgerkrieg hinausläuft, der nur in einer weiteren Spaltung, in weiterem Zerfall und mit der Rückkehr ins dunkle Mittelalter endet.
Zufälligerweise stammen die Lyrics zu einem Track auf "Benommenheit" ("Sick Of Shadows") aus einem Gedicht des russisch-ukrainischen Futuristen BOZHIDAR. Er beging 1914 Selbstmord, im Alter von 20 Jahren, weil ihn die schrecklichen Vorahnungen des anstehenden Krieges erdrückten. Das Originalgedicht ist in Russisch verfasst, aber das Ende habe ich lose für Dich übersetzt:

What is a day? What is light?
It's but a carrion afterglow.
An ascent towards a dream nearly reaches the underworld
where there is nothing but emptiness,
and even that can only be seen in the darkness of sleep.


ANDREY, danke für das Interview und viel Erfolg mit "Benommenheit"!


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Bandseite
» Diskografie mit Hörbeispielen

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