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Michael We.

Quintessenz: ATOM™ (UWE SCHMIDT)

Fünf Fragen zum neuen Album ...


Quintessenz: ATOM™ (UWE SCHMIDT)
Kategorie: Spezial
Wörter: 1557
Erstellt: 08.04.2013
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alle Fotos: RENATO DEL VALLE

Über SCHUMANN, SCHUBERT, BACH, klassische Musik insgesamt sowie viele weitere Themen haben wir mit UWE SCHMIDT alias ATOM™ schon gesprochen (Interview). Mit "HD", seinem aktuellen Album (Besprechung), positioniert er sich neu, sowohl zeitlich als auch inhaltlich, und überdies sehr erfolgreich, was zahlreiche Besprechungen und sogar eine Titelstory in einem Printmagazin belegen. ATOM™ scheint momentan einer der Maßstäbe für die Zukunft elektronischer Musik zu sein. Ein guter Grund, uns im Kurzinterview auf den neuesten Stand zu bringen ...

Hallo Herr SCHMIDT! Zu Ihrem neuen Album "HD" verweigern Sie charmant eine inhaltliche Aussage, entnehme ich der beiliegenden Info des Labels. (Dort erfahren wir übrigens auch, dass "Liedgut" (Besprechung) nichts mit Romantik und "Winterreise" (Besprechung) nichts mit SCHUBERT zu tun hatten.) Ich versuche es natürlich trotzdem und frage: Sind Sie mit "HD" thematisch in die Zukunft gesprungen, was der Albumtitel ja zumindest impliziert? Wo sind die klassischen Bezüge einiger Vorgängeralben hin?

Vorneweg: Worte an Musik zu heften, vor allem als so genannten Überbau, halte ich für tendenziell schwierig. Ich denke, dass für jeden Musiker die geschaffene Musik an sich, die Erklärung, oder zumindest den Versuch einer Erklärung darstellt. Gespräche über Musik sind daher für mich eher eine Weiterführung des Erklärungsversuchs als eine rückwirkend beschreibende Tätigkeit, die etwas Abgeschlossenes, und klar Definiertes erklärt. Gerade bei "Liedgut" und "Winterreise" hatte ich den Fehler begangen und bestimmte Begriffe, welche für mich im kreativen Prozess eher Orientierungen oder Assoziationen, niemals aber Überbau (im rechtfertigenden Sinne) darstellten, im Zusammenhang mit der Promotion der beiden Werke selbigen hinzuzufügen. Dies geschah nicht aus eigenem Interesse heraus, sondern vielmehr auf Verlangen der Plattenfirma, welche schließlich irgendwas zu den veröffentlichten Werken sagen möchte. Gerne schlägt dann dieser, der Musik angeheftete Wortschwall, gegen die Musik zurück und überschattet diese mit lästigem Überbau und mehr oder weniger komplexen, abstrakten, im Falle von "Liedgut" und "Winterreise", historischen Gebilden. Nicht dass selbige Historie nicht von Bedeutung gewesen wäre, nur war sie eben nur eine assoziative Komponente, in welcher die dann existent gewordene Musik nicht aufging.
Das wirklich Spannende an der Musik ist für mich durchaus die mysteriöse Art und Weise, wie selbige Wirklichkeit wird, als auch, wie sie sich mitteilt. Beide Prozesse haben mit Worten und Sprache nichts zu tun. Das bedeutet wie gesagt nicht, dass Musik sich der sprachlichen Analyse verweigert, vielmehr ist es wichtig, den Worten einen adäquaten Wirkungsort zuzuteilen.
Um nun auf "HD" zu kommen, so hatte ich aus den beiden Vorgängeralben und deren gern geschehener Fehlverortung, gelernt, und wollte die Aura des Werkes so wenig wie möglich mit sprachlichem Ballast versehen. Das im Pressetext Gesagte ist somit in der Tat alles, was ich im Vorfeld zu "HD" zu sagen habe.
Nun zur Frage an sich. Der Titel "HD" funktioniert meiner Meinung nach dank der assoziativen Kraft, die er ausstrahlt. "HD" wirkt, auf Englisch besser zu umschreiben, sehr 'bold'. Für mich stand "HD" immer für 'hard disc', wohingegen 'high density' vermutlich die geläufigere Bedeutung darstellt. Ob die beiden Buchstaben "HD" nun in die Zukunft oder in die Vergangenheit deuten, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht ist diese Unschärfe eher ein Vor- als ein Nachteil. Was die klassischen Bezüge der Vorgängeralben angeht, so sind selbige durchaus Teil von "HD", wenn auch als 'Destillate'. Just die 'Entstehung der Einfachheit', welche eines der tragenden Themen des Romantizismus darstellt, kommt auf "HD" nun als 'Einfachheit' zur Anwendung.


aus "Liedgut"

Ich empfinde "HD" als sehr humorvoll und satirisch, zum Beispiel in "Stop (Imperialist Pop)". Da zählen Sie einfach die Namen großer Medienkonzerne auf. Wie gesellschaftskritisch, oder vielleicht besser: Musikindustrie-kritisch ist "HD"?

Ich bin mir nicht sicher, ob der von Ihnen erwähnte Titel als Kritik oder schlichtweg als Zustandsbeschreibung zu verstehen ist. In erster Linie waren es Themen und Texte, die mir persönlich als erwähnenswert erschienen. Mehr als die konkreten Inhalte war mir generell wichtig, auf "HD" Titel zu haben, welche Themen auf eine polemische und vielleicht auch überzogene Art ansprechen und postulieren. Die Geste, etwas auf diese Art und Weise in den Raum zu stellen, ist elektronischer Musik als auch meinem Schaffen im Speziellen eher fremd. Diese Art von 'Botschaft', auch gerade in deren verkürzter Präsentation, nämlich in Titeln, die gerade mal vier Minuten lang sind, hielt ich für ein spannendes Element, welches mit dem klotzigen Titel "HD" gut einher ging. Dass jegliche Botschaft auch immer eine trennende Kraft ist, das heißt polarisiert und bestimmte Zuhörer somit automatisch ausschließt, empfand ich ebenso als einen wichtigen Teil des Albums.
Ich finde, man sollte die auf "HD" angesprochenen Inhalte durchaus mal wieder zum Thema machen, gerade in Debatten, die sich mit 'Krisen' oder dem künstlerischen 'Copyright' befassen. Die Verbindung zwischen Ökonomie und Musik wird ja von allen Seiten gerne unter den Tisch gekehrt, und tritt dann erst wieder im üblichen Gejammer latent zum Vorschein. Gerade als Künstler sollte man sich selber die Frage nach dieser Verbindung stellen, und das habe ich hiermit getan.



Einige Rezensenten gehen noch einen Schritt weiter und sehen in "HD" eine Bestandsaufnahme zum Zustand der Popmusik. Wie beurteilen Sie denn deren Lage? Mit SEÑOR COCONUT sind Sie ja auch ein Teil davon, oder?

'Pop' unabhängig von Musik zu betrachten, halte ich mittlerweile wieder für ein diskutierbares Thema. Meiner Meinung nach hat sich im Zuge der ganzen Krisen und Verfalls-Szenarien eine interessante neue Wirklichkeit aufgetan. Die Frage danach, ob denn 'Pop' noch immer mit 'populär' identisch sei, ist meiner Meinung nach der entscheidende Punkt. "HD" zum Beispiel halte ich durchaus für 'Pop', während es gleichzeitig eine Verweigerung den üblichen 'Pop'-Strategien gegenüber darstellt – in diesem Sinne (so zumindest mein Gefühl) vielleicht eher 'Antipop' ist. Je länger ich mich mit 'Pop' beschäftige, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass der in den Mainstream-Medien abgebildete Pop eine reine, glänzende Oberfläche darstellt, eine Art 'Verkaufsargument' der darunter liegenden Werte. 'Pop' wird, dadurch dass diese Oberfläche sie massiv gestreut wird, somit rein quantitativ betrachtet, zu 'Masse'. 'Pop' ist meiner Meinung nach eher mit 'Masse' denn mit 'populär' zu beschreiben. Es werden Produkte populär gemacht, dadurch dass sie massiv gestreut werden. Auf diese Art gestreut werden kann nur das, was mit den promoteten Werten (Ökonomie) kompatibel ist. Diese Werte sind gerade im Umbruch begriffen, und man spürt, wie sich 'Pop' aufrechterhalten will, wenngleich sich unter dieser Oberfläche viele neue 'Streams' öffnen, jeder einzelne, der reinen Größe wegen, ebenso 'main', aber halt nicht an der Oberfläche existent, da den dominanten Medien und den darin verkauften Werten suspekt.
Ferner: Die Regel, dass sich 'Pop' (Mainstream) aus dem Untergrund nährt, scheint nach wie vor wahr zu sein. Der Untergrund, und vor allem die kulturelle Mittelschicht, also das, was in den 90ern noch 'Indie' und 'Alternativ' genannt wurde, ist im Zuge der Krisen weggebrochen. Der Vermittler zwischen 'unten' und 'oben' ist nicht mehr existent. Mir scheint daher, dass vor allem die derzeitige Popmusik in einer Art selbstreferenzieller Schleife hängen geblieben ist, ob der Unmöglichkeit, neuen Input von unten her aufzusaugen. Dieser Prozess jedoch ist noch nicht abgeschlossen, sondern fängt gerade erst an. Meine Prognose ist, dass es hier die nächsten zehn Jahre noch einige Überraschungen geben wird, denn schließlich ist die Idee des 'Populären' eng an Massenmedien, und selbige noch enger an die zerfallenden Märkte gekoppelt. SEÑOR COCONUT nun ist selbstverständlich auch Popmusik und repräsentiert eine bestimmte Phase selbiger, die ich stark von der jetzigen unterscheiden würde.

"HD" hat Sie im Vollbild auf die Titelseite eines Musikmagazins (DE:BUG) gebracht. Brechen neue Zeiten an für ATOM™?

Für alle brechen neue Zeiten an, auch für DE:BUG :-)

Auf dem Cover sehen sie übrigens ganz menschlich aus. Der letzte Song Ihres neuen Albums heißt allerdings: "Ich Bin Meine Maschine", was man bei Ihren präzisen und technischen Kompositionen fast glauben könnte. Sind Sie eine? Also eine Maschine?

Der Satz 'Ich bin meine Maschine' tauchte in einem Essay des Kybernetikers HEINZ VON FOERSTER auf. Ich hatte dieses Essay als Audio vorliegen, und irgendwann diesen Satz gesampelt. Er lag circa zehn Jahre unverwendet, wenn auch präsent, auf meiner Festplatte. (Das Originalsample wurde allerdings nicht verwendet). Völlig aus dem Kontext des ursprünglichen Essays herausgelöst, mogelte sich dieser Spruch nun auf einen Titel, das heißt er assoziierte sich in den Zusammenhang der Komposition, ohne, dass ich wirklich sagen könnte, warum oder wie. Vielmehr, je länger ich über diesen Satz nachdachte, umso mehr Zusammenhänge zeigten sich auf, wie zum Beispiel zu einem Zitat von HENRI BERGSON, welches lautete: "Der Mensch ist eine Maschine, welche Götter herstellt".
Die Frage nach der Trennung von Geist und Materie war unter anderem auch das Thema HEINZ VON FOERSTERs gewesen. Die wissenschaftliche Komponente (hier wären wir nun wieder bei "Liedgut" gelandet) in der Musik war ein wichtiger Teil der Arbeit an "HD", somit ebenso die Integration einer solchen 'Meta'-Reflektion, die sich in dem Satz "Ich bin meine Maschine" widerspiegelt. Um konkret auf die Frage zu antworten, würde ich postulieren: Ja, nicht nur ich bin eine, nämlich meine Maschine, sondern auch Sie sind die Ihre!

Herr SCHMIDT, wieder einmal vielen Dank für ausführliche Antworten!



 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ATOM™

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