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INTERVIEW mit CLAY RUBY

(BURIAL HEX, HORRID RED, WORMSBLOOD)


INTERVIEW mit CLAY RUBY
Kategorie: Spezial
Wörter: 2259
Erstellt: 31.03.2013
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Von Anfang an hat es CLAY RUBY mit seinem Projekt BURIAL HEX vermocht, alles, was es an Extremen in der elektronischen Musik gibt, auszuloten und miteinander zu verweben. In Genrebegriffen eher schwierig zu fassen, ist das Projekt in kürzester Zeit über Szenegrenzen hinweg bekannt geworden. Nun steht BURIAL HEX nach Angaben RUBYs kurz vor der Auflösung. Ein Anlass, einmal genauer nachzuforschen, was dieses Projekt so besonders gemacht hat und mit CLAY RUBY über BURIAL HEX, Okkultismus und seine zahlreichen anderen Projekte zu sprechen.


In mehreren Interviews hast Du gesagt, dass BURIAL HEX kurz vor der Auflösung stünde. Seither hast Du aber offensichtlich neues Material aufgenommen. Hast Du Deine Meinung diesbezüglich geändert oder gibt es noch bestimmte Projekte, die Du fertigstellen willst, bevor Du BURIAL HEX endgültig begräbst? Würdest Du bitte erklären, welche Aspekte von BURIAL HEX nicht mehr fortzuführen sind und was der Grund dafür ist?

Das Projekt ist so gut wie beendet. Der Plan hat sich diesbezüglich nicht geändert. Der Plan war, das Projekt zu beenden, sobald ich „Final Mysteries“ fertiggestellt habe. Im Moment ist mehr als die Hälfte fertig und ich schätze, dass ich bis zum Sommer ganz fertig sein werde. Bis dahin wird es noch eine „Fantasie“ betitelte 7" auf REUE UM REUE geben, eine LP mit dem Titel „The Hierophant“ auf HANDMADE BIRDS, und zwei einstündige Kassetten der „Eschatology: Nightfall“-Reihe auf BRAVE MYSTERIES – alles Musik, die bereits aufgenommen und an die Labels geschickt wurde. Jetzt muss ich „Final Mysteries“ nur noch den Feinschliff verpassen und dann kann ich BURIAL HEX beenden.
Der Schreib- und Aufnahmeprozess können einfach nicht weitergeführt werden. BURIAL HEX ist mehr eine Kollaboration oder ein Arbeitsablauf und ich habe nicht die Absicht, danach noch Musik unter dem Namen BURIAL HEX zu schreiben. Das komplette Projekt war von Beginn an geplant mit dem Anfang, der „Burial Hex“ LP, einem Mittelstück, der „Initiations“ Doppel-LP, und einem Ende, der „Final Mysteries“ Triple-LP.


In einem Interview mit HEATHEN HARVEST hast Du erzählt, dass Du als Kind schon angefangen hast, Piano und später Synthesizer zu spielen und dass Du dann aber einige Zeit später mehr an Punk und Metal interessiert warst. Mein Eindruck ist, dass es die letzten Jahre ja beinahe so gewesen ist, als seien die Leute gelangweilt von ihren Szenen und würde zunehmend experimentierfreudiger werden. Ich denke da beispielsweise an Leute aus der Hardcoreszene, die Black Metal und Doom für sich entdecken oder Black Metal-Bands, die zunehmend mit Noise oder Dark Ambient experimentieren. Denkst Du, das ist eine positive Entwicklung oder besteht da vielleicht teilweise auch die ‘Gefahr’, dass die Ausdrucksformen, die die einzelnen Szenen interessant machen, verwässert werden?

Die Gefahr, dass bestimmte Ausdrucksformen verwässert werden, liegt in dem Anspruch, dass die Kunst der jeweiligen Szene treu bleiben sollte. Ich denke, dass jemandes Bindung zu individuellen sozialen Strukturen wie Metal, Punk, Industrial, Extrem- oder Experimentellmusik rein sozial begründet ist. Das ist der Entwicklung der Kunst oder Kultur, die eventuell einmal die Wurzel solcher Szenen war, nicht förderlich. Diese Szenen und Genres sind an sich schon keine authentischen Ausdrucksformen, sondern Märkte, deren Anhänger Konsumenten sind, die einen bestimmten Stil bevorzugen. Das Leben ist viel interessanter als jeder Szenefilter, durch den Du meinst, es sehen zu wollen. Aber wir sind alle allein da draußen und erfinden unsere eigene Realität in jedem Augenblick unseres Lebens. Das kann beängstigend sein und die meisten Leute würden lieber glauben, dass es eine Art vorgefertigte oder gemeinschaftliche Erklärung für ihre Gedanken und Interessen gäbe. 


In besagtem Interview hast Du auch erwähnt, dass Dich die praktische Seite des Okkultismus interessiert und hast Einflüsse wie esoterisches Christentum, Golden Dawn und Hermetismus genannt. Würdest Du dieses Interesse eher als persönlich/spirituell oder eher als akademisch bezeichnen?

Die Symbolik, die ich verwende, ist eine direkte Reflektion meiner spirituellen Erfahrungen und meiner Recherche, die aber nicht akademisch ist, sondern vielmehr persönlich, intuitiv und privat. Die einzige Möglichkeit, näher darauf einzugehen, wäre einige meiner Einflüsse aufzuzählen oder mehr über meine persönliche Reise zu berichten. Aber das würde immer noch nicht passend beschreiben, wie mein Geist und meine Seele diese Einflüsse in eine alltägliche Realität verarbeitet und synthetisiert haben. Tatsächlich kommen meine künstlerischen Projekte und besonders BURIAL HEX einer Beschreibung meiner spirituellen Umgebung am nächsten.
 

Anscheinend liegt okkulte Symbolik ja im Trend. Denkst Du, dass da wirkliches Interesse besteht oder dass das zum größten Teil nur der Schockwirkung geschuldet ist?


Was die zunehmende okkulte Symbolik in Musik und Popkultur angeht, habe ich größtenteils aufgegeben, zu versuchen, die Motivation anderer Künstler zu verstehen oder mit ihnen zu sympathisieren. Die Götter, das Okkulte und die Kräfte, die durch diese Symbolik repräsentiert werden, werden sich in dieser Welt manifestieren, wie eine Blume, die aus dem Riss im Asphalt herauswächst. Wir wissen nicht, wie oder wann diese Saat Wurzeln schlagen wird. Einige Künstler der Popkultur haben sicherlich oberflächlichen, gedankenlosen oder sogar gefährlichen Gebrauch okkulter Symbolik betrieben. Aber wer kann schon sagen, welchen Effekt das auf den einzelnen Konsumenten haben wird, der ihr ausgesetzt wird? Um bei diesem Thema optimistisch zu bleiben, bleibe ich dabei, dass das zunehmende Interesse an Äußerlichkeiten okkulter und spiritueller Konzepte das Ergebnis einer Kultur ist, die zunehmend zynisch und nihilistisch ist und die aber dennoch das Bedürfnis nach Sinnstiftung hat, auch wenn dieses Bedürfnis die Masse nicht dazu bewegt, mehr als die Bildersuche von Suchmaschinen zu erforschen. Es könnte trotzdem in die richtige Richtung gehen.


 
Um BURIAL HEX zu verstehen, denke ich, dass die Hörer bestimmte Referenzen nachschlagen und viel tiefer forschen müssen, als sie es bei vielen anderen Künstlern tun müssten. Beabsichtigst Du, die Hörer zur näheren Auseinandersetzung mit den Themen zu animieren oder folgst Du in Deiner Kunst einfach nur Deinen Interessen ohne Dich um die Rezeption oder Wahrnehmung der Hörer zu kümmern?

Du nimmst davon das heraus, was Du brauchst. Es gibt keinen bestimmten Punkt, an dem mich die Hörer auf halben Weg treffen müssen. Ich beabsichtige nicht, dass die Hörer, wenn sie etwas hören oder sehen, genau wie ich empfinden sollen. Die Verwendung dieser Symbole und Sounds war für mich hilfreich, um bestimmte Resultate in meinem eigenen Leben heraufzubeschwören. Vielleicht sind sie für Dich genauso hilfreich.


Obwohl Deine älteren Veröffentlichungen sicherlich auch strukturiert waren, scheint dies auf Dein neueres Material noch mehr zuzutreffen. Im Vergleich mit älteren sehr intensiven Stücken, machst Du in letzter Zeit auch Stücke, die weniger ‘brutal’ sind, dafür aber eine andere, eher verstörende, Intensität kreieren. Ist das eine bewusste Entwicklung oder eher ein Resultat, das sich aus dem Experimentieren ergeben hat?

Aus der Perspektive der früheren Aufnahmen, erscheint es vielleicht wie eine drastische Veränderung. Die Eruptionen von Melodie und Rhythmus und wie diese mit den Schichten abstrakten und gewaltigen Sounds zusammenstoßen und diese durchbrechen –das ist sehr wichtig für den Klang des BURIAL HEX-Zyklus.
Auf der selbstbetitelten „Burial Hex“-LP sind beispielsweise Beats und Vocals zu finden und auf vielen Veröffentlichungen seitdem sind Songs und Instrumentierungen, die durch die elektronischen Parts durchscheinen. Ich denke auch, dass auf so gut wie jedem BURIAL HEX-Album immer noch viel Krach und abstrakte Sound zu hören sind, egal wie strukturiert die Stücke sind. Dieser Balanceakt ist bei jedem Stück anders oder sogar innerhalb eines Stücks an mehreren Stellen anders gewichtet, wobei ich diese Einflüsse aber nicht als gegensätzlich empfinde.
KAREN ELIOT, die Co-Produzentin unserer geliebten Mysterienschule HINTERGEDANKEN, hat einen ganz ähnlichen Zugang zu unserer Musik vorgeschlagen.
Wir stellen uns das als eine Art Urschlamm zwischen den Songs vor, als ob sie aus den Tiefen des musikalischen Abyss hervorkämen und dann wieder dorthin zurückfielen. Es hat mich stark beeinflusst, so zu arbeiten und diese Art der Kontextualisierung hatte direkten Einfluss auf den BURIAL HEX-Zyklus.


Du scheinst zwischen den eigentlichen Veröffentlichungen und anderen Releases zu unterscheiden. Was genau, abgesehen vom experimentellen Selbstzweck, ist die Intention hinter der Veröffentlichung dieses zweitrangigen Werks?

Ich sehe es nicht als ‘zweitrangig’ an; ‘ergänzend’ wäre vielleicht ein passenderer Begriff. Die Hauptwerke dienen als Wegweiser zum Gesamtzyklus. Aber jede Veröffentlichung, egal wie ‘zweitrangig’ sie sein mag, ist als separates Kunstwerk konzipiert. Die limitierten Veröffentlichungen, die zwischen den Hauptalben erscheinen, sind für mich selbst und für eine sehr begrenzte Hörerschaft gedacht. Oft sollen diese Veröffentlichungen ein Detail eines größeren Werks hervorheben oder sie behandeln einen Aspekt einer neuen Entwicklung im Gesamtwerk. Jedes Element, das auf den richtigen Alben eher ablenkend wirkend könnte, kann auf einer ergänzenden Kassette oder einer CD-R höchst unterhaltsam sein.


Wie passen Deine Kollaborationen mit anderen Künstlern in dieses Schema?


Alle diese Kollaborationen sind aus persönlichen Beziehungen entstanden, oder sie sind aus der Muße entstanden oder einfach glückliche Zufälle.


Wie ist übrigens die Zusammenarbeit mit ZOLA JESUS zustande gekommen?

Ich kenne sie seit sie 19 ist, habe ihre ersten Konzerte gesehen und früher auch so manche Bühne mit ihr geteilt. Es war großartig, ihre Entwicklung ab den ersten Shows in den kleinen Clubs in Madison mitzuerleben. Das letzte Mal, als ich sie live gesehen habe, hat sie vor Tausenden auf einem Festival in Mailand gespielt. Sie ist fantastisch, egal in welcher dieser unterschiedlichen Umgebungen sie auftritt. Wir sind nach wie vor in Kontakt und ich zähle sie zu meinen Freuden.


Ich habe zufällig gesehen, dass Du angeblich auch bei TEENAGE PANZERKORPS (TPK) und HORRID RED involviert bist. Bist Du bei diesen Bands festes Mitglied oder war das eine einmalige Zusammenarbeit? Wie schafft ihr es, an Songs zu arbeiten und live aufzutreten, wenn die Bandmitglieder aus so weit voneinander entfernten Städten wie Madison, San Francisco und Berlin stammen?


TPK ist über LA, San Francisco, Berlin und Aachen verteilt. Sie arbeiten hauptsächlich dann zusammen, wenn sich die seltene Möglichkeit ergibt, persönlich zusammenzukommen. Eines dieser Treffen war 2009 im Proberaum der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN . Dort habe ich den Rest der TEENAGE PANZERKORPS-Gang getroffen, da geplant war, dass ich bei der Band als Keyboarder und Elektrokünstler mitmache. Aber dann musste ich Berlin doch kurzfristig verlassen bevor die Proben begonnen hatten. Kurz danach hat EDMUND XAVIER HORRID RED gegründet, um mit BUNKER WOLF an poppigerem Material zu arbeiten. Ich bin ein vollwertiges Mitglied von HORRID RED, was sich aber über die Zeit ganz natürlich entwickelt hat. XAVIER hat mich gebeten, Sounds für die erste HORRID RED 12" „Empty Lungs“ beizusteuern. Aber als ich es geschafft hatte, ihm meinen Teil zu schicken, hatte ihn sein Enthusiasmus bereits dazu getrieben, das Album fertigzustellen und etwas Neues zu beginnen. Ich habe dann auch weiterhin Keyboard-Melodien und Sounddesign-Elemente für verschiedene HORRID RED-Songs für die nächsten paar Singles und EPs kreiert. Als die Zeit kann, eine Full Length-LP aufzunehmen und eine Tour zu planen, hat mich XAVIER viel mehr und direkter in den Schreibprozess involviert. Zu der Zeit als wir „Nightly Wreaths“ aufnahmen, schrieb ich bereits ganze Songstrukturen und reiste nach Aachen, um BUNKER WOLFs Vocals aufzunehmen. Im Studio sind wir, abgesehen von der gelegentlichen Unterstützung einiger Freunde,  ein Trio. Aber live sind wir sind wir eine Sechs-Mann-Band.


Du betreibst auch das Label BRAVE MYSTERIES. Entscheidest Du, welche Bands Du veröffentlichen willst nach denselben Kriterien wie Deine Kollaborationen mit anderen Künstlern? Oder bedarf es diesbezüglich zweier unterschiedlicher Herangehensweisen?

   
Oft ist es dasselbe. Es gibt einige Künstler, die ich aufgrund meiner Leidenschaft für ihre Musik ausgesucht habe. Wir bekommen auch viele Demos geschickt und einige davon, haben zu schönen Veröffentlichungen geführt. Natürlich gibt es als Kleinstunternehmen viele andere Faktoren, die wir bedenken müssen, wenn wir überlegen, ob wir uns eine Veröffentlichung leisten können. Aber es gibt nicht wirklich irgendwelche Regeln oder Kriterien. Wir sagen oft, dass ein Musikstück ‘mutig’ ist oder eben nicht; aber was genau das für uns bedeutet, haben wir nie klar definiert.


Was hat Dich dazu veranlasst, etwas zur der „Bach eingeschaltet“-Reihe auf TREUE UM TREUE REUE UM REUE beizutragen?

Sie sind klasse Leute mit einem supercoolen Label. Sie haben mich gebeten, etwas beizusteuern und ich fühlte mich meiner Liebe zu BACHs Musik verpflichtet. Ich bin generell etwas fanatisch, wenn es um sein Orgelwerk geht und total verrückt nach den GLENN GOULD-Versionen seiner Musik. Ich habe seine Kirche und sein Museum in Leipzig besucht, viele von BACHs Stücken als Live-Performance gesehen und habe eine große Sammlung seiner Musik auf Vinyl und CD. Es gab sogar mal eine Phase von zwei Monaten, in der das erste, was ich mir jeden Tag angehört habe, BACH war. Seine Musik hat wirklich eine unglaublich Wirkung darauf, wie man alle andere Musik hört, wenn die Ohren und der Geist erst einmal auf BACH eingestimmt sind.


Weißt Du schon, in welche Richtung Deine Projekte nach BURIAL HEX gehen werden?

Ich habe gedacht, dass meine künstlerische Arbeit nach BURIAL HEX einfacher oder in eine ganz bestimmte Richtung gehen würden. Aber anscheinend arbeitet meine Muse weiter daran, meine Zeit in viele verschiedene Fragmente aufzusplittern. Von meinem Label BRAVE MYSTERIES ist in Zukunft noch mehr zu erwarten. Genauso wie von HORRID RED, ROSE CROIX, FERAL LOVE, WORMSBLOOD, THE FAR, WEDDING, SECOND FAMILY BAND, FINAL FRONT und vielen anderen Projekten.


Fotos: Elvis van Fledermaus


 
für nonpop.de


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