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Tony F.

BIMFEST 2012 in Antwerpen


BIMFEST 2012 in Antwerpen
Kategorie: Spezial
Wörter: 1958
Erstellt: 06.01.2013
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Das BIMFEST (Belgian Independent Music Festival) im belgischen Antwerpen beschließt seit 2002 mehr oder weniger das Festival-Jahr. Immer kurz vor Weihnachten stattfindend konzentriert man sich seit den Anfängen im Wesentlichen auf die Musikstile Old-School-EBM, Industrial und seit den letzten Jahren auch auf Post-Punk, Gothic-Rock und Wave. Zugegeben, für den jüngeren Szenegänger ist das Festival vermutlich seit jeher eher zu jenseitig, auf die Vergangenheit bezogen, da jüngere Bands zwar auftreten, aber der Hauptteil der Bands bereits in den 80er oder 90er Jahren ihre ersten Gehversuche machte. Dabei ist es den Machern allerdings auch immer wieder gelungen, Legenden aus der Versenkung zu holen, bei denen man nicht mehr zu hoffen wagte, sie noch einmal live sehen zu können. Wie immer im Leben gab es dabei natürlich sowohl positive als auch negative Erfahrungen.

Seit dem zehnjährigen Jubiläum im letzten Jahr veranstaltet man das Festival nun auch offiziell über zwei Tage, wobei man das Jubiläum mit Bands wie PANKOW, SECTION 25 und THE ANTI GROUP feierte. Zudem gaben die SEVERED HEADS mit einem über zwei Tage verteilten Set ihr letztes Konzert und CLOCK DVA machten die etwas maue Veranstaltung auf dem WAVE GOTIK TREFFEN 2011 völlig vergessen, indem man einen kraftvolles Set über die Bühne brachte.

Auch das Line-up für 2012 versprach wieder einige interessante Auftritte, wobei der Freitag komplett elektronisch gehalten war. Den Anfang machte das Solo-Projekt TRUE ZEBRA mit einem eher peinlichen Halbkaraoke-Auftritt, bei dem sogar einige Vocals vom Rechner kamen. Danach ging es allerdings direkt mit dem Duo JOB KARMA weiter, die ihre Art von instrumentaler, elektronischer Musik darbrachten, wobei auch verfremdete Gitarrensounds eingesetzt wurden. Irgendwo zwischen Ambient, Industrial und Electronica angesiedelt, wusste der Auftritt vor allem durch die Kombination von Musik und visueller Umsetzung zu überzeugen, da zu jedem Song animierte, surreale Figuren in Traumwelten agierend ambitioniert die Verbindung zu Titeln wie „TerrorVizja“ und deren Aussagen herstellten.


JOB KARMA

Mit NOTHING BUT NOISE standen schließlich DANIEL B. von FRONT 242 sowie DIRK BERGEN, der noch bis zum ersten FRONT 242-Album „Geography“ mit dabei war, danach aber ausstieg, zusammen auf der Bühne. Komplettiert durch einen weiteren Mitmusiker, der hin und wieder auch einmal auf E-Drum-Pads schlug, brachte man allerdings eine eher als etwas matte Spielerei zu bezeichnende Performance zu Gehör. Lange Pausen zwischen den Stücken und undynamisches Herumgestehe hinter Laptops, womit man heute im Allgemeinen ja sehr häufig Live-Auftritte vor die Wand fährt, inklusive. Nach dem überflüssigen Future-Pop von ICON OF COIL, enterten schließlich PORTION CONTROL die Bühne, die seit ihrer Rückkehr im Jahr 2004 recht moderne Elektronik mit starkem Hang zu straighten EBM-Strukturen und kräftigen Basssequenzen auffahren. Von den experimentellen Klängen der frühen 80er Jahre, die so manche Elektroband beeinflusst haben, ist heute jedenfalls wenig zu spüren. Dafür bekommt man aber auch keine Retro-Show vorgesetzt, sondern ein wuchtiges Set, das von dem immer noch erstaunlich agilen Sänger JOHN WHYBREW nach vorne getrieben wird.


TEST DEPT.

Headliner des Abends waren schließlich TEST DEPT: REDUX. Da TEST DEPT. in ihrer Karriere schon einige musikalische Welten ausgetestet haben, hätte man natürlich von Techno-Experimenten bis hin zu orchestralen Tanzperformances alles erwarten müssen. Sicherheitshalber hatten die Veranstalter aber schon verlauten lassen, dass die zwei Ur-Mitglieder PAUL JAMROZY und GRAHAM CUNNINGTON bei dem ersten Auftritt seit 1998 Material aus den elektronisch-industriellen Arbeiten der 80er Jahre quasi neu aufbereiten oder remixen würden, sodass sich das Ganze musikalisch gut in das Festival einfügt. Was natürlich zu erwarten (zu befürchten) stand, war, dass auch diese Performance maßgeblich auf Laptops generiert wurde. Wer also Stahl und Schrott auf der Bühne erwartet hatte wie 1985, wurde leider enttäuscht. Immerhin benutzten beide Musiker elektronische Schlagflächen um Sounds und Samples rhythmisch einzustreuen. Dazu übernahmen beide ab und zu das Mikrophon um typisch proklamatorisch ihre Texte vorzutragen. Gerade zum Ende des Auftritts hin, als sich der Sound zu einer regelrechten industriellen Lärmhölle entwickelte, fühlte man sich durch die Kombination mit diesem aggressiven Proklamieren wieder an Zeiten erinnert, wo es im Industrial noch um etwas ging. Wo man noch durch Sound verstören, den Hörer aus seiner wohligen passiven Gedankenwelt reißen und das Publikum durchaus auch mit Messages konfrontieren wollte, die nicht nur noch Manierismus sind. Visuell wurde die Performance perfekt durch aktuelle Bilder aus Politik und Wirtschaft – hier natürlich der Bank- und Finanzwelt – ergänzt. War ein Album wie „The Unacceptable Face Of Freedom“ Mitte der 80er Jahre ein Statement gegen den Thatcherismus, so erscheint bei „Fuckhead“ heute zum Beispiel ein Bild des konservativen Londoner Bürgermeisters BORIS JOHNSON. Insgesamt gab es bei dem Auftritt noch einige unrunde Abläufe und natürlich kann man das alte Feuer auch nicht mehr ohne weiteres wecken. Aber die Band noch einmal mit einer industriellen Performance gesehen zu haben, war es auf jeden Fall wert.

Der Samstag war klangtechnisch heterogener gestaltet, da es nun auch einige Goth-Rock Bands zu sehen gab. Den Anfang machten aber METROLAND, die eine Art KRAFTWERK-Klon sind, da man sich soundtechnisch und konzeptionell extrem an die Düsseldorfer anlehnt. Nur ab und zu sind hier auch Reminiszenzen an IONIC VISION, die EBM-Band der beiden, herauszuhören. Insgesamt war das Ganze nett anzuhören, ist musikalisch allerdings total überflüssig. Mit ULTERIOR spielte danach eine Goth-Rock-Hoffnung, denen zurzeit der Hype etwas vorauseilt, deren Sound aber irgendwie noch uneinheitlich klingt, denen es an überdurchschnittlichen Ideen mangelt und deren Schwäche wie so oft der blasse Sänger ist. SIMI NAH brachten dann eine Plastik-Elektro-Performance auf die Bühne, von der mir nur ein erträgliches „Euroshima (Wardance)“-Cover – im Original von SNOWY RED – und eine Erste-Klasse-Hinrichtung des THE SISTERS OF MERCY-Klassikers „Alice“ in Erinnerung blieb. THE BREATH OF LIFE wiederum haben meiner Meinung nach wiederum das Problem, dass sie seit etlichen Jahren musikalisch recht interessanten Goth-Rock spielen, aber sich irgendwann einfach jemand neues für den Gesang hätten suchen sollen, weil die Stimme von ISABELLE DEKEYSER schlicht ein Ärgernis ist. Dass man mit der Band seit der Gründung in den 80er Jahren nie richtig vorangekommen ist, spricht jedenfalls Bände. Über-prätentiöses, opernhaftes aber nicht sicheres Gesinge bringt jedenfalls fast jedes gute Stück der Band sicher zur Strecke.


7JK

Mit anderen Worten – richtig interessant wurde es erst wieder mit 7JK, dem Projekt von JOB KARMA und MATT HOWDEN. Diese hatten dann auch ausreichend Zeit, ihr Material von der „Anthems Flesh“, welches eben eine gute Mischung aus dem Wirken der Musiker ist, vorzustellen, was vom Publikum auch überraschend positiv aufgenommen wurde. Mit Elektronik, Gitarre und natürlich MATT HOWDEN an Violine und am Mikrophon erzeugte man jedenfalls eine druckvolle, dichte Atmosphäre mit „Wroclaw In The Rain“, „Boxed In Green“ oder dem giftigen „47 Words For Sheffield“, das MATT HOWDEN ausdrücklich nicht als wohlwollende Hommage an seine Heimatstadt verstanden wissen wollte. Ansonsten führte er allerdings charmant wie immer durch das Programm, während die beiden JOB KARMA-Musiker ihren Teil eher im Hintergrund ablieferten. Um im Konzept zu bleiben verzichtete man allerdings darauf, Material der Hauptprojekte zusammen zu spielen, was an der Stelle sicher Sinn ergab. Dem Hinweis eines sich zufällig vor Ort befindlichen NONPOP-Redakteurs, vor dem Auftritt doch einmal den später noch spielenden PETER HOOK zu einem gemeinsamen „Transmission“ zu animieren – immerhin hatte der die Cover-Version von SIEBEN abgesegnet – mochte MATT HOWDEN aus Respekt dann aber auch nicht nachgehen.


PETER HOOK

Mit UNDERVIEWER standen dann mit JEAN-LUC DE MEYER und PATRICK CODENYS zwei weitere FRONT 242-Musiker auf der Bühne, die die momentane Auszeit ihrer Hauptband dazu nutzen, als Duo einige Auftritte zu absolvieren. UNDERVIEWER hieß jedenfalls das minimale Elektroprojekt der beiden Musiker, bevor sie zu FRONT 242 stießen. Zu hören gab es also klanglich etwas entstaubte Elektronik, die Kennern des limitierten „Geography“-Re-Releases von FRONT 242 von der Bonus-CD bekannt sein dürfte. Relevanz für die heutige Zeit – so realistisch muss man urteilen – haben diese Stücke allerdings in keiner Hinsicht, so dass man den ohnehin recht verhaltenen Auftritt eher unter Nostalgie-Gesichtspunkten werten sollte. Einzig das unterkühlte „Kampfbereit“, das als einziges UNDERVIEWER-Stück später auch von FRONT 242 übernommen und aufgenommen wurde, dürften wohl die meisten Besucher gekannt haben.
 
Nachdem THE INVINCIBLE SPIRIT mit ihrem auskömmlichen Repertoire aus wohlbekannten 80er-Elektro-Klopfern den Saal ordentlich in Aufruhr versetzt hatten und die 80er-Popper BLANCMANGE jedem ins Gedächtnis riefen, dass Pop-Musik letztlich eine recht kurze Halbwertzeit hat, wobei es immerhin Hits wie „Blind Vision“ zu hören gab, stand als Headliner des Samstags schließlich PETER HOOK mit seiner Begleitband THE LIGHT auf der Bühne, um seine Vision einer JOY DIVISION-Huldigung auf die Bühne zu bringen. Zur Solo-Aktion von PETER HOOK und seinem wohl endgültigem Ausscheiden bei NEW ORDER – immerhin spielt NEW ORDER auch wieder ohne ihn live – wurde ja schon viel geschrieben und spekuliert. Da BERNARD SUMNER in Interviews zumeist zwischen wohlwollender Gelassenheit und einem gewissen Maß an Unverständnis schwankt, wobei er die diversen auch schon früheren Ausflüge von PETER HOOK ja kennt, letzterer sich wiederum aber auch nur in der Richtung äußert, man wolle die Songs noch einmal richtig zelebrieren, werden die wahren Gründe dieser Aktion wohl im Dunkel bleiben – zumal PETER HOOK natürlich auch Ausverkauf und das Reiten der Post-Punk-Revival-Welle vorgehalten wurde. Sei es drum. Warum am Anfang des Sets aber vom Band einmal „Dirty Old Town“ von den POGUES und danach ein Ausschnitt von KRAFTWERKs „Trans Europa Express“ erklang, war auch nicht ganz ersichtlich, wobei man hierin natürlich eine Kurzhistorie von JOY DIVISION sehen könnte – von der hässlichen Industriestadt hinaus in das weite Europa. Andererseits deutet die Verwendung von „Trans Europa Express“ aber auch kurioserweise auf NEW ORDER hin, da BERNARD SUMNER noch im ELECTRONIC BEATS MAGAZIN im Sommer gesagt hat, dass ihn gerade „Trans Europa Express“ hinsichtlich der Hinwendung zur Elektronik stark inspiriert hat.
Spätestens mit dem Beginn des Eröffnungsstücks „Dead Souls“ war es aber Zeit, alle Überlegungen einzustellen und sich einfach auf die Musik einzulassen. Letztlich kann es auch nur der Sinn eines Besuchs eines PETER HOOK-Konzerts sein, einfach mal die Möglichkeit wahrzunehmen, geballt fast alle JOY DIVISION-Stücke noch einmal live zu hören, wobei auf große Überarbeitungen ohnehin vollständig verzichtet wurde. Natürlich ist der Sound rockiger und ruppiger als die alten Studio-Aufnahmen, was aber auch bei JOY DIVISION live schon so war – die Band war ja schließlich nicht immer über den kühl-trockenen MARTIN-HANNETT-Klang erfreut. Was einen fast etwas stören könnte ist allerdings, dass die durchweg guten Musiker vielleicht einen zu perfekten Klang hinlegen. Der raue Charme und die Erlebnisräume einer vielleicht nicht perfekt gespielten Musik, die dafür aber andere Möglichkeiten erschließt, fehlen einfach. Zudem ist PETER HOOK weder ein guter Sänger, noch ein guter Frontmann – seine etwas breitbeinige Art zu performen tut dabei ihr Übriges. Ansonsten konnte man sich aber von der Musik einfach forttragen lassen und Songs wie „New Dawn Fades“ oder „She’s Lost Control“ gelangen der Band auch richtig gut. Nach einer ersten Unterbrechung ging es dann mit „Heart And Soul“ weiter, bevor das reguläre Set mit einem recht ausladenden und wuchtigen „Decades“ endete. Als Zugaben wurden schließlich noch „Walked In Line“ und „Transmission“ gespielt – gekrönt von „Love Will Tear Us Apart“, auf das man scheinbar nicht verzichten konnte. Verzichtet wurde allerdings glücklicherweise auf „Atmosphere“, das ich mir in dieser Besetzung nicht wirklich hätte vorstellen können. Letztlich bleibt bei mir ein eher gemischtes Gefühl zurück. Man erlebte eine souveräne Band und einen engagierten PETER HOOK, der alles gab. Atmosphäre und Druck lassen sich dem Konzert zudem nicht absprechen. Aber die sichtbare Oberfläche bleibt und lässt keinen Blick durch sie hindurch zu – das Versprechen, das Musik eigentlich ständig gibt, wird damit letztlich nicht eingelöst.

 
Tony F. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» BIMFEST
» BIMFEST-Videos auf youtube


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