Anlässlich des gerade gewesenen Jahreswechsels blicken wir noch einmal auf die letzten zwei Monate des alten Jahres zurück und beginnen Mitte November mit der auf dem hessischen Label 8MM erschienenen, selbstbetitelten Debüt-EP der jungen Sängerin DANIELA MOOS: JACK NOVEMBER (Besprechung). Bestimmt wird das Album von Anfang an von einem Harmonium. Langsame, sphärische, gedehnte Textzeilen lassen an NICO denken, obwohl der Klang dieser fast allwissenden Stimme doch anders ist. Hin und wieder begegnen Percussion und industrielles Knarzen. Dass DANIELA MOOS diese Stücke in sich getragen hat und niemandem nacheifert, glaubt man sofort. Hier ein dritter, in der Review noch nicht zur Verfügung gestellter Song der EP:
Heavy Metal, der sich mit dem Wörtchen 'okkult' schmückt, steht ja momentan hoch im Kurs. Auch das Schweizer Duo SUM OF R hat mit "Ride Out The Waves" (Besprechung) ein Album zwischen Doom und Drone mit ähnlichem Hintergrund veröffentlicht: Die sechs längeren Titel beschäftigen sich mit Initiationsriten. Mit einem räumlichen, fühlbaren Schwingen startet das Album. Andere Lagen schichten sich dazu, organische, erdige Drones türmen sich auf und spätestens, wenn noch eine Art Percussion dazukommt, wird das Ganze zum Klangchor, um schließlich in einen zähen, breiter Lavastrom zu münden, der als Riesenwelle langsam in Richtung Küste rollt. Hier ein Liveausschnitt, Bern 2012:
EKATERINA ALEXANDROVA legte mit "Arise Of Fallen Conception" (Besprechung) ihres Projekts HALGRATH ihr erstes physisches Album vor, auf dem die russische Sängerin ihre eigene musikalische Vision des Ritual Ambient präsentiert. Die einzelnen Stücke bestehen dabei teilweise fast nur aus dem Einsatz von Stimmen, wobei tatsächlich alle Stimmen von der Protagonistin selbst stammen: Vernebeltes, düsteres Raunen, Sprechanteile und Gesang überlagern sich gegenseitig, generieren eine im Kern rituelle Sprache, die einem alte, verwehte Kulturen vor Augen wiedererstehen lässt. Auch die tieferen, männlich klingenden Gesänge oder das bisweilen tiefe Raunen entpuppen sich bei näherem Hinhören als bearbeitete weibliche Stimmen. So sieht das offizielle Video von "Ritual Of Lost Epoch" aus:
ANDREAS WAHNMANN ist mit seinem Projekt FIR§T LAW schon lange auf der Suche nach dem perfekten Ambient. Nun ist mit "A Future So Bright" (Besprechung) das siebte Album erschienen, eingängig und intensiv. Thematisiert wird in den neun, überwiegend instrumental gehaltenen Stücken diesmal der 'Dunning-Kruger-Effekt', eine Verzerrung der eigenen Wahrnehmung, die zur Selbstüberschätzung und gleichzeitig zur Abwertung des Könnens anderer führt. Schon ganz am Anfang fällt die satte, räumliche Atmosphäre auf, die gute Produktion. Rauschen, ein leise tickernder Rhythmus, Trommeln und eine E-Gitarre von ganz unten aus der Tiefe, langsame, dronige Pianoakkorde und flirrende, psychedelische Sounds: Die Atmosphäre erinnert mich ein wenig an die Ausstrahlung von BOHREN UND DER CLUB OF GORE. Doch die Anmutung ändert sich immer wieder, von spacig-melodiös über 70er-Jahre-Sounds, von verzerrten, alienhaften Vocals über geräuschhaftere Parts hin zu einer schönen, fast sakralen Melodie am Ende, mit scheppernder Percussion. Ein packendes und intensives Album.
Nach der bereits besprochenen EP "Espoo" lag ab dem 26. November mit "Kuopio" (Besprechung) der zweite Longplayer von VLADISLAV DELAY vor. Das Album besticht durch unkonventionell gebaute Rhythmiken, die über Stock und Stein gehen und dabei derart rumpeln, dass sich darüber kaum eine Melodie zu halten vermag. Da sich nichts halten lässt, begnügt sich der Künstler damit, kurze Melodiebausteine aneinander zu reihen oder zu schichten, so dass gleichzeitig mehrere Geräusche und Melodiefragmente über dem Rhythmus liegen. Der meist schnelle Rhythmus und die fiependen, oft unangenehmen Töne der Stadt treffen die nebelverhallten Weiten der Landschaft. Zu sehen gibt es hier den in unserem Artikel angesprochenen, visualisierten Querschnitt durch die CD:
Nach dem Debüt der SOHO PREACHERS ist TRAFFIC A.M.s "Left Behind Left Within" die zweite Veröffentlichung des niederländischen Labels SEJA RECORDS. Die Kölner Band liefert mit "Left Behind Left Within" (Besprechung) ein Album ab, dessen Songs mit ihren einprägsamen Melodien fast durchgängig Hitpotential haben. Leicht melancholisch, aber durchgehend tanzbar knüpfen TRAFFIC A.M. an 80er Jahre Cold und Electro Wave an. Am überzeugendsten sind die Songs, in denen die Synthies etwas mehr im Hintergrund bleiben.
ILLUSION OF SAFETY haben mit der 10inch "Sweet Dreams" (Besprechung), erschienen innerhalb der SUBSTANTIA INNOMINATA-Serie von DRONE RECORDS erscheint, ein organisches und stimmungsvolles Werk mit einem klaren und differenzierten Klangbild vorgelegt. Gemeinhin als 'Ambient Industrial' bezeichnet, liegt der Schwerpunkt dieses Mal eindeutig mehr auf Ambient. Der Titeltrack beginnt mit Field Recordings, die etwas sehr Alltägliches, Wiedererkennbares haben und in die sich spacige Science Fiction-Geräusche und ein groovender Rhythmus mischen. Langsam kommt eine Melodie näher und verschwindet wieder. "Sweet Dreams" hat etwas von einem sehr intensiven Tagtraum. Die Ambientflächen befördern das Wegdriften, oft angelehnt an psychedelische Sounds der 1970er-Jahre. Unter folgender Webadresse gibt es eine kostenlose EP ("Graintext") von IOS aus dem Jahr 2001 zum Runterladen:
Kurz vor dem Weltuntergang verabschiedeten sich THINGUMA*JIGSAW mit einem dritten und letzten Album: "Misery Together" (Besprechung) bietet Splatterfolk, kurios, liebenswert und einmalig. Die Lieder sind von zweierlei Art. Auf der einen Seite stehen die verwehten, morbiden Songs, begleitet von Banjo und singender Säge, mit Falsettgesang und hörspielartigen Stimmeinsprengseln, auf der anderen Seite fröhlichere, mit Akustikgitarre untermalte Stücke, mit weiblichem, weniger zerbrechlichem Gesang. Wieder einmal ist es erstaunlich, wie viel Atmosphäre sich mit ein, zwei Instrumenten und einer Stimme erzeugen lässt. Dazu tragen auf "Misery Together" insbesondere die vorsichtig eingesetzten Effekte – wie eine Spieluhr-artige Percussion oder ein Kinderreim – bei. Hier ein Track aus dem Album zum Reinhören:
Ein Weihnachtsgeschenk machte uns das kleine französische Label PRIKOSNOVÉNIE mit der optisch wie musikalisch hochwertigen Veröffentlichung "Old Celtic & Nordic Ballads" (Besprechung), dem ein 32seitiges Buch (Englisch und Französisch) beiliegt, das die Texte, deren Herkunft, sämtliche verwendeten (historischen) Instrumente – neben Flöte und Trommel stehen eine Reihe alter Instrumente wie die schwedische Zither, die keltische Harfe und die finnische Kantele – und viele wunderschöne Illustrationen des verstorbenen Briten ARTHUR RACKHAM umfasst. Der französische Komponist JEAN-LUC LENOIR arrangierte die Balladen neu, spielte sie zusammen mit einer Gruppe von Musikern neu ein. Stimmlich führt weitgehend JOANNE MCIVER mit ihrer glockenhellen Frauenstimme durch die Songs, eine schottische Folksängerin, die allerdings in den Originalsprachen wie Schwedisch, Gälisch und natürlich auch Englisch bleibt und so klingt das gesamte Album typisch traditionell und folkloristisch. Die Stimmung passt sich dem Liedgut an und so klingen die nordischen Stücke eher winterlich-traurig, die keltischen fröhlich-beschwingt.
TERVAHÄÄT sind stolz auf ihr Heimatland und dessen Geschichte ist und deshalb wird auf "Patria" (Besprechung) auch ausschließlich auf Finnisch gesungen. Die ruhige, akustische Seite der Musik des Duos steht im Vordergrund, geboten werden eindringliche, spartanische Balladen mit gelegentlicher Untermalung. Der Einstieg ist orchestral, mit Streichern und einem Piano, dazu sporadische Trommeln und finnischer Rezitation. Auch eine gewisse Dramatik fehlt dem Album nicht. Viele der neun Lieder bieten akustischen Neofolk mit Gitarre und sonorem, inbrünstigem Tenorgesang: Wie wenig es doch braucht, um so ein intensives Album zu produzieren.
Außerdem sah Tony F. FIRE + ICE live in Detergem (Bericht). In unserer Rubrik QUINTESSENZ standen uns diesmal JAHRTAL (Interview) und die BOMBERJACKETS (Interview) Rede und Antwort.
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