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Michael We.

MENACE RUINE - 5 Fragen, viele Antworten

Unsere Rubrik 'Quintessenz' in lang


MENACE RUINE - 5 Fragen, viele Antworten
Kategorie: Spezial
Wörter: 2253
Erstellt: 01.12.2012
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For all our foreign readers, we provide this interview in English, too. Just follow the link...

MENACE RUINE sind etwas Besonderes, keine Frage. Das Duo aus Quebec in Kanada hat einen eigenständigen, sofort wiedererkennbaren Sound kreiert. Zum einen liegt dies an der beeindruckenden Stimme von GENEVIÈVE, zum anderen aber auch an den gitarrenähnlichen Klangwänden, die – wie wir im Gespräch gleich noch einmal bestätigt bekommen werden – komplett ohne Gitarren entstehen. Mehrere Alben der Kanadier haben wir bereits besprochen, wobei mir immer noch "The Die Is Cast" (Artikel) aus dem Jahr 2008 als Meilenstein in Erinnerung ist.
Besonders ist auch dieses Interview, dessen Fragen GENEVIÈVE – in Abstimmung mit S., dem männlichen Teil der Band – kurz nach der ersten längeren Tour der Band beantwortet hat, die gerade zuende ging. Obwohl nur wenige Punkte angesprochen werden (das Fünf-Fragen-Prinzip dieser Rubrik), geht es dennoch um zentrale Inhalte von MENACE RUINE und das Selbstverständnis des Duos. Deshalb ist der Umfang des Gesprächs erstaunlich, ebenso wie die sehr persönliche Ebene, die GENEVIÈVE betritt. Black Metal, Veganismus, Gitarren und die Tour – das sind unter anderem die Themen.


aus "The Die Is Cast" und "Union Of Irreconcilables"

Hallo GENEVIÈVE! Eure ersten Gehversuche haben damals vor allem bei Black Metalfans Begeisterung hervorgerufen, später hat sich Euer Profil dann geändert. Habt Ihr eine Verbindung zu Black Metal, musikalisch oder philosophisch?

Wir waren niemals offiziell mit Black Metal verbunden, oder mit irgendeiner anderen, musikalischen Gemeinschaft. Wir sind einfach nur zwei Einzelgänger, die auf ihrem Weg ein paar Freunde gefunden haben. Es ist nicht so, dass wir uns nicht mit anderen Musikern oder Szenen verknüpfen wollten, aber da wir sehr intuitiv an unsere Musik herangehen, passen wir nirgendwo richtig rein, und ich glaube, dass die Leute unsere Musik auch intuitiv hören. Zumindest hoffe ich das ... Über die Jahre haben wir festgestellt, dass das Album, welches Black Metalfans oder -Musiker von uns am meisten schätzen, nicht unbedingt "Cult Of Ruins" ist. Obwohl es gerade eher typische Black Metal-Elemente enthält, wie Blastbeats und Black Metal-Vocals. Und niemand nannte uns flatterhaft oder so, als wir uns weiterentwickelten. Das ist großartig für uns.
Black Metal war zur Zeit von "Cult Of Ruins" ein gemeinsames musikalisches Interesse von S. und mir, hat quasi die Lunte von MENACE RUINE angezündet und war deshalb wichtig. Aber diese Elemente sind auch sehr schnell wieder verschwunden, obwohl zweifellos auch ein bisschen was davon übrig geblieben ist. Ich bin sehr davon angetan, urtümliche Energien zu kanalisieren, dafür ist meine Stimme das beste Mittel, das ich habe, der unverfälschteste Ausdruck meiner selbst. Ich habe keine Angst davor, etwas zu vermitteln, das echt ist und voller Emotionen ... Ich schätze, das war ein weiterer Punkt, der zur Geburt von MENACE RUINE beigetragen hat.
Wir haben gelernt, so eine mächtige Energie für unsere Musik zu nutzen, als Behälter für etwas viel Größeres und Wichtigeres als unsere eigenen kleinen Figuren. Dies mit anderen zu teilen, ohne sich dafür zu schämen oder Angst zu haben, sie zu erschrecken, ist ein wunderbares Gefühl. Auch wenn wir live spielen, ist eine besondere Macht am Werk. In der Sekunde, in der die Musik verklingt, fühle ich mich so verwundbar auf der Bühne, wie ein leerer Ballon. Aber sobald es wieder losgeht, werde ich davon mitgerissen. Dieses Wunder geschieht allen, die aufrichtig Musik mit Herz und Seele machen, ganz sicher.

Ich hab's eigentlich gar nicht so mit aggressivem Zeug, aber ich liebe Intensität in der Musik. Nichts bewegt mich mehr als religiöse Musik, die sich an Götter, Geister und Ahnen wendet ... Gebete ohne Gedanken an Zeit und Raum, an jegliche Art der Materialität, nur Verehrung all dessen, was über uns existiert, Natur und welche anderen Mächte auch immer uns erlauben, zu leben. Also nicht die typische Black Metal-Philosophie, wie Du vielleicht gemerkt hast, aber wir mögen immer noch viele BM-Bands, und an dieser Stelle kann ich nur für mich sprechen, wenn ich sage, dass es die einzige Art von Metal ist, die bei mir etwas auslöst. Wenn es um Stimmung geht, um Offenheit, manchmal auch um die Inhalte, wenn sie nicht zu klischeehaft oder verzweifelt ästhetisch sind, und natürlich um die rohe Energie. Es ist sehr spannend für uns, Deine Fragen nach unserer Tour zu beantworten, weil wir erleben konnten, dass immer noch einige Black Metalfans vorbeischauen, um mit uns zu reden. Und uns zu erklären, warum unsere Musik zwar nicht offiziell Black Metal ist, aber irgendwie dann doch, haha ... dass da irgendwas ist, aber was? Und müssen wir es wirklich unbedingt in Worte fassen?
Den wirklich schönsten Kommentar erhielt ich von einem Metalfan in Zagreb: "Deine Stimme ist wie ein Atavismus", oder so ähnlich. Das ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich mag Dinge, die keine Wörter brauchen, oder irgendeine andere Sprache, außer Energie. Unaussprechliche Gefühle, die nicht erklärt oder kategorisiert werden müssen, geschweige denn hinterfragt, denn sie können nicht lügen! Unser roher Sound, wie wir ihn rüberbringen, die Farbe unserer Musik und die Verbindung zu diesem ursprünglichen Fluss an Energie, von dem ich gesprochen habe, das sind ein paar Worte, die ich wohl riskieren kann, um zu beschreiben, welche 'Verbindung' wir immer noch mit der Black Metal-Szene haben.

Ich bin ja immer wieder verblüfft, was Euren Sound angeht. Eine Gitarrenwand ohne Gitarren, wenn es stimmt, was ich höre und lese. Wie habt Ihr diesen Sound kreiert, und wie erzeugt Ihr ihn? Nehmt Ihr tatsächlich nie eine Gitarre in die Hand?

Gitarre spiele ich am liebsten. Aber seit ich Ärger mit meinen Fingern hatte, einen gebrochen und mehrere erfroren, und da ich chronische Probleme mit meinen Gelenken habe, besonders während der langen Winter hier in Quebec, lasse ich es im neuen Jahrtausend meistens bleiben und arbeite eher an elektronischen Projekten mit S., was vielleicht auch zu MENACE RUINE geführt hat.
Wir gaben 2006 ein Konzert mit sehr unterschiedlichem Material, kein Highlight für uns, aber wir merkten damals, dass wir 'Gitarrenriffs' direkt auf Synthesizern produzieren konnten, was uns lieber war als sie erst zu sampeln und dann mit anderen Geräten zu steuern. So hat das sehr viel Spaß gemacht, und unsere Experimente begannen. Ich fing an, meinen Synthesizer mit Gitarren-Pedalen und -Verstärkern zu bedienen, was eine gewisse gitarrenähnliche Beschaffenheit in unseren Sound brachte, und S. machte dasselbe mit seinen Bass-Pedalen und -Verstärkern. Logisch hat meine Art, Gitarre zu spielen, auch die Art beeinflusst, wie ich mit Synthesizern umgehe. Diese Verzerrung in den Klängen brachte mich dazu, am Anfang auch gitarrenähnliche Riffs spielen zu wollen, aber das habe ich bald wieder aufgegeben. Später habe ich mich mehr um Dichte und Konsistenz gekümmert, unser Spiel pulsierte nicht mehr so, und die halb zufälligen harmonischen Elemente der Verzerrungen gaben Rhythmus und Sequenz ganz von alleine vor, ich habe dem Klang erlaubt, mich zu führen ... Aber viele Leute scheinen immer noch zu denken, dass es sich um Gitarren handelt, aber nein, keine Gitarren bei MENACE RUINE, ich schwöre.

Eure Lyrics sind nicht so einfach zu verstehen und zu deuten – gibt es einen textlichen roten Faden, spezielle MENACE RUINE-Themen, die sich durch die Alben ziehen?

Allerdings, da sehe ich eines, oder tatsächlich mehrere, die demselben Weg folgen. Ich arbeite sehr instinktiv, probiere viel aus, und auch die Themen entwickeln sich weiter, parallel zu meiner persönlichen Entwicklung, hoffe ich. Mir liegt nicht viel an diesem irdischen Leben, wenn ich das mal so zusammenfassen darf, und ich habe nicht die Fähigkeit, viel Nutzen aus dem zu ziehen, was es anzubieten hat. Deshalb fühlte ich mich immer schon leicht abgekoppelt, wie zwischen zwei Welten. Also glaube ich, dass unsere Texte sich genau damit befassen, mit der nicht vorhandenen Verbindung zwischen materieller und geistiger Welt, mit der Diskrepanz, einen Körper zu haben und gleichzeitig zu hoffen, einen Weg zu finden, ohne ihn zu leben, was weniger und weniger irdische Bedürfnisse zur Folge hätte. Und gleichzeitig der Versuch, nach innen zu fliehen, in das grenzenlose Gebiet des Unterbewussten, was ich als Versuch sehe, eine Verbindung zu unserer ureigensten Natur herzustellen, die in der Zivilisation verloren gegangen ist. Freiheit und Leichtigkeit wiederzuentdecken, sich mit dem Licht vereinigen, in der Hoffnung, möglicherweise etwas Göttliches zu erfahren. Ich befinde mich noch im Versuchsstadium, haha, aber wenigstens versuche ich, das alltägliche Leben auf der Erde so zu umgehen, statt auch nur im mindestens vom dem abhängig zu sein, was uns aufgezwungen wird, was an uns dranklebt.
Aber es geht auch um die Suche nach einem 'Selbst' im Sinne von JUNG (CARL GUSTAV JUNG, Schweizer Psychiater), und an dieser Stelle kommt noch der Begriff der Alchemie dazu, und alles trifft zusammen, die Texte werden plötzlich faszinierend, alles wird magisch ... Die Hoffnung, eine immerwährende Flamme zu entdecken, und den Glauben daran trotz all dieses Elends zu bewahren.


aus "Alight In Ashes"

Häufiger sind auf Euren Covern Tiere zu sehen, ein Vogel, ein Vogelschwarm oder aktuell eine Eidechse. Ist das verknüpft mit einem Thema, das Euch sehr wichtig ist, dem Veganismus, oder welche Bedeutung haben die Tiere?

Tiere werden um ihrer mythologischen Bedeutung willen verwendet, aufgrund dieser speziellen Symbolik, die sie verkörpern und die oft mit ihrer Erscheinung zu tun hat, mit ihrem Benehmen und bestimmten Fähigkeiten, und den Vorstellungen, die Menschen schon immer über sie hatten. Ja, stimmt, Tiere sind sehr präsent in unserer Optik, ebenso wie bei meinem anderen Projekt PRETERITE. Sie sind bewundernswerte und herzliche Geschöpfe, sie haben eine aufrüttelnde Wirkung, weil wir unsere Verbindung zur Natur verloren haben. Tiere sind interessanter, näher an ihrer eigenen Natur, daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Wir Menschen sind degeneriert. Tiere haben ihre Instinkte behalten, im Gegensatz zu uns, und da fragen wir uns noch, warum wir uns unglücklich oder verloren fühlen. Tiere können uns dabei helfen, diese Instinkte wiederzuentdecken, weil sie etwas in uns hervorrufen oder uns inspirieren. Entweder durch direkten Kontakt oder unterbewusst, und wir schulden ihnen deshalb Respekt. In diesem Sinne, ja, da besteht eine Verbindung zu unserem Veganismus, allerdings verweisen die Tiere auf unseren Covern nicht direkt darauf.
Um ins Detail zu gehen: Oft sind Vögel oder Lebewesen mit Flügeln, wie der Engel auf "The Die Is Cast" und Hekate (die griechische Göttin der Magie) auf "In Vulva" auf den Covern unserer fünf Alben. (Vögel dienen häufig zur Darstellung von Gottheiten, weiblichen Geistern, weisen Frauen, Hexen ... Und bei MENACE RUINE ist selbstverständlich viel weibliche Kraft am Werk.) Das fiel uns erst kürzlich auf, als wir dabei waren, das Artwork für "Alight In Ashes" zu beenden, und das sagt viel aus. Vögel stehen oft für die unsterbliche menschliche Seele, ebenso wie für Boten oder Makler zwischen der sichtbaren, greifbaren Welt der Lebenden und der oberen, unsichtbaren Welt der Ahnen, Götter und Geister ... Sie sind frei, streifen die Beschränkungen der normalen Bewegung ab, entkommen dem Gewicht ihres Körpers ... Auf dem letzten Album zum Beispiel könnte der Vogel für einen 'Earth Diver' stehen, einen Vogel, der in die Urflut tauchen muss, um zu holen, was für den Aufbau eines bewohnbaren Landes nötig ist. Aller Anfang kommt immer aus der Tiefe, was sehr gut mit dem Thema 'Heilung' zusammenpasst. Es ist faszinierend, wenn Dir Dinge erst hinterher auffallen, wie im Traum, und dass trotzdem auch schon vorher auf jeder Ebene alles miteinander verbunden war.

Du giltst als sehr schüchtern und zurückgezogen. Jetzt wart Ihr ja auf einer sehr umfassenden Tour, auch durch Europa. Lässt sich das vereinbaren? Gebt Ihr gerne Konzerte, oder ist das einfach notwendig, um etwas bekannter zu werden?

Puh, schwierige Frage. Wir werden sicher keine Tour mehr machen, die so lange dauert wie diese, zumindest nicht ohne deutlich verbesserte Begleitumstände. Ich habe schon gleich nach dem vierten Auftritt entschieden, dass dies die letzte Tour sein wird, und fühlte mich in dem Moment etwas erleichtert, aber wir hatten noch 16 Shows vor uns ... Auf Tour sein fühlt sich an, als ob mein 'echtes' Leben eingestellt wäre – obwohl ja Musik die wichtigste Aktivität in meinem Leben ist –, und dass ich lieber zuhause sein sollte zum Musikmachen, anstatt mich in einem permanenten Überlebensmodus zu befinden und sie live zu zeigen. Klar ist es auch hart, ständig von Leuten umgeben zu sein ... Manchmal habe ich meine Augen zugemacht und wollte einfach verschwinden, aber es hat nicht besonders gut funktioniert! Die Tatsache, dass wir mit wunderbaren Leuten gereist sind – MAMIFFER, also FAITH und AARON, mit JOE PRESTON und BRAD MOWEN an Bass und Gitarre, unserem Soundmann CHRIS FULLARD und unserem Fahrer und Tourmanager OZAK von NOMADS OF PRAGUE –, die alle eine wunderbare Auffassung von Freundschaft und gegenseitiger Unterstützung hatten, verbunden mit viel Gelächter, machte es für mich einfacher, so viel ist sicher.
Und – mal abgesehen davon, dass ich die Einsamkeit schrecklich vermisst habe – die Zuwendung der Menschen, die unsere Auftritte besuchten und sich bei uns bedankten, war sehr berührend. Wir dankten ihnen umgekehrt für die positive Energie, die sie uns mitbrachten, was dieses schwierige Experiment in eine erhebende, leuchtende Erfahrung verwandelt hat, was mich wiederum dazu inspirierte, noch mehr Musik machen zu wollen. Ich sehe eine Tour als Veranstaltung, die mir erstmal Energie raubt, mich dann aber gleichzeitig stärker, stabiler macht. Die Waage kippt also ins Positive. Aber nochmal: Ich bin glücklich, dass ich Deine Fragen nun von zuhause aus beantworten kann, ansonsten hätte das Interview wohl kaum so ermutigend geendet, haha. Danke!

GENEVIÈVE, vielen Dank für das Gespräch und Euch alles Gute!
 



 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» MENACE RUINE
» MR @ discogs

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