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Tony F.

Quintessenz: DAHLIA'S TEAR

Fünf Fragen an ...


Quintessenz: DAHLIA'S TEAR
Kategorie: Spezial
Wörter: 1529
Erstellt: 12.09.2012
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Mit „Dreamsphere“ hat uns DAHLIA'S TEAR vor einigen Monaten ins Reich der Träume entführt. Tatsächlich liegt dem Album die Erfahrung von wiederkehrenden Träumen zu Grunde, was zu einem eindrucksvollen Ergebnis geführt hat. Grund genug einmal nachzufragen.

Wie muss man sich eigentlich eine Situation vorstellen, in der man einen Traum immer wieder träumt?

Es ist ziemlich seltsam. Ich sehe einige Bilder immer wieder und habe dann letztendlich denselben Traum immer wieder. Momentan erlebe ich aber keinen bösen Traum. Ich habe oft sehr abstrakte und wirre Träume, die den Gesetzen der Physik oder der Realität trotzen. Aber die Träume, die die Arbeit an „Dreamsphere“ beeinflusst haben, waren extrem ungewöhnlich für das, was ich normalerweise träume – einige von ihnen verfolgen mich bis heute. Die Bilder oder der Rahmen der Träume, auf die sich „Dreamsphere“ bezieht, waren ungewöhnlich dunkel und düster – so als ob jemand plötzlich das Licht ausgemacht hätte. Träume werden ja immer als eine Verbindung zum Unterbewusstsein gesehen. Aber – und hier ist es ein großes „Aber“ – nicht immer. Das ist der interessante Teil dabei, der rätselhafte Prozess, die unbekannte Seite des Traumprozesses. Einen Traum immer wieder zu haben, ist ja an sich nicht bedrohlich. Aber selbst einfache Objekte immer wieder zu sehen, fast jede Nacht, kann einem irgendwann unheimlich werden. Ich kann mich an einen Traum erinnern, in dem ich lediglich ein verlassenes Kinderfahrrad vor einer Mauer oder so etwas ähnlichem gesehen habe – und da war sonst nichts. Das ergibt keinen Sinn. Kein gesprochener Dialog, keine Menschen, nichts anderes – einfach nur ein Fahrrad. Es war ziemlich bedeutungslos. Aber als ich den Traum immer und immer wieder hatte, wurde dieses Bild zu „etwas“. Etwas, das mich zum Nachdenken brachte. Ich begann mich nervös und ängstlich zu fühlen. Ich wusste natürlich von Anfang an, dass der wichtige Teil darin besteht, wie man einen Traum interpretiert. Heutzutage fokussieren sich Psychologen ja nicht so sehr auf den Traum selbst, sondern eher darauf, wie man ihn beschreibt. Wenn der Traum komplett still war, war es eigentlich noch unheimlicher – als ob ich taub wäre. Die Träume, die mich zu „Dreamsphere“ inspiriert haben, waren nicht wirklich bedrohlich oder beängstigend. Da gab es kein ängstigendes Gesicht im Spiegel oder ein Mörder, der mich in eine Sackgasse gejagt hat. Es waren oft ruhige und stille Bilder ohne jeglichen Klang. Somit wurde „Dreamsphere“ ein perfekter Soundtrack dafür. Ich versuchte mich wieder und wieder in die Stimmung des Traums zu versetzen, um Klänge für diese Bilder zu entwerfen. So würde ich die Träume interpretieren oder die Geschichte beschreiben.

Wie ist es, wenn etwas Normales, aber Unkontrollierbares wie ein Traum dein Leben beeinflusst? Hast du dich damit grundsätzlich auseinandergesetzt?

Es beeinflusst mein Leben nicht, aber ich erwecke die Gefühle in meinen Träumen in meiner Musik wieder. Somit ist es sogar eine Inspiration. Der Grund für Träume ist unbekannt. Es gibt ja eine Menge von Theorien. Natürlich haben Träume auch einen realen Effekt – zum Beispiel einen biologischen, wenn man während eines beängstigenden Traums stark schwitzt. Vielleicht ist es der Effekt der Träume – auch der bedrohlichen Alpträume – uns letztlich gesund, rational und vielleicht auch in der Balance zu halten? Wir wissen ja von einigen Studien über das Träumen, dass wenn ein Schlafender während der R.E.M.-Phase – in der Phase, in der man träumt – geweckt wird und es ihm nicht erlaubt wird zu träumen, er nach einigen Tagen erste, psychische Ausfallerscheinungen zeigt. Man könnte den Prozess also als eine Verarbeitung des täglichen Lebens sehen, die während des Traums geschieht, sodass wir unterbewusst analysieren und mit den Ängsten und dem Stress umgehen können, die uns ansonsten beeinträchtigen würden. Ich sehe für mich persönlich keinen Effekt von Träumen auf mein Leben, aber ich reproduziere die Stimmungen meiner wirren Träume, während ich Musik produziere. Ich bin glücklich, dass ich ein handfestes Bild mit Bezügen zu meinen seltsamen Träumen geschaffen habe und ich bin sicher, dass ich damit Menschen erlaube, die Realität hinter sich zu lassen – wenn auch nur für eine kurze Zeit.

Ist das Album ein Abbild dieser speziellen Träume?

Ja, alle Stücke des Albums wurden unter den Einflüssen dieser wiederkehrenden Träume aufgenommen. Ich habe kein altes, halbfertiges oder Ausschussmaterial dafür benutzt. Jede Sekunde dieses neuen Albums reflektiert den Effekt der stillen Traumbilder direkt. Ich denke, all die Bilder waren wie ein Film ohne aufgenommenen Sound und speziell ohne gesprochene Dialoge. Zunächst war ich von diesen unbewussten Bildern beeindruckt. Dann begann ich damit, die Träume aufzuschreiben und die Botschaft zu interpretieren – wenn da eine sein sollte. Schließlich lagen filmgleiche Bilder ohne Sound vor. Somit kann man diese Aufnahmen als den Sound zu diesen stillen Bildern verstehen. Der Klang ist solide, scharf und nicht easy-listening – im Kontrast zu den ruhigen und stillen Bildern. Wenn man sich das Albumkonzept anschaut, dann ist „The Transition“ wie eine Passage vom Wachzustand in die Dunkelheit, in der die Geschichte beginnt. Wenn man das letzte Stück „An Enigme In The Black Gap“ betrachtet, dann ist das kein richtiges Ende. Ich habe die Geschichte letztendlich nicht zu Ende erzählt – ich weiß nicht warum. Vielleicht wollte ich es zuletzt dem Hörer überlassen. Letztendlich war der Sound recht unterschiedlich in Bezug auf frühere DAHLIA'S TEAR Veröffentlichungen. ROGER KARMANIK von COLD MEAT INDUSTRY war interessiert, das Material zu veröffentlichen. Zwischenzeitlich hat noch MICHAL KARCZ an den Graphiken gearbeitet, die wie ich denke perfekt zum Konzept passen.

Wie ging es danach in deinem Leben weiter?

Jede Erfahrung lässt etwas zurück. Wenn es kein Auf und Ab geben würde, wäre man tot. Ich versuche die Erfahrungen auf eine gute Art zu nutzen, indem man sich inspirieren lässt und zu versuchen, mal etwas anderes zu versuchen. Ich war in den letzten Jahren bezüglich einer Albumproduktion nicht sehr produktiv. Fünf Jahre sind seit dem letzten Album „Under Seven Skies“ vergangen, wobei das nicht heißt, dass ich in der ganzen Zeit nichts gemacht habe. Ich habe viele Ideen gesammelt und einiges geschrieben. Nun fühle ich mich viel besser und ich bin sehr zufrieden mit dem Feedback zu „Dreamsphere“.

Inwieweit haben für Dich spezielle, persönliche Situationen einen Einfluss auf die Kreativität? Oder ist Kreativität für Dich eher unabhängig von so etwas – also mehr eine Frage der Routine und harter Arbeit?

DAHLIA'S TEARs frühere Veröffentlichungen waren immer Konzeptalben, sorgsam ausgewählte Stücke, spezielle Geschichten und ins Konzept passende Graphiken – und ich nutze auch nie Zufallssounds oder altes Material, wenn ich an einem neuen Album arbeite. Das ist der Grund, warum alle Stücke untereinander in Verbindung stehen. Das erste Album war zum Beispiel ein einziges Stück mit einer Länge von 52 Minuten, in das ich später Trennpunkte setzte, um am Ende eine Geschichte unterteilt in zehn Stücke zu bekommen. Wenn ich von einer bestimmten Sache oder einer bestimmten Situation oder Periode in meinem Leben beeinflusst werde; wenn ich mich entscheide, ein Album mit diesem Konzept aufzunehmen, komponiere ich die Stück von dem Punkt an. Alles ist neu und jedes Stück ist ein Stück, entstanden aus diesem Einfluss. Das erklärt vielleicht, warum jedes Album einen komplett anderen Sound hat; sie unterscheiden sich deutlich voneinander. Für einige ist das positiv, für andere eher negativ. Leute, die vielleicht ältere DAHLIA'S TEAR-Alben mögen, gefällt das neue Album vielleicht nicht und umgekehrt. Der DAHLIA'S TEAR-Sound ist in dem Sinne nicht stabil und wird es auch nie sein. Persönliche Situationen oder Erfahrungen in meinem Leben sind ein großer Einfluss auf meine Musik. Natürlich bereichern auch andere Dinge wie Vorstellungen und abstrakte Themen das ganze Konzept. Es geht eben nicht nur um reales Material und um reale Erfahrungen – die eigene Vorstellungskraft spielt natürlich auch eine Rolle. Klänge fließen und es ist, als bestünde eine Brücke zwischen dem „Sagen“ und dem „Verstehen“. Es gibt nie direkte Botschaften nur Vorstellungen.
„Dreamsphere“ zum Beispiel erzählt eine bestimmte Geschichte. Es interpretiert eine bestimmte Periode meines Lebens, so dass es eine Veröffentlichung wie diese kein zweites Mal geben kann. Es ist ein Teil eines Ganzen. Träume sind nicht immer bedrohlich oder unheimlich, aber bei dieser Veröffentlichung war ich mehr an der dunklen Seite der Träume interessiert. Vielleicht arbeite ich eines Tages auch die ruhige, friedliche Seite aus, aber nicht im Moment. Ich persönlich kann nichts erschaffen, wenn ich gestresst oder unglücklich bin. Es ist, als würde die ganze Inspiration in diesen Zeiten meines Lebens plötzlich verschwinden. Ich will dann nichts tun; ich höre dann nicht einmal Musik. Somit ist die Arbeit an einem Album oder an einem Stück niemals Routine oder ein Resultat harter Arbeit. Wenn ich ein Gefühl für die Arbeit bekomme, dann tue ich sie. Wenn nicht, dann arbeite ich nicht an neuem Material. Es gibt viele Quellen der Inspiration, aber die größte Inspiration kommt eigentlich aus mir selbst heraus. Im Moment arbeite ich an eher überraschendem Material und ich weiß noch nicht, wie es am Ende klingen wird oder wann es fertig ist, da ich recht langsam arbeite. Zur gleichen Zeit arbeiten wir am schon lange vergriffenen Debüt-Album, von dem wir eine Wiederveröffentlichung planen, da viele Leute danach fragen. Es wird wohl im späten Herbst oder Winter herauskommen. Es war ein spezielles Konzeptalbum, das es, so glaube ich verdient hat.


 
Tony F. für nonpop.de


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