MATT im Garten (Foto: CHRIS SAUNDERS)
Der Brite MATT HOWDEN ist einer der Stammgäste bei NONPOP. Das liegt nicht nur an der hohen Zahl seiner Veröffentlichungen – hauptsächlich als SIEBEN – oder Gastauftritte, sondern vor allem natürlich an der hohen musikalischen Qualität seiner Werke, die mit fortschreitendem Output immer noch zunimmt. Auf den jüngsten SIEBEN-Alben "As They Should Sound" (Besprechung), "Star Wood Brick Firmament" (Besprechung) und "No Less Than All" (Besprechung) war noch einmal eine Weiterentwicklung zu hören. Gerade hat MATT ein neues Projekt ins Leben gerufen, die Zusammenarbeit mit den industriellen Polen von JOB KARMA (als 7JK, Besprechung). Interviews zu seiner Arbeit, die in Details einzelner Alben und Songs einsteigen, gibt es viele. Wir haben mit MATT ein kurzes persönliches Interview geführt, in dem er sich zwischen Biersorten entscheiden und 'Erfolg' definieren muss. Hallo MATT! Zum Start eine einfache (Instrumenten-)Frage, denke ich: Geige (die Du bis heute spielst) oder Gitarre (die Du als Teenager gespielt hast)? Ah, mit den einfachen Fragen anfangen, um dann zu den unbeantwortbaren zu kommen, ich durchschaue Dein Spiel! Diese ist tatsächlich so einfach wie: "Würdest Du Dir gerne Dein Bein abkauen lassen – oder nicht?" GEIGE! (Und nein, ich will mir nicht mein Bein abknabbern lassen.) Du wirst in der Regel dem (Neo)Folk-Genre zugeordnet, arbeitest aber viel mit elektronischen Effekten und hast mit 7JK ein gemeinsames Projekt mit einer Post-Industrial-Band (JOB KARMA) ins Leben gerufen. Also: Akustik oder Elektronik? Diese Frage ist schon härter, und wir sind erst bei der zweiten. Wenn ich so über mich nachdenke, ist das wirklich schwierig. Ich betrachte das, was ich mit SIEBEN mache, als 'teil-elektronisch', wegen der Loops und der Technik, die ich dafür verwende. Für 7JK gilt das verstärkt, ganz offensichtlich verwenden JOB KARMA Elektronik. Für diese Zusammenarbeit habe auch ich meine elektronischen Anteile bei Stimme und Geige ausgebaut, um beide der gemeinsamen Musik anzupassen. Selbst in einem allgemeineren Zusammenhang bleibt es schwierig: Also wenn ich zum Beispiel an MASSIVE ATTACK, AIR, SAGE FRANCIS und viele andere denke, dann liebe ich Elektronik. Wie weit wären NEW ORDER ohne gekommen? Auf der anderen Seite, wenn ich mich für 'akustisch' entscheide, bringt das auch jede Menge Vergnügen. Ich fühle mich fast verpflichtet, Akustik zu wählen, wenn ich dadurch Dubstep, Grime und House loswerde! Du bist in einer sowohl musikalischen als auch belesenen Familie aufgewachsen. Musik oder Bücher? (Und je nach dem, wofür Du Dich entscheidest – welches Buch oder welche CD würdest Du auf die berühmte einsame Insel mitnehmen?) Musik! Ich bin mit Büchern aufgewachsen, sowohl meine Mutter als auch mein Vater schreiben. Als Jugendlicher dachte ich lange Zeit, ich würde Schriftsteller werden. (Vielleicht klappt's ja noch: Ich habe für mich vor langer Zeit entschieden, dass Schreiben was für ältere Menschen ist. Die Lebenserfahrung, die man bis dahin macht, reinigt, fokussiert und verbessert den Schreibstil nur.) Es ist wirklich traurig, aber ich hatte seit Jahren kein Buch mehr in der Hand. Ich habe Literatur studiert und früher viel gelesen, aber das Spielen, Schreiben und Produzieren von Musik, mein Label und das Unterrichten musikalischer Methoden und natürlich die Auftritte beanspruchen mich so, dass wenig Zeit zum Lesen übrig bleibt. Also: Musik. Wenn ich wirklich nur eine CD mitnehmen dürfte, und es dürfte kein Sampler sein, würde ich vermutlich was von MOZART wählen. Viel Zeit, um über seine Komplexität zu sinnieren. Das führt zur nächsten Frage: Du hast bereits einen JOY DIVISION-Song gecovert und als Hochschullehrer Deine Schüler JD-Songs bearbeiten lassen. In einem Interview hast Du Dir mal gewünscht, dass MOZART ein Lied von MATT HOWDEN remixt. Also: MOZART oder JOY DIVISION? Das Herz sagt JOY DIVISON, der Kopf sagt MOZART! Für "The Matter Of Britain", die CD zum Lyrik-Buch Deines Vaters, hast Du unter anderem Musik zu Gedichten über die britische Legende ARTUS gemacht. ARTUS, der glorreiche Ritter und König, oder ROBIN HOOD, der geächtete Held der Armen? Eine der einfachen Fragen: König ARTUS. Die Geschichte, der Mythos, die Tiefe, alles gewichtiger als bei ROBIN HOOD. Viel komplexer und ergreifender ... Um ein altes Klischee aufzuwärmen: England ist nicht unbedingt berühmt für sein Essen, eher schon für sein Bier: Ale oder Lager? Ale. Ich mag Lager zwar auch – besonders die ganz anständigen europäischen aus einigen Ländern –, aber nicht den chemischen Mist vom Fass, den Du in den meisten englischen Pubs bekommst. Für Ausländer ist es manchmal schwer, Ale richtig zu würdigen: Im Vergleich zu den meisten Lager-Bieren wird es ungewöhnlich warm serviert, und sein Geschmack kann ziemlich bitter oder seltsam sein. Beim Bestellen sagen wir übrigens eher 'Bitter' als 'Ale', es sei denn, wir wollen besonders altbacken wirken. Aber ich bin mit Ale aufgewachsen, und es passt zu unserem Klima und unseren Gaumen. Meine Biere der Wahl wären "Landlord" oder "Golden Best", jeweils von TIMOTHY TAYLOR. Wo trinkst Du Dein Bier am liebsten: Wohnzimmer oder Küche? Mit der Familie oder Freunden, die über Nacht bleiben, im Wohnzimmer. Bei Partys oder kurzfristigen Besuchen in der Küche. Obwohl ich da eigentlich keine Regeln habe, wirklich. Auch im Studio, beim Abmischen. Was schätzt Du mehr an Deiner Heimat – die Küste plus Meer, oder festen Boden unter den Füßen im Landesinneren? Die englischen Moore! Obwohl es die auch an der Küste gibt, was vielleicht beides perfekt zusammen bringt. Moorlandschaften sind das Wichtigste, ich habe sie im Blut. Für den Dokumentarfilm über Roboter von MARTIN HANS SCHMITT ("Robot World") hast Du die Musik gemacht. Wer ist der bessere Roboter: R2D2 oder TERMINATOR? TERMINATOR! R2D2 nervt einfach nur, ganz allgemein gesagt. Ich wünschte, er würde sich seinen quietschenden Büchsenhintern einklemmen. Du hast auch einen Song zur "Saw II"-Doppel-CD beigesteuert, scheinst überhaupt ein Fan von Horrorfilmen zu sein. "Psycho" oder "Der Exorzist"? "Der Exorzist", obwohl die psychologische Seite des Films oft wichtiger ist als Blut oder Horror. Ein Film wie "Shining" kombiniert beides perfekt. Letzte Frage: Du bist vor allem in einem weit gefassten Neofolk-Umfeld ein sehr gefragter und präsenter Musiker. Dennoch ist die Zahl der Käufer bei einem so speziellen Genre sicher begrenzt. Ruhm und Ehre oder finanzieller Erfolg? Nichts von den Genannten. Welchen Wert hat Ruhm? Alles, was mir wichtig ist, ist die Musik. Welchen Wert hat Ehre? Ich werde natürlich gerne respektiert für das, was ich tue. Respekt verdient man sich. Ehre? Bekomme ich etwa meine eigene Statue? Finanzieller Erfolg? Ich habe keine Verwendung für einen Pool, höchstens, um darin mein Ale zu lagern. :-) Und was würde diese Art Erfolg bringen? Millionen von Pfund, Euros, Dollars würden mir ermöglichen, alles mit meiner Musik zu machen, was ich schon immer wollte, unabhängig von meinem Einkommen und den Kosten. Meine Musik einem breiteren Publikum zugänglich machen, das wäre nett. Dafür würde aber all meine Zeit draufgehen, und ich müsste am Ende Sachen erledigen, die ich gar nicht machen will. Denn auf dieser Stufe bräuchtest Du dann Labels, Manager, Verlage und so weiter, also Leute, die dich als Produkt verwerten. Erfolg heißt für mich, ein Album zu machen, Musik zu machen, auf die ich selbst stolz bin; Musik, die sich in mir entfaltet; Musik, die Menschen berührt. Alben, die sich finanziell selbst tragen, so dass ich das nächste machen kann. Das nenne ich finanziellen Erfolg. Und wenn Du dann immer noch genug Geld übrig hast, um was zu Essen zu kaufen, dann bist Du erfolgreich. Ja, ich bin erfolgreich! :-) MATT, vielen Dank für das Interview und, ja, weiterhin viel Erfolg!
Michael We. für nonpop.de
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