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Roy L.

MAGICAL POWER MAKO: Super Record

Folkmusik 1964-1984 | Teil IV


MAGICAL POWER MAKO: Super Record
Kategorie: Spezial
Wörter: 1623
Erstellt: 27.01.2008
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MAGICAL POWER MAKO - "Super Record"
(1975, Japan, Polydor)



In Japan hat sich im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts ein recht eigenartiges Verhältnis zur „westlichen Welt“ etabliert. Wie ein Seismograph nimmt das Inselreich jede kleinste Regung im Okzident wahr und binnen kürzester Zeit wird jede kulturelle Erscheinung mit potenzierten Maßen zurückgefeuert. Die Japaner hatten nie Probleme damit, etwas in ihre Kultur zu integrieren und mit der eigenen Tradition zu multiplizieren, so als wollten sie sich in alle Richtungen auf einmal stürzen. Das Extreme fand stets nahrhaften Boden in Japan, auch wenn viele Samen darin westlichen Ursprungs sind.
Ende der Sechziger entwickelt sich nach britischem Vorbild wie nahezu überall auf der Welt auch in Japan eine zunächst kleine dann rapide wachsende Szene von Rockbands, die schnell zu Vorreitern des Extrem-Psychedelischen (FLOWER TRAVELLIN' BAND) und des Extrem-Lärmenden (LES RALLIZES DÉNUDÉS) werden. Im Spannungsfeld zwischen Politik und Kulturrevolution gewinnt diese Entwicklung Anfang der Siebziger an Eigendynamik, und es entsteht ein nahezu genuin-japanisches Konzept, das sich zehn, fünfzehn Jahre später relativ unabhängig vom europäischen Industrial in tiefgreifende und ausartende Experimente mit Noise-Rock und -Metal entlädt.

MAGICAL POWER MAKO spielt in dieser Evolutionsgeschichte eine seltsame Sonderrolle. Für ihn trifft vielleicht am meisten zu, was einmal unter dem Begriff „Kosmische Musik“ zu fassen versucht wurde. Seine Perspektive scheint dabei eine ganz außerweltliche, überirdische zu sein. Auf seinen Alben verwendet der Multiinstrumentalist den teleskopischen Blick, unter dem – vielleicht zum ersten Mal – die Makro- und Mikrostrukturen der Welt gleichsam sichtbar gemacht, aber letztendlich auch in ihrer konsequenten Lächerlichkeit bloßgestellt werden. Diese Platten tragen dann bezeichnende Titel wie „Music From Heaven“, „Welcome To Earth“ oder, der japanischen Totalitätsobsession Folge leistend, „Super Record“.
Um eine solche Distanz zu erlangen, muss ein Künstler den schmalen Grat betreten, der stets den Genius vom Wahnsinn schied. Und natürlich verschlägt es den Mitte der Fünfziger Jahre geborenen MAKOTO KURITA – so sein „bürgerlicher“ Name – dabei immer wieder auf die menschliche Seite der Freaks, Nerds und Besessenen. Heute  lebt der exzentrische Japaner inmitten einer riesigen Sammlung von Puppen und Spielzeug-UFOs, hat sich ein eigenes Tonstudio eingerichtet, in dem er immer noch halbstündige kosmische Reisen unternimmt und mit KEROJETTER verfügt er seit langer Zeit über ein Outlet für eigene Aufnahmen und Veröffentlichungen anderer japanischer Bands. In den (Un-)tiefen des WorldWideWebs stößt man zudem auf einen „Magical Power Mako Cosmos-“Blog, in dem regelmäßig über die neuesten Raketentechnologien und andere kuriose High-Tech Innovationen informiert wird. Was dagegen über MAKOs Vergangenheit in Erfahrung zu bringen ist, hat im Grunde schon JULIAN COPE konzis zusammengefasst. Makoto Kurita wächst in den Sechziger Jahren in Izu Shuzenji auf, er ist ein sonderbarer, leicht introvertierter Junge, der schon früh mit der Musik in Berührung kommt (Klavierunterricht im Kindesalter. Als 10-jähriger beginnt er eigene Stücke zu schreiben.) und begeistert auf jede neue BEATLES Platte wartet. Im frühen Jugendalter wird er sich seiner genialischen Musikalität bewusst und vertieft sich mit größerer Ernsthaftigkeit in seine Musik.
Gerade diese überdeutliche Reflektiertheit ist bemerkenswert - als im Sommer 1970  erste Aufnahmen entstehen, schreibt er auf den Tonbandbehälter: „Summer 1970, things a 14-year-old boy thinks about“. Manches von dem hier aufgenommenen Material bildet später die Grundlage zu seiner ersten LP, die 1974 über POLYDOR erscheint. In den Jahren dazwischen bricht Mako seine Schulausbildung ab und geht nach Tokio, wo er sich mit einer Reihe unmusikalischer Jobs durchschlägt, nebenbei aber auch mit seinem Bruder die Band GENGE gründet und mit dieser gelegentlich in Clubs auftritt. Von hier aus werden vor allem zwei Bekanntschaften wichtig für seine spätere Karriere. Bei einem großen Festival auf Honshu trifft er 1972 den etwa gleichaltrigen düsteren Gitarrenhelden KEIJI HAINO, der zu dieser Zeit noch in seiner erste Band LOST AARAAF singt und schreit - ein schräges Projekt, das allein aus Schlagzeugorgien, Klavier, Hainos qualvollen Monologen und Mikrofonfeedback einen psychedelisch-klaustrophobischen Cocktail zusammenbraut. HAINO wird erst viele Jahre später u.a. mit seiner zweiten Band FUSHITSUSHA richtig bekannt und (für die heutige japanische Psych-Rock Szene) wahnsinnig einflussreich werden. Gemeinsam mit MAGICAL POWER MAKO experimentiert er Mitte der Siebziger intensiv, wobei davon auszugehen ist, dass nicht einmal ein Bruchteil der dabei entstandenen Aufnahmen heute noch erhalten ist, geschweige denn veröffentlicht wurde. Zumindest ist seine Gitarre bei zwei Stücken auf dem Erstlingswerk „Magical Power“ zu hören. Ein zweiter Name, der sich nachhaltig auf Makos Biographie ausgewirkt hat, ist der des großen japanischen Avantgarde Komponisten TORU TAKEMITSU, der u.a. den Soundtrack zu unendlich vielen  japanischen Filmen schrieb. Ihn lernt Mako 1973 in einer musikalischen Fernsehsendung („Ongaku To Watashi“) kennen. Der erfahrene Takemitsu erkennt sofort das Potential und die Genialität seines jungen Kollegen und engagiert ihn für die Orchestrierung seiner Kompositionen zu den Filmen „The Forest Of Fossils“ und „Himiko“. Höchstwahrscheinlich war er es auch, der Mako den Zugang zum großen Majorlabel POLYDOR verschaffte, das immerhin die drei ersten MAGICAL POWER MAKO-Alben publizierte und so zumindest national schon früh für großen Ruhm und Bekanntheit sorgte.

Eines dieser Alben ist das bereits erwähnte „Super Record“. Mehr als bloße Selbstüberschätzung steht hinter der LP jedoch in der Tat ein enormer Anspruch. Über nahezu drei Jahre hinweg erstrecken sich die Aufnahmen, bei denen der damals noch blutjunge Mako alle Tonspuren selbst einspielt, darunter ein ganzes Arsenal von Saiteninstrumenten, Perkussionsmitteln, Flöten, Akkordeon, Keyboards. Gesang vernimmt man dabei nur in wenigen Momenten, die Stücke bauen sich zumeist mit einem Schwall unzähmbarer Akustikgitarren auf und münden dann in spacige Odysseen, wilde Volksfeste oder kontemplative Morgenlandphantasien. Schon im ersten Titel „Andromeda“ schießt Mako sich und den Hörer raketenartig in das kosmische Niemandsland zwischen Krautrock und Psychfolk, dann gleitet die Raumfähre MPM etwas bekifft durch surreale Steppen, bis wir durch das Krähen eines (gallischen?) Hahns aus allen Wolken fallen und das hyperaktive Ein-Mann-Orchester zur Volksmusikkapelle mutiert. Von hier aus verwirren sich die Geographien. Man muss sich das ganze als einen riesigen utopischen Raum vorstellen, dessen Wände mit einer Hundertschaft von Fernsehmonitoren tapeziert sind, die von einer einzigen Person gesteuert werden. Aus den Bildschirmen ergibt sich ein Mosaik unseres Planeten, wir erleben Szenen aus kleinen französischen Dörfern, entlegenen Pazifikinseln, bergigen Einöden, japanischen Gärten und zwischendurch schunkelt man mit bayerischer oder schwäbischer Behaglichkeit zum Schifferklavier, und das in unmittelbarer Nachbarschaft zu ägäisch säuselnden Bouzoukisaiten. Makos „Super Record“ führt jeden Kulturrelativismus ad absurdum -  hier transformieren die Völker sich fließend ineinander und der geniale Komponist beobachtet alles aus sicherer Distanz und arrangiert nur noch das polyphone Klangknäuel in eine neue magische Ordnung der Harmonien. Jedoch sieht der junge Japaner dabei alles wie durch eine psychedelische Brille und so bildet gerade der lärmende und schwebende E-Gitarrenmaelstrom den konstanten Fixpunkt, an dem sich die halb ungestümen, halb sanften Szenen entfachen. Als hätte sich eine ganze Dorfgemeinschaft im rituellen Bunde gegen die Staatsgewalt verschworen, kulminieren die Energieströme des Albums in der orgastischen Überlappung unzähliger wütender und zugleich ekstatischer Akustikgitarren, die sich am Ende von „Majorica Resistance Song“ bis zum Nullpunkt erschöpfen. In starkem Kontrast zu den archaisch-traditionellen Tönen leuchten hin und wieder elektronische Geistesblitze auf. Am Ende von „Pink Butch“ hört man eine gummiartig wabernde Keyboardsequenz, die sofort an FRANCO BATTIATOs grandioses Werk „Pollution“ (1972) denken lässt, ein Album, das Mako zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich kannte und hörte. Wie ein asemantisches, elektronisches Mantra taucht außerdem der repetitive „Sound 3“ immer wieder zwischen den einzelnen Stücken der B-Seite auf und übernimmt dabei fast die Rolle des ewigen, kosmischen Hintergrundgeräusches, das sonst in unseren Ohren vom Lärm der Welt(en) überdeckt wird. Am Ende bleibt davon nur noch das metaphysische Gitarrenbrummen im Taumel finaler Glockenschläge - „Sound Mother Earth“ - und aus großer Distanz streben wir dem Inneren der Erde zu. Eine überdimensionale Wegstrecke liegt hinter dem, der in die unendlichen Tiefen dieser „Super Platte“ eingedrungen ist.

Trotz der schwierigen und anspruchsvollen Kompositionen war das Album in Japan ein großer kommerzieller Erfolg. Zwei Jahre später folgte mit „Jump“ ein derb angeproggtes, schlagzeugintensives Art-Rock Album, das auf die Folk-Einflüsse von „Magical Power“ und „Super Record“ nahezu gänzlich verzichtete. In den Achtzigern und Neunzigern entrückte Mako zunächst immer mehr in krautige Gefilde und experimentierte dann mit synthetischen Klängen (1985 erschien das Album „Magical Computer Music“.), Intelligent-Techno, Lo-Fi Pop, Trance Rock und Space Ambient. Während der dreijährigen Arbeitszeit an seinem „Super Record“ (1972 bis 1975) entstand zudem ein umfänglicher Korpus von Outtakes und unverwendetem Material, das erst vor wenigen Jahren in seiner Gänze in Form eines 5 CD-Sets namens „Hapmoniym“ offiziell erschienen ist. Wie viele japanische Musiker ist Mako auch heute noch ein monomatischer Studio-Workaholic, doch im Vergleich zu den extremen Vielveröffentlichern MASAMI AKITA (MERZBOW) und AKIFUMI NAKAJIMA (AUBE) verhält er sich in Sachen Publikationen deutlich zurückhaltender. Seinen weltweiten Ruf als revolutionärer Geist des Avant-Rocks verdankt der junggebliebene Mako auch heute noch seinem Frühwerk, speziell den ersten beiden Alben.
Zusammen mit KEIJI HAINO und LES RALLIZES DÉNUDÉS zählt MAGICAL POWER MAKO zu den Urvätern und Vorbildern der neuen japanischen Psych-Rock Szene, die sich seit Anfang der Neunziger mit international etablierten Bands wie ACID MOTHERS TEMPLE, LSD MARCH oder UP-TIGHT frisch formiert. Mehr als das, demonstriert „Super Record“ eindrucksvoll, wie verschiedene Folk- und Weltmusiken zum Medium einer kosmisch durchleuchteten alternativen Musikrealität werden können. Heute sind es vor allem Bands wie GHOST oder der unfassbar unterschätze HIROYUKI USUI (L), die auf diesem Felde experimentieren und wahrscheinlich undenkbar wären ohne die Vorarbeit, die der damals nicht ganz zwanzigjährige Mako mit seinem Album der Superlative leistete.


Titel:
A
Andromeda
Tundra
Silk Road
Woman In South Island
Pink Butch (Lalala)

B
(Sound 3)
Rock Baby In Meadow
(Sound 3)
Majorica Resistance Song
(Sound 3)
Cosmos Soundglass
(Sound 3)
Sound, Mother Earth
(Sound 3)

43min


Erstauflage:

Polydor MR 5055 | 1975

Re-Releases:
2002: Hagakure ISCP 1142CD | CD
2005: Radioactive Records RRCD141 | CD (Semi-Bootleg !!!)

 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Magical Power Mako bei Discogs

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