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Martin N.

Klaus Schulze im Interview

The Crack in the Cosmic Egg


Klaus Schulze im Interview
Kategorie: Spezial
Wörter: 3340
Erstellt: 24.11.2007
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Es ist schon faszinierend, wenn man Musik lauscht, die mittlerweile 37 Jahre auf dem Buckel hat, und zu dem Schluss kommt, dass es sich hierbei um Klänge handelt, die nichts, aber auch gar nichts an Intensität und Kraft einbüßen mussten. "Zeitlos" wäre vermutlich das richtige Wort , das auch  jene magische Schwerelosigkeit umschreibt, die sich verbreitet, wenn Musiker und Bands wie KLAUS SCHULZE, TANGERINE DREAM und ASH RA TEMPLE ihre gewaltigen Modularsysteme, Mellotrons und Moogs in Bewegung setzen. Sich immer  wiederholende, leicht modifizierte Sequenzmuster, kombiniert mit ausgefallenen Improvisationen ergeben jenen plasmatischen Sound, der einst vom Berliner Label OHR mit der Genrebezeichnung "Kosmische Musik" versehen wurde und der für die elektronische Musik eine außerordentliche Bereicherung war. Ohne die so genannte "Berliner Schule", die abseits von gängigen, deutschen Kraut- und Space Rock Bands agierte, wäre die heutige, elektronische Musik mit Sicherheit nicht das, was sie ist. Daher ist es für uns eine große Freude, Euch hier ein Interview mit KLAUS SCHULZE, Mitbegründer, Produzent und immer noch treibendem Organ jener Musikwelt zu präsentieren.

Wie geht es Ihnen zurzeit?  Wie verbringen Sie momentan Ihre Tage?

Guten Tag. Danke der Nachfrage. Mir geht's inzwischen gut, nach einer doch recht schweren Krankheit vor zwei Jahren: irgendwas mit der Bauchspeicheldrüse, und danach - wohl durch den Krankenhausaufenthalt - hatte ich eine Muskelschwäche in den Beinen, ich konnte kaum gehen, und, oh mein Gott, ich war vielleicht abgemagert!  Ich war wieder so schlank und rank wie in den Siebzigern. :-)  Ich hatte dann viel mühsame Krankengymnastik und nun geht es wieder wie zuvor. Naja, fast. Man wird ja nicht jünger...
Meine Tage (und eher noch:) meine Nächte sitze ich - wie schon seit über 30 Jahren - im Studio und arbeite: ich spiele, nehme auf, editiere, mixe, und ich denke nach... denn Musik ist ja NICHT NUR Spontaneität. Sondern auch lange und harte Kopf- und Sitz-Arbeit.

Was fällt Ihnen spontan zum Begriff „Berliner Schule" ein?

Viele Artikel in vielen Musikmagazinen.

In den 60ern, zu der Hoch-Zeit von Rock'n'Roll-Bands wie den Beatles, haben sie  ebenfalls in Rockbands Bass, Gitarre und Schlagzeug  gespielt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass sie sich mit TANGERINE DREAM der elektronischen Musik zugewandt haben?

Nun ja, das war eben "die Zeit", der Aufbruch, politisch wie kulturell, gegen Ende der Sixties. Gerade in Berlin. Einige Bands in Berlin spielten damals "seltsame" Musik, viele probierten was Neues. Das hieß dann Free Jazz (der BRÖTZMANN-Trommler SVEN-AKE J. spielte zum Beispiel auch bei TANGERINE  DREAM), oder Avantgarde, oder "Underground", was weiß ich...  Mein  Trio hieß PSY FREE, und wir spielten in den damals angesagten kleinen Berliner Clubs, Litfass, Quasimodo, und so weiter. Sagt man noch "angesagt"? Die Besetzung war: Orgel, Gitarre, Drums. Der Mann an der Gitarre was übrigens ALEX CONTI. (Anschließend war er bei CURLY CURVE, dann in Hamburger Bands: ATLANTIS, RUDOLF ROCK UND DIE SCHOCKER und LAKE). Ich spielte bei PSY FREE das Drum-Set, genau wie dann anschließend bei TANGERINE DREAM. Edgar hatte mich irgendwann Ende '68 oder Anfang '69 bei einem Gig gefragt, ob ich nicht... denn sein Drummer hat gerade geschwänzt. :-)

Warum entschieden Sie sich kurze Zeit später, Anfang der 1970er, nicht mehr in Gruppen zu spielen?

Achmeingott, schon zigmal erzählt. Eben das übliche. In Kürze: Eigene Ideen, die man nicht endlos mit anderen diskutieren wollte.

Bei ASH RA TEMPLE war das eigentlich weniger ein Problem: wir verstanden uns prima, auch als ich dann wegging und was Eigenes machte. Edgar war anders (Der war ja auch schon etwas älter.), der wollte ein Trio a la Jimi Hendrix, er war ein großer Fan vom Jimi Hendrix. Und wenn ich da ankam und selbstgemachte Orgel-Bänder rückwärts vom Bandgerät zur TD-Musik abspielte (!) nee, das fand er gar nicht lustig. Er wollte eine Rockband mit Gitarre, Bass, Drums, und ich sollte eben NUR trommeln. Also ging ich und fummelte dann alleine herum, mit meiner alten elektrischen Orgel, einer elektrischen Gitarre (die ich aber nicht wie Hendrix spielte :-) dazu einen kaputten Verstärker, der schöne "avantgardistische" Klänge von sich gab, und noch ein Echogerät, ...nun ja, ich hatte so meine seltsamen Ideen von ganz anderer Musik. Und die erste eigene Platte von mir hieß dann "Irrlicht".
Das war 1972. Danach - und bis heute - kamen noch einige Alben dazu :-))
Lustig ist, dass mein Freund K.D. Mueller (kdm) letztens im deutschen Wikipedia die seltsame "Information" (!) lesen musste, dass angeblich Edgar Froese mir damals bei T.D. die "Electronic" beibrachte. Welch ein Schmarrn. Der liebe Edgar wusste damals auch, was er wollte. Nur war das keine "Electronic". Wie ich schon erzählte, der gute Eddie hatte gar kein Interesse an diesen Klängen und warf mich sogar aus der Truppe ...WEIL ICH sowas versuchte. Wie schon gesagt, er war auf'm Hendrix-Trip. Und dagegen ist ja auch gar nix zu sagen. Auch ich schätze Hendrix' Musik. Aber ich verspürte damals nicht den Drang, sie nachzuspielen. Und auch heute nicht :-)
Was manche Fans sich so vorstellen, einbilden, und dann in "Wikipedia" setzen, ist schon hanebüchen. Wieviel Quatsch wird da sonst noch drinstehen?

Was fasziniert Sie so an WAGNER, dass sie als WAHNFRIED (benannt nach  Wagners Haus) Musik eingespielt haben?

Ich mag ihn eben, den Richard. Seine Musik, seine Art wie er sein Leben - auch in Extremen - führte, und dass er und wie er "sein Ding" durchgesetzt hat. Und an seiner Musik faszinieren mich diese Klangflächen, diese neuen - damals revolutionären - Akkorde.

Ein Freund von Ihnen, Klaus D. Mueller, hat die Band IDEAL entdeckt. Auf Ihrem damaligen Label (IC) erschien das IDEAL-Debutalbum mit dem Hit "Blaue Augen". Haben wir Ihnen die "Neue Deutsche Welle" zu verdanken?

Entdeckt hat er die Gruppe X-PECTORS (schon mit EffJott und Annette) im Dezember 1979. Er sprach nach einem Kant-Kino-Konzert EffJott an, es stellte sich heraus, dass man sich von früher kannte: EffJott hatte da, Anfang der Siebziger, noch lange schmierige Haare, stotterte, aber dealte schon mit alten Autos. Jetzt sah er schnieke aus, und er hatte Stil; einen eigenen Stil; der später übrigens eine Titelstory im ZEIT-MAGAZIN abgab.
Nun ja. Weiter im Text: kdm (spoken: Ka-De-Em) brachte Annette und EffJott zu IC, meinem Label damals, das ich eigentlich strikt für "Elektronische Musik" gegründet hatte. Ich hatte also meine Bedenken, sehr starke Bedenken: Rock? New Wave? (Den Begriff NDW gab's natürlich noch nicht.). Damit konnte ich wenig anfangen, und ich muss auch zugeben: der Enthusiasmus den kdm für die Humpe-Texte mitbrachte, den hatte ich nun überhaupt nicht. Kurz: es war nicht meine Welt. Als kdm dann aber die Hälfte der Kosten für die Produktion übernahm und die ganze Sache mehr oder weniger alleine durchzog, hatte ich nix mehr dagegen. Er glaubte wirklich daran. Auf kdm ist Verlass!  Aber dass das dann SO ein Erfolg werden würde, konnte keiner ahnen, auch er nicht.
Für den Deal bei uns und für die Platte haben sich die beiden dann den neuen Namen gegeben, eben: IDEAL. Die vorher größere Truppe um EffJott und die Humpe-Schwestern wurde zu einem recht zackigen oder schlagkräftigen Quartett, eben IDEAL. "Keine Fisimatenten", hätte EffJott dazu gesagt. Bass und Drums wurden nicht aus der alten Truppe übernommen. EffJott wollte wirklich was "Frisches".
Die im Sommer 1980 fertige Produktion "Ideal" (ein Album mit zwölf Titeln) haben wir dann allen deutschen großen Labels angeboten. Und es war fast wie im Rock'n'Roll-Lehrbuch: es kamen NUR Absagen, WEA, CBS, ARIOLA, HANSA, wie sie alle heißen. Kdm's Idee (und ein bisschen Trotzköpfchen): Dann eben selbst machen. Der Rest ist deutsche Musikgeschichte.
Neben IDEAL gab's damals (fast gleichzeitig) noch das großartige TRIO. Als kdm deren Musik das erste Mal hörte, versuchte er sofort, die ebenfalls... aber musste feststellen: die waren ja schon bei der PHONO- oder POLYGRAM. (EffJott war dann mit ihnen befreundet, und Annette spielte sogar in ihren Videos mit).
Und auch hinter FOYER DES ARTS war er her, er hatte auch ein Treffen mit und bei Max Goldt in dessen Wohnung in Berlin-Moabit, aber der verlangte: Bekomm' ich 'nen Gospel Chor? ein Orchester?  Er ging dann zur WEA, und wie man später von ihm hörte, wurde er dort überhaupt nicht glücklich. Aber er hat ja dann Furore gemacht mit seinen großartigen Artikeln und Büchern, kdm ist immer noch ein Fan von Max Gold.
 Neben diesen (und einer Handvoll anderer) Gruppen, die damals wirklich NEUE (Rock)musik spielten, mit deutschen Texten (was ja damals immer noch exotisch war), ja, Gruppen, die sogar lustig sein konnten, ...also daneben gab es natürlich immer noch die "alten" Rockgruppen, die weiterhin zwar das alte Rock-Zeug spielten oder besser: nachspielten, nun aber ebenfalls unter "eNDeWe" firmierten. Und dazu kam dann auch noch, dass jede Plattenfirma, jeder Produzent versuchte, nach IDEAL und TRIO mit eigenen NDW-Gruppen aufzuwarten, die oft sogar nach IDEAL klangen: EffJotts zackige Gitarre oder Annettes trotzige Stimme. Sowas passiert immer, wenn etwas ganz Neues erfolgreich ist. Und es ist ja nicht verboten.
Die IDEAL-LP bei uns wurde schnell Platinum, damals bedeutete das noch: 500.000 verkaufte LPs. Da wollten andere natürlich auch...  Eine Schwemme an Schnellschüssen und Blödsinn wurde gepusht. Und killte die Welle prompt.
Inzwischen sind über eine Million von dem IDEAL-Album verkauft, und das allein in Deutschland (& felix Austria). Lustig war auch, das fällt mir gerade ein, dass damals manche Radiosender (und sogar eine TV-Sendung) die Musik von der Platte ZU LANGSAM abspielte - und es oft nicht merkte!  Denn wir hatten damals die eigenartige Reklame-Idee, alle unsere IC-Platten mit 45 Umdrehungen zu fertigen, anstatt mit den üblichen 33. Das brachte natürlich zusätzliche Aufmerksamkeit, wenn dann "Blaue Augen" oder "Berlin" im Radio viel zu langsam lief. Die Hörer merkten's, die Damen und Herren hinterm Mikrophon bekamen's oft gar nicht mit :-)
 Ja, wir waren wirklich "independent", unabhängig, und konnten die verrücktesten Sachen machen, ohne jemanden fragen zu müssen. Leider liefen die "Elektronischen" Platten auf IC nicht ganz so dolle.

Sie werden als "kreativer Impulsgeber" der elektronischen Musik in Deutschland gesehen. Sie haben Soundtracks und Ballette komponiert und klassische Musik neu eingespielt.  Was hat sie an "schnödem" Pop und Techno bei Bands wie ALPHAVILLE und SNAP gereizt, die Sie produziert haben?

Es war mal was anderes. Eine für mich ganz andere Welt. Sowas reizt mich.
Ich hoffe doch, dass das Adjektiv "schnöde" ironisch gemeint ist? Denn die Musiker beider Gruppen machten ihre Musik sehr ernsthaft und professionell. Ich habe da einiges Musikalisch-Technische gelernt. Nur, weil jemand Erfolg hat, sollte man ihm nicht gleich sonstwas unterstellen. Die Franzosen z.B. machen das nicht, sondern freuen sich mit ihm. Hier in Deutschland ist "Niedermachen" leider die Regel (ist ja auch einfacher zu schreiben und macht mehr Spaß). Überlass' das dem "Spiegel" - der damals übrigens NICHT EINMAL über die Sensation IDEAL berichtet hatte (Obwohl wir ihn natürlich - damals noch per Telex - auf dem Laufenden hielten.). Erst, als IDEAL viel später bei der WEA war und WEAs Promotion-Abteilung denen eine Geschichte aufschrieb, wurde auch im Spiegel berichtet. Das war dann etwa zwei Jahre nach der eigentlichen Sensation: unbekannte Band auf Winzig-Label mit Gold-LP, dann Platin-LP und das mit GUTER & NEUER Musik :-)  ...war dem Spiegel keine Geschichte wert, als sie passierte.

Sind Sie jemals mit der damaligen Industrial-Szene (THROBBING GRISTLE, SPK, CABARET VOLTAIRE) in Berührung gekommen? Wenn ja, wie stehen Sie zu der Musik genannter Bands ?

Wenig bis gar nicht.
Mein Freund und Partner kdm hatte "sowas" damals für die Eröffnungs-Party von IC (31.Oktober 1980) auf Band aufgenommen und ließ es im Hintergrund laufen. Aber seine Musik war und ist es ebenfalls nicht. Es war einfach nur neu, damals. Und er informierte sich, kaufte ein paar Platten davon (natürlich beim "Zensor" in Berlin-Schöneberg).
Aber eigentlich sind wir beide etwas romantischer im Musikgeschmack, wir mögen "kalte" Musik weniger, und auch keine Dilettanten.

Stimmt es, dass Sie ihren 'Haupt-Synthesizer' der 70er Jahre, den 'Big  Moog', bei ebay versteigert haben? Waren Sie traurig und brauchten etwa den Platz?

Ich habe viele alte Instrumente weggegeben, das ist richtig. Das tat ich eigentlich schon immer. Was dann damit jeweils geschehen ist, weiß ich nicht genau und es interessiert mich auch nicht. Diese Instrumente waren und sind Handwerkszeuge. Meist sogar gute Handwerkszeuge, sonst würde ich sie ja nicht benutzen und damit spielen. Aber irgendwann gibt's neue und bessere Werkzeuge. Und ich benötige natürlich auch den Platz im Studio.
Ich bin ja kein Museum und auch kein Fan, sondern aktiver Musiker. Manchmal erreichen kdm heute noch Anfragen von Fans, die irgendein altes kaputtes Teil gekauft haben, und der Verkäufer hat's ihnen als "original aus dem Besitz von Klaus Schulze" angedreht. Auch kdm kann und will diesen netten Fans nix bestätigen. Wie sollte er auch in Berlin irgendeine Kiste, die nun in Japan steht, als "original von KS" erkennen? Ja, Dank "ebay" wird da auch Missbrauch... ach, lassen wir das. Für mich sind diese alten Kisten keine Fetische. Ich lobe sie aber gerne, wenn sie gut sind, wenn sie mir nützlich sind, und wenn sie funktionieren. Aber ja doch.

Hatten Sie  Kontakt zu Musikern wie ROBERT FRIPP, PASCAL  LANGUIRAND  oder RICHARD PINHAS, deren Musik ja durchaus mit Ihrer verwandt ist?

Nee.
Aber kdm hat den Fripp mal getroffen, das war aber vor seiner Zeit mit mir. Er war damals befreundet mit Peter Hammill von VAN DER GRAAF GENERATOR, und er war deshalb bei einer Aufnahmesession in einem Londoner Studio dabei. Robert Fripp spielte an dem Tag seinen Part als Gastmusiker ein. Erstaunlich, wie klein (in Zentimetern, nicht an Bedeutung) manche Heroen sind, wenn man sie dann trifft. Robert Fripp ist so einer. :-)  Guter Musiker. Aber nein, hab' ich nie getroffen. Es ergab sich nicht. Überhaupt: Ich habe viele nicht getroffen.

Wie stehen Sie zu Sampling und Copyright-Debatten, bzw. was waren Ihre ersten Gedanken, als Anfang der 90er die kreative Nutzung von Musik- und Textsamples rechtlich gesehen bereits deutlich eingeschränkt wurde?

Das Copyright auf Musik gibt es natürlich nicht erst seit "Anfang der 90er" sondern schon acht Jahrzehnte länger. Und das ist auch gut so. Man kann nicht einfach fremde Musik ohne zu fragen benutzen oder sie sogar als "die eigene" verkaufen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Und wenn dann manche darauf auch noch eine Karriere aufbauen, ich weiß nicht recht, das grenzt an Kriminalität?
Ich denke da z.B. an MOBY, der einfach diese alte 1961er Blues-Serie von Alan Lomax auf "Atlantic" geplündert hat, "bumm-bumm" rübergelegt, und fertig ist'n Moby-Hit? Merken das die Hörer denn nicht, dass das ganz andere Musik ist? Und wieso bemerkt das auch kein Journalist und sagt's ihnen deutlich? Und spielt das Original?!  ...  Verrückte Welt. Ich mag Sampling, und habe es auch Anfang der Neunziger Jahre exzessiv eingesetzt, dabei aber nicht - wie zig andere - vorhandene James Brown-Riffs geklaut (oder wie Moby: ganze Titel unbekannter Blues-Sänger), nee, das war mir dann doch zu billig. Ich habe versucht, viel mit ungewöhnlichen Geräuschen zu arbeiten. Oder mit Stimmen; zum Beispiel die meiner Frau Elfie. Das Sample mit ihrem Satz "You mean, that's it?" ist Legende ...jedenfalls bei meinen Fans. :-)  Ich hab das Sampling sogar manchmal etwas übertrieben; im Nachhinein ist man ja immer klüger. Auch ist mir aufgefallen, dass sich ausgefallene Samples recht schnell abnutzen; viel besser sind schlichte, einfache, normale Samples; die kann man öfter benutzen. Dies als kleiner Tipp für Anfänger. Obwohl, ...in der (immer noch riesigen?) Deppen-Techno-Szene mag das anders sein. :-)

 Inwieweit plädieren Sie vielleicht sogar für eine unentgeltliche Nutzung von urheberrechtlich geschätztem Material in Form von Samples?

Wenn ich etwas haben möchte, was andere geschaffen haben, muss ich fragen, und die Nutzung natürlich bezahlen. Ist der andere ein Kollege, ist er vielleicht sogar ein Freund, und ich frage nett, bekommt ich sicher oft sein "okay" kostenlos. Und er bekommt ein Sample von mir. Sowas ist gang und gäbe in der professionellen Musikszene. Wenn nicht, muss ich eben dafür etwas bezahlen. Das ist weder Bosheit noch Geldgeilheit, sondern normal. Es handelt sich ja auch meist nicht um Riesen-Summen. Wenn allerdings nur mit und wegen dieser Fremdmusik (Moby schon wieder!) Millionen verkauft und eingenommen werden, dann sollte ich auch einen Batzen davon dem eigentlichen Urheber bezahlen. Was EIGENES zu schaffen ist mühsam und das sollte nicht vergessen werden: es ist auch mit  manchmal recht großen Kosten verbunden. Es ist wie beim Auto: Wenn ich einen Freund frage, lässt er mich sicherlich gerne mal mit seiner tollen Karre fahren. Ansonsten muss ich zu Rent-a-Car und deren Kutsche natürlich auch bezahlen. Für'n Stretch-Mercedes mehr als für'n simplen Golf.

Die kosmische Musik-Szene hatte immer einen Hang zur New Age- Bewegung Was  hat Ihnen damals New Age bedeutet? Ist die Bewegung für Sie heute noch relevant?

 Weder "kosmische Musik" noch "New Age" sind Begriffe, die ich auf meine Musik angewandt wissen möchte... um es mal höflich auszudrücken.  Diese "Bewegung" (Ist da überhaupt sowas wie "Bewegung" in dieser Muzak?) interessiert mich nicht die Bohne.

Den Soundtrack zu welchem schon gedrehten Film hätten Sie gerne komponiert, und warum?

Eine sehr hypothetische Frage. Ja, ich sehe gerne Filme, alle möglichen Filme, und es muss nicht immer "hohe Kunst" sein. Also, meine Antwort: Viele. Zu viele.

Mit welchem Musiker würden Sie gerne noch zusammen arbeiten, und  warum?

Ich hab's mal versucht bei J.J. Cale. Aber der wollte nicht. :-)  Doch, ja, ernsthaft. Kein Witz.

Wie kamen Sie eigentlich dazu, Erotik-Filme, wie "Body Love" von Lasse Braun musikalisch zu untermalen. Haben sie  immer noch Kontakt zu Lasse Braun?

Musikmachen ist mein Beruf, ich verdiene seit über 30 Jahren mein Geld damit. Und dazu gehört auch das Musik-machen für Filme. Zudem war Lasse Braun ein "guter" Mann. Sehr sympathisch. Seine Pornos waren auch etwas besonderes, damals. Man kann sagen: sie waren revolutionär, ich wiederhole: damals. Nein, ich habe seit dieser Zeit keinen Kontakt mehr zu Lasse Braun.

Wie beurteilen Sie den Werdegang der elektronischen Musik speziell in  Deutschland? Wo sehen sie  heute noch Potential?

Achmeingott, was für 'ne umfangreiche Frage. Vor allem das mit dem "Werdegang". Ich habe leider keine Antwort parat. Hätte ich, würde ich ein Buch schreiben. ... "oder schreiben lassen" (ruft kdm aus dem Hintergrund. :-)
"Potential" ist immer da, solange junge Leute den Drang verspüren, Musik machen zu wollen. Natürlich aus ganz verschiedenen Gründen: Von "Einsamkeit"  bis "Ruhmsucht" ist da sicher jede Regung vertreten. Doch allein das Resultat zählt. Oder sollte zumindest. Leider gilt das nicht für Popmusik (und inzwischen auch nicht mehr für einige "seriöse" Musiker).  Das jeweilige Seelen- oder Familienleben ist für Presse und Publikum leider oft wichtiger. Von Musik hat ja auch kaum (noch) jemand Ahnung. Muss er ja auch nicht. Aber wenn Klatsch und Tratsch Überhand nehmen, hat das mit Musik nun gar nix mehr zu tun. Also: Potenzial ist da. War immer da. Der Starke wird sich durchsetzen. Und damit mein' ich nicht den Unterschichten-Fernsäh-"Superstar"-Mist. Aber  vielleicht bin ich da zu optimistisch, zu romantisch? Eine seltsame Beobachtung muss ich da noch anfügen: Es sind immer Jungs, so gut wie nie Mädchen, die diesen "Drang" zum Musikmachen verspüren. Auch in der Fan-Post schön zu beobachten: von 100 Briefen (heute: Mails) höchstens mal 1 (ein) weiblicher Fan (die aber meist nur für ihren Freund oder Mann ein Geschenk sucht: Signiertes Booklet oder so...). Wieso das so ist, weiß ich nicht. Wegen der Art der Musik vielleicht?  Mach' ich Männer-Musik? Doch wenn ich an meine Konzerte in den Siebzigern zurückdenke: Da herrschte kein Frauenmangel, ich konnte mich nicht beklagen. Überhaupt nicht.

Was haben Sie für Zukunftspläne? Was dürfen wir von Klaus Schulze in nächster Zeit erwarten?

Nun ja, einen nächste Platte. Und dann wieder eine. Lange vor einem Ereignis (ein neues Album oder sonstwas) schon darüber zu sprechen, kann auch in die Hosen gehen. Ich sehe es doch bei vielen anderen: Große Ankündigung, und dann kommt nix. Das ist peinlich. Das will ich mir ersparen. Und wenn ich wirklich wieder gesundheitlich "auf dem Damm" bin, muss ich noch das damals - im Mai 2005 - wegen meiner plötzlichen Krankheit abgesagte Konzert in Bologna nachholen. Was ich gerne tue, denn ich liebe es, Konzerte zu spielen!

Wir bedanken und herzlichst für das Interview und wünschen Ihnen weiterhin frohes Schaffen und viel Erfolg.

Danke ebenfalls, für das freundliche Interesse. Tschüss.


 
Martin N. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» The Crack In The Cosmic Egg - Encyclopedia
» ULTIMA THULE - Record Shop
» Babyblaue Seiten

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