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Tony F.

NEON-WELT 5 + 1. ELECTRONIC-AID-FESTIVAL

Minimal und Elektronik im Ruhrgebiet


NEON-WELT 5 + 1. ELECTRONIC-AID-FESTIVAL
Kategorie: Spezial
Wörter: 1223
Erstellt: 05.07.2007
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Neon-Welt Festival 5, Zwischenfall, Bochum
mit GUERRE FROIDE, BUZZ, SCHWEFELGELB

Die Neon-Welt-Festivalreihe, die am Wochenende im Bochumer ZWISCHENFALL in ihre fünfte Rund ging, dürfte für Liebhaber der Minimalelektronik oder des Cold-Wave eigentlich kaum wegzudenken sein. So hat es der Veranstalter auch dieses Mal mit GUERRE FROIDE und BUZZ wieder geschafft, echte Kultbands aufzubieten, die man in Deutschland wohl noch nie zu Gesicht bekommen hat. 

Den Anfang des Festivals bestritt jedoch die relativ junge Combo SCHWEFELGELB. Das Duo orientiert sich in Bezug auf Musik wie auch Außendarstellung sehr stark an der frühen Neuen Deutschen Welle. Musikalisch war also flotte, minimale Elektronik mit im typischen NDW-Stil prätentiös herausgeschleuderten deutschen Texten angesagt. Beide Musiker bedienten dabei jeweils die Synthesizer oder die Mikrophone. Die eingesetzte Snare-Drum komplettierte schließlich das Klangbild. Die agile Show des NDW-schräg gekleideten Duos wurde schnell über die Bühne hinaus ausgeweitet, indem man auch mal singend durch den Zuschauerraum tanzte. Zusätzlich wurden noch zwei Live-Animateure - mit je einer Schweins- und einer Bärenmaske eingesetzt, die über die Bühne und durch das Publikum tobten. Gerade das mit Schweinsmaske, Stiefeln und alten Offiziershosen bei nacktem Oberkörper bekleidete Individuum sorgte bei uns für die Überlegung, dass so eine Performance auch für einige Bands des Neofolk-/Industrialgenres einsetzbar wäre, die nicht in ehernem und martialischen Ernst erstarrt sind. Die Band schaffte es jedenfalls, die Zuschauer gleich zu Beginn des Festivals ordentlich wachzurütteln, obwohl ich auch sagen muss, dass mir persönlich diese Art von Musik auf längere Sicht zu anstrengend ist. Von daher war die Länge des Auftritts gerade noch richtig. 

Nach einer kurzen Umbaupause betraten schließlich BUZZ die Bühne. Sowohl BUZZ als auch die nachfolgenden GUERRE FROIDE wurden bei ihren Auftritten von einem Video-Jockey unterstützt, der passende und atmosphärische Bilder auf die Bühnenrückwand zauberte. BUZZ - eigentlich nurmehr ein Soloprojekt von JEAN-CHRISTOPHE VAN THIENEN - traten an diesem Abend im Gegensatz zu ihrer Inkarnation in den 80er Jahren als vollelektronisches Duo auf. Wie auf der neuen Platte zu hören, verzichtete man gegenüber früher also auf den Einsatz von Gitarre oder E-Bass. Da die musikalische Gründung der Band aber auch schon früher in der Elektronik lag, hatte man nicht mit allzu großen Anpassungsproblemen zu kämpfen. Das Programm bestand dann sowohl aus neuen Stücken als auch aus komplett überarbeiteten Klassikern wie "1984", "Marinetti" oder "Kennedy". Gerade bei "Kennedy" fehlte mir allerdings das Bassfundament, so dass diese neue Version für meinen Geschmack etwas zu schwachbrüstig war. Die neuen Stücke wirkten glücklicherweise auch live nicht zu old-school-lastig, sondern zeigten, dass die Band im Hier und Jetzt angekommen ist. Der gute, vielleicht etwas zu zurückhaltende Auftritt endete schließlich nach einer verdienten Zugabe. 

Als Headliner gingen schließlich GUERRE FROIDE auf die Bühne, die musikalisch den Klang des Abends in Richtung Post-Punk/Cold-Wave verlagerten. Die Band ist nach einer über zwanzigjährigen Pause seit 2006 als Trio mit den Gründungsmitgliedern YVES ROYER (Gesang), FABRICE FRUCHART (Gitarre und Elektronik) und - neu am Bass - SAMUEL DRUON wieder unterwegs. Wie gehabt baut man klangtechnisch zudem auf recht typische Drum-Computer-Sounds sowie eine solide Synthesizer-Basis. Insiderkreisen dürfte die Band von ihrer 81er "Demain Berlin"-E.P. und eventuell von Tape-Veröffentlichungen bekannt sein. Die Band hatte allerdings nicht nur einige Klassiker im Gepäck, sondern präsentierte maßgeblich das neue Album "Angoisses & Divertissement". Den Sound der Band kann man vielleicht irgendwo in der Gegend von CHARLES DE GOAL oder den frühen TRISOMIE 21 ansiedeln: eine zurückhaltende, melancholische Stimme, monotone Drum-Patterns gepaart mit melodiösem Bassspiel sowie unterstützende Gitarrenklänge. Das alles wird schließlich noch durch akzentuierte Synthesizersounds bereichert. Das relativ kurze von der Bühnenshow her zurückhaltende Set geerdet wirkender Musiker umschloss mit dem hervorragenden, geradezu hitverdächtigen "Saint-Ex" vom neuen Album bis hin zu "Demain Berlin" dann die Zeit von 1981 bis 2006. Ohne Zugabe, die leider von technischen Problemen überschattet wurde, ließ man natürlich auch GUERRE FROIDE nicht ziehen, so dass man noch in den Genuss einer Cover-Version des GRAUZONE-Klassikers "Eisbär" und einer nochmaligen Präsentation - macht man aus meiner Sicht eigentlich nicht - von "Saint-Ex" kam. Insgesamt war das 5. Neon-Welt-Festival wieder ohne Frage den Besuch wert. Und ich bin ehrlich gespannt, welche Bands man für eine hoffentlich anstehende Fortsetzung verpflichten wird.

1. Electronic-Aid-Festival, Saint, Oberhausen
mit HAUJOBB, PAINBASTARD, SAM, EONITY

Das Kontrastprogramm zum Neon-Welt-Festival folgte dann am Samstagabend. Wohltätigkeitsaktionen halten ja in den letzten Jahren deutlich sichtbar immer mehr Einzug in die schwarze und sogar auch in die Neofolk-Szene. Mit diesem Hintergrund ging auch im Oberhausener SAINT das "1.-Electronic-Aid-Festival" über die Bühne. Vier vom Klangbild her doch recht unterschiedliche Bands sollten diesen Abend bestreiten und spätestens bei der vorletzten Band war klar: das Publikum war mehr oder weniger alleine wegen HAUJOBB gekommen. Insgesamt war die Qualität der Bands - der Hinweis zum Wort Qual drängt sich mir gerade irgendwie auf - sehr durchwachsen. Warum man EONITY aus Bonn überhaupt jemals auf eine Bühne gelassen hat, ist mir völlig schleierhaft. Ebenso grausam - live aber etwas professioneller - war der SUICIDE-COMMANDO-Klon PAINBASTARD, der an vorletzter Position spielte. Einzig das Duo SAM (Synthetic Adrenaline Music) mit seinem instrumentalen, discotauglichen Rhythmus-Industrial, denn ich auf CD aber auch nicht zu Hause haben müsste, wusste live noch recht gut zu gefallen. Von daher wartete man fast sehnsüchtig auf den Headliner des Abends. 

HAUJOBB - ein Begriff, der sich auf die Replikanten aus "Blade Runner" bezieht - absolvierten ihren Auftritt als Trio, wobei DANIEL MYER (Gesang, Synthesizer, Trommeln) als einziges Gründungsmitglied von GUIDO LE FRICK an den Synthesizern und der Gitarre, sowie von ACHIM FAERBER (Schlagzeug) von DIE KRUPPS unterstützt wurde. HAUJOBB war für mich schon immer eine eigentlich unterbewertete Band im Elektrosektor, die vom Anfang der 90er Jahre bis heute eigentlich immer für intelligente und innovative Elektronik stand. Anfangs noch sehr vom Vancouver-Sound SKINNY PUPPYs inspiriert, bewegte man sich schnell auf eigenen, immer recht kühl und hochtechnisch wirkenden  Pfaden voran. 

Obwohl  die Alben eher ruhig und zurückhaltend sind,  brachten HAUJOBB an diesem Abend eine gehörige Portion Energie mit auf die Bühne. So startete das Set noch vergleichsweise  gesetzt mit dem Instrumental "Solid state logic" vom zweiten Album "Freeze frame reality", doch legten HAUJOBB nach und nach immer weiter zu. Auffallend war dabei die stärkere Konzentration auf frühere Alben der Band, so als wollte man live wieder mehr zu den Ursprüngen zurück, die doch noch kantiger waren, als zum Beispiel gerade die letzte Platte "Vertical theory". DANIEL MYER ließ sich dann einen Seitenhieb auf die futurepoppenden VNV NATION auch nicht entgehen, wobei der Sänger ohnehin sehr gut aufgelegt schien und auch an den Trommeln alles gab, so dass für die Zugabe als "Erholungsstück" sogar spontan ein instrumentales Stück seines Projekts ARCHITECT herhalten musste. 

Höhepunkte des regulären Sets waren sicher das mit Gitarrenverstärkung vorgetragene "Unseeing", das drängende "Maternal Instinct" sowie "Subsonic" bei dem es im Publikum bei den ersten Takten dann endgültig kein Halten mehr gab. Hervorheben muss man bei dem Auftritt den unglaublich dynamischen und druckvollen Schlagzeugeinsatz, der die Stücke noch mal um einiges nach vorne drückte. Die sichtbare Spielfreude der Band, die zeigte wie man Elektronik wirklich live auf die Bühne bringt, tat dann das Übrige. Nach gut einer Stunde endete das reguläre Set. Natürlich kam die Band um eine ausführliche Zugabe, die unter anderem das monumentale "Eye over you" und "World Window" enthielt, nicht herum. Wenn man die Gerüchte verfolgt, die auch ein Aus der Band nicht ausschließen, dann kann einen das nach diesem Abend eigentlich nur traurig stimmen. Insgsamt war es trotz des durchwachsenen Programms dann doch ein gelungener Abend, da wir im Prinzip ohnehin nur wegen einer Band gekommen waren.


 
Tony F. für nonpop.de


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