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Andreas P.

INVASION PLANETE - Ein Rückblick

"Wir gehen im Westmoonclub tanzen!"


INVASION PLANETE - Ein Rückblick
Kategorie: Spezial
Wörter: 1345
Erstellt: 01.07.2007
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Von 1998 bis 2005, sieben Jahre lang, stand das französische Label INVASION PLANETE (IP) für qualitativ hochwertige Musik im Minimal/Retro Electro-Bereich. Die ersten Veröffentlichungen waren rasch vergriffen und die Sammlerpreise erreichten in kürzester Zeit ein beachtlich hohes Niveau. Vor allem das Flagschiff des Labels und Projekt des INVASION PLANETE-Masterminds A//, LE SYNDICAT ELECTRONIQUE (LSE), erntete im sich damals neu formierenden, internationalen Electro-Underground positive Kritik aus allen nur erdenklichen Richtungen. Während sich die „Größen“ der damaligen elektronischen Musikszene eher sich selbst und der Partyattitüde der neuen Technogeneration verschrieben hatten, verschaffte sich im musikalischen Schatten ein ganz neuer Stil Gehör: Minimal Electro.
Was später im kurzlebigen „Electroclash“-Hype um FISCHERSPOONER, MISS KITTIN oder FELIX DA HOUSECAT den Gipfel seiner Popularität erlangte, nahm in Studentenwohnungen, Jugendhäusern und Universitätsproberäumen auf der ganzen Welt mit den Experimenten bastelwütiger Freaks und genervter Anhänger aktueller Musik seinen Anfang.

So auch 1998 in Toulouse. An der „Beaux-Art“, einer Kunstakademie lernten sich die unter den Pseudonymen A// und ROLLINKA agierenden Labelgründer kennen. Vor allem A// hatte in dieser Zeit schon einige Erfahrungen mit Synthesizern gemacht und unter dem Namen „Plexxi Project“ sein erstes Tape veröffentlicht. Durch ihre Zeit im "kreativen Herz der Stadt" erkannten sie bald, dass ihr Konzept von multimedial funktionierender Kunst und ihre Ansichten zur Bedeutung von Musik an sich nicht mit der kommerzialisierten Musik- und Kulturwirtschaft zu vereinbaren waren.
Die beiden Franzosen vertraten den Standpunkt, dass man ohne Eigenengagement nichts verändern kann und organisierten gemäß diesem Credo einzelne Veranstaltungen, deren Sound jenseits der House und Technoklänge der Spät-90er lag. Einlass nur für „Engagierte“ wohlgemerkt.
Vielleicht legten A// und ROLLINKA zu dieser Zeit den Grundstein für die spätere Labelphilosophie von INVASION PLANETE: Komplette Eigensteuerung des Betriebs, ein „freier Spielplatz“ für die Künstler, sowie ein stark codiertes, schwer zu greifendes öffentliches Auftreten. Ähnlich wie bei Projekten aus dem (Post-)Industrialumfeld griffen IP ebenfalls auf eindeutige, markante Symbolik zurück: Waffen, verhüllte Gestalten, Sturmmasken, schwarze Sonnenbrillen erhoben sich gegen die Bosse der selbstherrlichen Musikindustrie. Granaten wurden auf dem Beipackzettel mitgeliefert. Die Anonymisierung der Künstler, eine Undurchschaubarkeit der Hintergründe der einzelnen IP-Projekte, ähnlich wie bei der GALAKTHORRÖ-Familie, betrachtete A// als Garant dafür, dass es den bei IP engagierten Personen einzig und allein um die Musik und Kunst ging.
Die nötigen finanziellen Mittel für die ersten Veröffentlichungen konnte A// aus der Versicherungssumme für einen Autounfall abzweigen, das Resultat: „Defending Man“ von LE SYNDICAT ELECTRONIQUE. Das LSE-Debüt wurde nach einem schleppenden Start zum Geheimtipp und bescherte IP nicht zuletzt auch aufgrund ihrer provokativen Homepage schnell Kultstatus. Trotz aller Pionierarbeit wäre es vermessen, die Wiege des Minimal Electro-Revivals allein in Toulouse zu suchen. Plattenschmieden wie BUNKER, CREME ORGANISATION, CLONE und das wohl bekannteste Label DISKO B tauchten aus dem Nichts auf, jede mit einem ganz eigenen Sound. Während die einen Italo Disco in ihre Songs mit einfließen ließen, mischten andere Detroit Techno mit dem reduzierten Neo-Electro europäischer Prägung. Acts wie I-F, DOPPLEREFFEKT, ANTHONY ROTHER und LEGOWELT machten sich international auch jenseits der musikalischen Randnischen einen Namen.
Anders als eben jene groß aufgelegten Genrevertreter beschränkte A// den Output seiner Hauptmarke INVASION PLANETE auf Vinylpressungen. Zum einen vielleicht aus einer gewissen Nostalgie und Liebe zum Vinyl heraus, zum andern auch ein Ergebnis des "Von Engagierten für Engagierte"-Ansatzes. Wer in Zeiten von CDs, DVDs und der mp3-Technologie (die erst nach der Gründung von IP relevant wurde) noch dazu bereit war, Schallplatten-Neuveröffentlichungen zu kaufen und sich dafür unter Umständen sogar einen Plattenspieler neu zuzulegen, der gehörte dann logischerweise auch zu einer kulturellen Elite. Dass es kein Künstler von IP in diese "oberste Electro-Liga" schaffte, hatte weniger etwas mit deren Qualität sondern mit der Philosophie von A// zu tun, der es ablehnte sich dem Massenpublikum zu öffnen, da er sich und seine Kunst der akuten Gefahr einer Verstumpfung und Bagatellisierung ausgesetzt sah.
Die ersten Veröffentlichungen konzentrierten sich vor allem auf drei Projekte: LE SYNDICAT ELECTRONIQUE, IT & MY COMPUTER (A//s "poppiges" Äquivalent zu LSE, teilweise unterstützt von seiner Freundin ROLLINKA) und PORN.DARSTELLER, sowie drei Samplerveröffentlichungen. Speziell diese Compilations, "Terrorfication", "Pornographication" und der auf dem frisch gegründeten Sublabel CITIZENS PARALELLES erschienenen "International Combat" brachten Künstler der internationalen Szene (u.a. KITBUILDERS, BAKTERIELLE INFEKTION, POLYTRON u.a.) zusammen, um düstere, verstörende Soundtracks für die Großstädte von morgen zu schaffen.
Die Titel "Pornographication" und "Terrorfication" zeigen außerdem den thematischen Kosmos der frühen INVASION auf: Sex, Macht, Gewalt, Geld und ein bisschen Nervenkitzel. Hollywood lässt grüßen. Und wer an die Carpenter-Verehrung und B-Movie-Vorliebe von A// denkt, kann die Einflüsse im Gesamtkunstwerk INVASION PLANETE nicht von der Hand weisen.
CITIZENS PARALLELES sollte nicht die einzige Unterabteilung von IP bleiben und so gesellten sich im Laufe der Jahre GRAHN GEEN-YOL, INDIVIDUS ANALOGUES (die einzigen CD-Veröffentlichungen von IP!), N.E.S.S. OBSCUR (7"-Reihe und Heimat des vielgerühmten SILENT SIGNALS-Debüts), sowie das nach der Beendigung des Projektes LE SYNDICAT ELECTRONIQUE gegründete gleichnamige Label hinzu. Auch hier merkte man A//s Sinn für Details rund um Verwirrungen, entstiegen doch die von (frei erfundenen) Sagen umwobenen Projekte DE FRONTANEL und RAISON FUTURE (zusammen mit PORN.DARSTELLER) ebenfalls dem eigenen Heimstudio.
Im Laufe der Jahre vollzog sich dann ein merkbarer Wandel im Gebaren von Labelgründer A//, der sich von der Dekadenz und vermeintlichen Selbstherrlichkeit der ersten INVASION PLANETE-Jahre lossagte und sich mit dem Erscheinen der LP „Philosophie“ von LE SYNDICAT ELECTRONIQUE vom klassischen Minimal Electro sehr distanziert hat. Die Sounds wurden roher, und eine Prise GALAKTHORRÖ gesellte sich zum neuen Klangbild vom Zugpferd des Labels, welches mit dem Tanzflächenfüller „Sacrifice“ letztendlich auch in der Postindustrial-Szene Anklang fand. Textpassagen wie „We are so fascistic – we are so electronic“, mit denen sich A// über die haltlosen Vorwürfe manch konkurrierender Musiker lustig machte, führten zu hitzigen Debatten, die in einem Privatkrieg auf Globaldarkness.com ihren Höhepunkt fanden, dem Forum rund um das niederländische BUNKER RECORDS-Kollektiv. Der sehr amüsante, aber politisch höchst inkorrekte Comic, der der 3x7“-Box „Le Monde Cruel De Katja“ beigelegt wurde, führte keineswegs zu einer Entspannung der Situation.
Im Jahr 2005 kam mit dem Soundtrack „LEBENSPORNOGRAPHIE“ zum gleichnamigen, umstrittenen Film von EDWIN BRIEN schließlich das Ende von LE SYNDICAT ELECTRONIQUE. Der Name selbst wurde von A// für ein weiteres Sublabel weiterverwendet, das einzig und allein den Veröffentlichungen des neuen Projekts LA SEDUCTION DES INNOCENTS (LSDI) gewidmet war. LSDI stand musikalisch jetzt mit beiden Beinen im Postindustrial-Umfeld und schwankte zwischen verstörenden Soundcollagen und minimalem Industrial im Stil aktuellerer Veröffentlichungen von HAUS ARAFNA. Inhaltlich setzt A// auf spirituelle Themen, war er doch selbst auf der Suche nach der „Erleuchtung“. Im Rahmen des „Third Wave“-Gedankens verbanden sich Anhänger des Labels zum musikalischen und geistigen Austausch in einem speziellen Subforum, wo auch der Grundstein für die niederländischen Plattenschmieden ENFANT TERRIBLE und das dazugehörige ELITE POP gelegt wurde. Gerade der augenzwinkernde, aber kritische Stil wurde von ELITE POP aufgegriffen, die mit ihrem Slogan "We are the new kunst! Wir sind die neue Art!" nahtlos an A//´s subversiven Botschaften anknüpften.
Ende 2005 kam dann das jähe Ende von INVASION PLANETE mit der Samplerveröffentlichung „Sacrifice Moderne“, welcher auch als direktes Spiegelbild der Labelzustände zu sehen war. Was ursprünglich als eine Plattform zur Vorstellung der neuen Projekte auf IP angedacht war, wurde schließlich zum Grabstein. GK AGENDA, SILENT SIGNALS, OTTOMAS und ICH WOLLTE ICH KÖNNTE sollten die junge Garde von INVASION PLANETE darstellen. ICH WOLLTE ICH KÖNNTE, deren Debüt ursprünglich auf IP erscheinen sollte, kamen dann letztendlich doch über die hauseigene TREUE UM TREUE / REUE UM REUE-Plattenpresse an die Öffentlichkeit. Was aus SILENT SIGNALS wird, wird die Zukunft zeigen – zu hoffen bleibt, dass sie an die spektakuläre 7“ anknüpfen werden.

Abschließend kann man sagen, dass INVASION PLANETE als eines der wenigen Labels innerhalb der von A// gehassten Plattenindustrie geschafft hat, vom Anfang bis zum Ende den selbst gewählten Weg bis zur letzten, bitteren Konsequenz zu gehen.

INVASION PLANETE sind mit wehenden Fahnen untergegangen und hatten selbst im Fall den Stinkefinger gen Industrie und Gesellschaft noch hoch in die Luft gestreckt.

Rest in Peace.


 
Andreas P. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Übersicht aller Künstler des Labels


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