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Im Gespräch: Orplid


Im Gespräch: Orplid
Kategorie: Spezial
Wörter: 4109
Erstellt: 03.07.2006
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Keine Frage: Es war schon mal bedeutend unruhiger um das mitteldeutsche Duo Orplid. Versüßten zwischen dem selbstbetitelten Debüt 1997 und dem zweiten regulären Album Nächtliche Jünger 2002 noch zahlreiche Sonderveröffentlichungen das Warten auf neue Taten, hing man seitdem, von der Beteiligung Orplids an einigen wenigen Kompilationen mal abgesehen, vier Jahre lang mehr oder weniger in der Luft. Trost fand man in den vielfältigen neuen musikalischen Betätigungsfeldern von Frank Machau und Uwe Nolte und doch war die Freude groß, als im März endlich das dritte Album Sterbender Satyr erschien. Dankenswerterweise standen uns die Künstler für einige Fragen zur Verfügung.

 

Lichttaufe: Zwischen Nächtliche Jünger und Sterbender Satyr liegen vier lange Jahre. Was habt Ihr in dieser Zeit getrieben und wie lange habt Ihr am Sterbenden Satyr gearbeitet? Wann haben die Arbeiten an ihm begonnen?

 

Frank Machau: Der Sterbende Satyr war einigermaßen zeitaufwendig, wohl, weil es sich mehr um eine Suche als um einen kontinuierlichen Schaffensprozeß gehandelt hat. Aber so ist es bisher noch bei jedem Album gewesen. Die Arbeiten begannen bereits kurz nach der Veröffentlichung der Nächtlichen Jünger.

 

L: Wann war die neue musikalische Entwicklung, die Ihr unternommen habt, abzusehen? Verlief diese Entwicklung eher unterbewußt oder habt Ihr schon bewußt geplant, zu diesen neuen Ufern aufzubrechen?

 

F.M.: Musikalische Entwicklungen haben sich bei uns immer eher ergeben als daß wir irgend etwas forciert hätten. Der Plan besteht allein darin, sich möglichst nicht zu wiederholen.

 

L: Besonders Stücke wie Erster Frost oder Sang am Abend lassen den Einfluß des achtziger Jahre Waves erkennen. Nicht nur ich scheine da Parallelen zu primus inter pares zu sehen. Nun entstand das Material zu PIPs Gerda schon 2002, wie ich verwundert Eurem Zwiegespräch mit dem Orkus-Magazin entnehmen konnte. Sterbender Satyr scheint mir zwischen Nächtliche Jünger und Gerda zu liegen. Gleichwohl scheint Sterbender Satyr zeitlich nach Gerda entstanden zu sein, richtig?

 

F.M.: Die Aufnahmen zum Sterbenden Satyr schlossen sich recht nahtlos an Gerda an, so sind dann natürlich auch gewisse Parallelen zu erklären. Ich habe auf dem primus inter pares–Album verschiedene Dinge ausprobiert und die Erfahrungen aus dieser Zeit schlugen sich letztlich auf die Arbeit mit Orplid nieder.

 

L: Stammt das Lied Heimkehr eigentlich ursprünglich von der gleichnamigen, sagenumwobenen CD? Ist es womöglich ein Vorgeschmack auf  die geplante Wiederveröffentlichung einiger von diesem Tonträger stammender Stücke auf der für den Spätsommer angekündigten Kompilation Frühe Werke?

 

F.M.: Nein, das Stück ist komplett neu und wäre in dieser Form früher bei uns auch nicht unbedingt möglich gewesen. Zum Glück ist Uwe bei der Musik etwas toleranter geworden. Und ich etwas risikofreudiger.

 

L: Anläßlich der kriegerischen Beteiligung Deutschlands in Jugoslawien erschienen von Euch auf Geheiligt sei der Toten Name und Nächtliche Jünger diverse Lieder, die sich sehr kritisch mit der Wiederaufnahme militärischer Handlungen von deutscher Seite aus beschäftigten. Auf Sterbender Satyr sucht man solche kritischen Stimmen vergebens, obwohl deutsche Soldaten mittlerweile unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen und nun auch im Kongo den Kopf hinhalten werden. Ist Euer Schweigen ein Zeichen von Resignation der Politik gegenüber oder gar innerer Emigration? Oder haben sich Eure Interessen schlicht in andere Richtungen verflüchtigt?

 

F.M.: Wenn wir zu allem unseren Senf dazugeben wollten, müßten wir konsequenterweise in die Politik gehen. Dort ist aber sicherlich nicht unser Platz. Auch sind unsere Lieder nie im Sinne von „Statements“ zu erschließen. Wir stehen immer etwas über, oder, um dem Vorwurf der Arroganz zu entgehen, neben den Dingen.

 

Uwe Nolte: Vor wem oder was sollte unsereins resignieren? Wir haben doch ohnehin nur mir uns selbst zu tun, mit unseren Abgründen, Hoffnungen und Stärken. Das ist der sicherlich härtere Lebensweg zu künstlerischer Reife. Sich als intellektuelle Heulboje zu betätigen ist nicht unser Ding. Obwohl das sicherlich von mehr Erfolg gekrönt wäre. Ich für meinen Teil würde allerdings den Gang in die Politik als neckisches Abenteuer betrachten. Ein paar wilde Reden & Gesten sind schnell einstudiert. Mal sehen, was kommt?   

 

L: Ein Motiv, das sich immer wieder in Euren Texten findet, scheint die Angst vor der atomaren Gefahr. Zum Beispiel:

 

„Zum Flug erkoren, rauben wir 
Der fernsten Himmel Kronen 
Im abendländischen Spalier 
Zerschmelzender Neutronen“


aus Der letzte Ikaride, ein Lied, das auch sonst mit den Söhnen des Ares in Verbindung zu stehen scheint, in welchem es heißt


 „Aus berstenden Atomen 
Tönt unser Schreckenswort 
Der Völker Stimme fegt es 
Mit Donnerklang hinfort“

 

Ist diese Furcht nicht vollkommen anachronistisch zu nennen? Was fasziniert Euch an dieser Thematik?

 

F.M.: Die Angst vor der atomaren Gefahr hat unsere Generation schon mit der Muttermilch eingesogen. Dennoch oder gerade deshalb geht es in den erwähnten Zitaten nicht ansatzweise darum.

 

U.N.: Nein, die Verse sind mehr oder weniger eher „nihilistisch“ zu deuten. Das kann aber jeder für sich anders entscheiden. Der letzte Ikaride stieg von Hiddensee auf, als ich meine „Sommerliebe 2003“ dort spontan besuchen wollte und sie knutschenderweise nackt mit irgendeiner „Fitneß-Schwuchtel“ am Strand lag. Statt sie beide zu züchtigen, ging ich wortlos weiter und schrieb diese „alles“ vernichtenden Verse, träumte mich weg von dieser erbärmlichen Situation. So vulgär kann Inspiration sein. Allerdings sind noch einige Symbole sowie eine Handlung des aktuellen Weltgeschehens in den Text eingewoben. Nein, wir sind wirklich keine Pazifisten. Auch nicht das Gegenteil davon; wir sind Orplid! 

 

L: Für die erfolgreiche Vertonung auch fremder Gedichte seid Ihr hinlänglich bekannt. Berichtigt mich, wenn ich falsch liegen sollte, aber Gedichte noch lebender Künstler finden sich, von den Zeilen Uwe Noltes abgesehen, nicht in Eurem Œuvre. Gibt es dafür, außer leidlichen Copyright-Geschichten, eine Erklärung? Können sich tote Dichter schlicht nicht gegen Vertonungen durch Euch wehren oder fürchtet Ihr insgeheim die Reaktionen? Was ist eigentlich aus der geplanten Zusammenarbeit mit Uwe Lammla geworden, sie sollte ursprünglich doch schon auf Sterbender Satyr  stattfinden?

 

F.M.: Sagen wir es einmal so: Das Copyright-Problem macht es uns relativ leicht, noch lebende Künstler in diesem Zusammenhang erst einmal zu ignorieren. Immerhin wurde von uns jedoch schon Rolf Schilling (hoffentlich noch lange bei bester Gesundheit) vertont, das Stück wiederum bisher nicht konserviert und nur einmal „live“ dargeboten.

 

U.N.: Die Zusammenarbeit mit Uwe Lammla hat aus organisatorischen Gründen nicht funktioniert. Trotzdem wirkte er, wenn auch nicht direkt, so doch unbewußt am Werk mit. Er ist ein großer deutscher Dichter! Außer ihm und natürlich Herrn Schilling kenne ich heutzutage keinen anderen.    

 

L: Das Leipziger Wave Gotik Treffen sah dieses Jahr eine echte Weltpremiere: Das erste Orplid-Konzert überhaupt. Lange Zeit galt Eure Musik als auf der Bühne nicht umsetzbar. Seit Ihr mit dem Ergebnis zufrieden und wie war die Resonanz? Leider konnte ich, wie viele Andere auch, nicht dabei sein: Darf und kann man mit einer zweiten Inkarnation Orplids leibhaftig und in Farbe rechnen oder war das ein einmaliges Unterfangen? Das Konzert zusammen mit Barditus und Lesung von Rolf Schilling fand im Völkerschlachtdenkmal statt, welches ja auch Eure Mini-CD Geheiligt sei der Toten Name schmückt. Glückliche Fügung oder fast schon Bedingung für Euch, Euer selbstgewähltes Exil zu verlassen?

 

U.N.: Nun ja, Weltpremiere klingt ziemlich hochtrabend. Wir haben uns nach aberwitzig vielen Anfragen kurzentschlossen zusammengerauft, etwas überlegt und nach drei Proben die Sache durchgezogen. Mit Resonanzen beschäftigen wir uns nicht weiter, weil wir immer am Erreichen neu gesteckter Ziele arbeiten. Warum verweilen? So wie es momentan aussieht, werden Orplid mit einem variierten Programm am 25.12.06 in Halle auftreten. Mal sehen wo? Das die Veranstaltung im Völkerschlachtdenkmal stattfand, war nur eine der vielen Verlockungen, die uns zum Überwinden unserer Bühnenlethargie bewog. Ich selbst habe leider erst beim Rezitieren von Barbarossa die Aura des Ortes innerlich verspürt. Dafür war dieses kurze Gefühl um so „kaiserlicher“!

 

L: Ihr habt Euch dazu entschlossen, Euer Konzert mit einer Lesung von Rolf Schilling zu koppeln und Ihn so einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren. War es schwer Rolf Schilling für dieses ungewöhnliche Projekt zu gewinnen und was war sein Eindruck von diesem schwarz-bunten Treffen irgendwo zwischen Kunst und Konsumrausch im Allgemeinen und diesem denkwürdigen Tag im Speziellen?

 

U.N.: Ich stehe mit Herrn Schilling seit einigen Jahren in einem immer freundschaftlicher werdenden Kontakt. Somit bedurfte diese Inszenierung, die als generationsübergreifender Schulterschluß zu verstehen war, keiner formellen und langwierigen Bitten. Unmittelbar nach dem Auftritt fuhren wir zu mir nach Halle, tranken Tokajer und Sanddornlikör, scherzten und plauderten bis draußen die Amseln uns ihr Schlaflied sangen. Vergnügt waren wir über diesen Abend durchaus. Wir wußten… unsere Saat ist gesät! 


L: Als Nächtliche Jünger erschien, war Orplid noch zweifelsohne Euer Hauptprojekt. Mittlerweile ist Uwe Nolte ja in Barditus und Sonnentau, Frank Machau bei primus inter pares beschäftigt. Welchen Stellenwert hat Orplid noch in Eurem Leben?

 

F.M.: Hauptprojekt ist immer das, an welchem wir gerade arbeiten. Alles andere ist in diesem Moment immer zweitrangig.

 

L: Mittlerweile hat es sich ja hinreichend herumgesprochen, daß Du, Uwe, gerne schwermetallischer Tonkunst und -kost frönst und kaum ein Orplid-Gespräch kommt mehr ohne Fragen über Deine Präferenzen in dieser Richtung aus. Kannst Du Dich noch daran erinnern, wie das seinen Anfang nahm und nervt Dich das nicht mittlerweile? Ich wollte es mir verkneifen, aber etwas Dunkles in meiner Seele zwingt mich dann doch: Was erwartest Du von der Celtic Frost-Reunion, werden sie den Black Metal retten können und was wäre, wenn Black Metal wirklich Krieg ist, aber keiner mehr hingeht?

 

U.N.: Ja, ich glaube das wäre dann wirklich Wehrkraftzersetzung! To Mega Therion und Into the Pandemonium von Celtic Frost sind wirklich absolut wegweisende Veröffentlichungen gewesen, die sich auch jeder Neofolk-Avantgardist getrost reinziehen kann. Celtic Frost haben zweifelsohne auch meine innere Bilderwelt geprägt. Was zur Zeit bei denen abgeht, weiß ich nicht. Ich lebe in vielerlei Hinsicht in der Vergangenheit „und das ist auch gut so“.

 

L: Was hört Ihr zur Zeit privat selbst an Musik? Konnten Euch in den letzten Monaten spezielle „Szene“-Veröffentlichungen begeistern?

 

F.M.: The Drift von Scott Walker stellt momentan alles in den Schatten.

 

U.N.: Shadows from the past von Nehemah hämmert seit Wochen durch meine Räume. Gleich muß ich auf den Titel Siguilum Sanctum Lycantropia vorspulen, weil die Mitternacht naht. Das Lied hat wirklich Kraft! Ansonsten interessiert mich nichts. 

 

L: Eine letzte Frage: Immer wieder tauchten in den letzten Jahren Gerüchte ob eines baldigen Endes von Orplid nach der Veröffentlichung von Sterbender Satyr und der geplanten Frühe Werke-Kompilation auf. Ist da was dran und wenn nicht: Was dürfen wir noch von Orplid in naher Zukunft erwarten?

 

F.M.: Wer vermag schon zu sagen, was die Zukunft bringen wird. Prinzipiell liegt uns beiden Orplid nach wie vor am Herzen. Wenn nur nicht immer das Gefühl wäre, zwar nicht künstlerisch aber doch was die Wirkung unseres Schaffens anbelangt, auf der Stelle zu treten...

 

L: Ich bedanke mich für das Gespräch!


 
für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Orplid
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