HIDDEN PLACE
Weather Station
Ohne Zweifel lieferte die italienische Kult-Kapelle Kirlian Camera zahlreiche Inspirationen zum vorliegenden Album „Weather Station“. Was beim ersten Hören die Freude etwas schmälerte, stellte sich nach weiteren Durchläufen als leicht verschmerzbar heraus. Wenn schon ein Plagiat, wenigstens ein gutes.
Ausführliche Hintergrundinformationen zum Projekt liegen mir nicht vor. Auch muß ich auf eine Beschreibung zur Aufmachung verzichten, da mir nur eine gebrannte Promotion CD vorliegt. Im Internet fanden sich auch keine weiterführenden Informationen und es ist deshalb davon auszugehen, daß es sich um ein noch jungfräuliches Projekt handelt, dessen Erstlingswerk mir hier aus Italien zugesandt wurde. Evtl. erklärt das Herkunftsland auch die musikalische Nähe zu Kirlian Camera.
Das Intro "Operazione PM 10“ ist ein synthesizerlastiges, von einem monotonen Rhythmus getragenes und mit einem sich ständig wiederholenden Sprachsample unterlegtes Lied. Eine nette Aufwärmrunde für ein Album, in dem die düster-poppigen Passagen die experimentellen Klänge überwiegen.
Mit „Centrali termoelettriche“ folgt gleich der erste Hit des Albums. Musikalisch sicher keine aufwändige Arbeit, dennoch erzeugt der monotone Beat, die kalten Synthieflächen und der wahnsinnige weibliche Gesang in Kombination unwillkürlich Gänsehaut.
Für Lied Nr. 3 (Pure ice) stand offenbar Kirlian Cameras Heldenplatz Pate (ich meine die Live in Berlin 2000 Version!). Aufbau und Instrumentierung ähneln sich. Allerdings erinnert mich die eben noch so wundervolle weibliche Stimme an ein mir namentlich nicht mehr bekanntes grauenvolles EBM-Projekt aus Deutschland. Ein wenig glaubt man die ersten zaghaften Gesangsversuche einer pubertierenden vierzehnjährigen zu vernehmen. Kaum zu glauben, daß hier dieselbe Sängerin hinterm Mikro stand. Dazu noch diese billige Welle Erdball Melodie, die einem direkt den letzten Nerv raubt. Ein echter Tiefpunkt des Albums!
Etwas langatmige und nur bedingt unterhaltsame Instrumentalklänge retten über die ersten anderthalb Minuten von “Emotional Frequencies“ hinweg. Allerdings findet sich der Hörer schnell wieder in den schon vertraut gewordenen Mix aus synthetischem Schlagwerk, kühlen Klangflächen und engelsgleicher Frauenstimme zurückversetzt. Auch der weibliche Gesang scheint auf dem Weg der Genesung. Ich mag ihn mir aber vorerst nicht ohne den präsenten Hall-Effekt vorstellen wollen.
Unerwartet erklingen in Anymore akustische Gitarren und ein rauer männlicher Gesang lässt eine folkloristische Seite des Projektes erahnen. Fast schon bekannte Klänge wie man sie von Calle Della Morte oder Novy Svet gewohnt ist. Der Schein trügt aber, denn mit den unverhofft einsetzenden Beats erhält die letzte halbe Minute noch mal eine tanzbare Note.
"Flowers of loneliness" ist ein weiteres wunderschönes melodisches Stück, das nach einer abermals zu lang geratenen Introphase in wundervolle Klanglandschaften übergleitet. Ein schnörkelloses elektronisches Lied, das mit steigender Bekanntheit der Band ausreichend Potential zum Tanzflächenfüller mitbringt.
Lied 7, Helden, ein auf deutsch vorgetragener Sprechgesang, gewidmet den "Helden der Vergangenheit", weckt in mir keine große Begeisterung. Zum einen stören der vor Pathos triefende Text und der talentlose deutsche Gesang. Die Idee selbst ist ebenfalls etwas abgegrast. Ein echtes Gedenken sähe außerdem aufrichtiger aus.
“A day without time” ist ein nettes Popstück. Die fehlende Abwechslung beim Gesang trübt das Gesamterleben jedoch unnötig.
In den nun folgenden 2.20 Minuten (Colours of sunset) laden ruhige Instrumentalklänge zum Zurücklehnen und Entspannen ein. Ein Entspannen, das die Gefahr zum Einschlafen leider nicht so recht ausschließt.
Das letzte Lied Flowers Pt. II hinterlässt einen eher verhaltenen Eindruck zum Schluß, reicht aber noch als freundliche Verabschiedung von einem Album, das als Erstlingswerk durchaus seine Qualitäten hat. Technisch solide Elektronikmusik, die nicht den Charme langweiliger Computerarrangements versprüht. Der weibliche Gesang reizt bisweilen hart an der Nervgrenze, schafft aber immer wieder die Steigerung bis hin zum Gänsehautindikator.
Freunde elektronischer Düsterpopmusik sollten bedenkenlos ihre Kopie sichern. Für zukünftige Veröffentlichungen erhoffe ich mir etwas mehr Abwechslung beim Gesang und mehr Bewegung beim Aufbau der Liedfolge, die sich doch oft gleicht.
Ein viel versprechender Anfang mit Entwicklungspotential.
Kontakt zu Hidden Place über hiddenplace@email.it
Bitte bewerte den Artikel fair und nach sachlichen Gesichtspunkten. Deine Stimme gibt dem Redakteur eine wichtige Rückinformation über seine Arbeit.