http://www.nonpop.de/nonpop/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=977&high=bekommen
NONPOP - Artikel > Rezensionen > Bücher > Looking for Europe



Tony F.

Looking for Europe

Neofolk und Hintergründe


Looking for Europe
Genre: Neofolk
Verlag: Prophecy
Vertrieb: Prophecy
Erscheinungsdatum:
21.10.2005
Medium: Buch
Preis: ~24,00 €
Kaufen bei: Amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

Teil 1: Rezension
Teil 2: Interview
Leseprobe: Einleitung
Leseprobe: Death in June
Kaufmöglichkeit: Amazon (24,95)

Mit "Looking for Europe - Neofolk und Hintergründe" von Andreas Diesel und Dieter Gerten erscheint in diesen Tagen endlich ein Buch über die Neofolk-Szene, das einerseits einen umfassenden Überblick über die Szene gibt und das andererseits die Historie, die Einflüsse sowie die Hintergründe beleuchtet und erläutert. In diesem Zusammenhang findet auch eine Auseinandersetzung mit der oft heftigen Kritik am Neofolk - seiner Symbolik und seinen Themenbezügen - statt.

Das Buch ist grundsätzlich in drei Teile aufgeteilt - Einleitung und Vorgeschichte, Die Bands, Selbstverständnis und Rezeption - die durch einen Anhang mit Texten zu speziellen, relevanten Themen und einem Interview mit Gabi Delgado-Lopez (DAF) ergänzt werden.

Teil I führt zunächst an das Thema "Neofolk" heran, indem die erste breitere Wahrnehmung dieser "anderen" Musik Anfang der 90er Jahre in Deutschland, aber auch im Ausland beschrieben wird. Das Kernstück dieses Teils ist sicher die Darstellung der Wurzeln des Neofolk. Diese finden sich sowohl in der Industrial-Szene als auch in der Punk- und Wave-Szene Ende der 70er/ Anfang der 80er Jahre sowie in der klassischen Folk-Musik. Den Autoren gelingt es hier außerordentlich gut, die thematischen und musikalischen Überschneidungen und Weiterführungen - mit anderen musikalischen Mitteln - offenzulegen. Gleichzeitig wird so bereits in die Richtung der Kritiker gehend dargestellt, warum bestimmte Themen, Symbole und Bilder für den Neofolk prägend sind und was sich dahinter verbirgt.

Teil II ist selbstredend der umfangreichste Teil des Buches. Hier werden nahezu alle bekannten Neofolk-Bands, geographisch geordnet, vorgestellt. Die Autoren haben sich zudem dazu entschlossen, zusätzlich zu typischen Neofolk-Bands auch Bands mit aufzunehmen, die vielleicht keinen klassischen Neofolk spielen, aber dennoch auf die ein oder andere Art - personell oder musikalisch - mit der Szene verbunden sind wie z.B. Coil, Kirlian Camera oder Der Blutharsch. Eine eindeutige Grenze wurde aber dennoch z.B. zur elektronischen Neoklassik, dem Military Pop oder dem Cold-Meat-Sound gezogen, da die Behandlung auch dieser Bands den Rahmen dann doch gesprengt hätte. Den größten Raum nehmen selbstverständlich die ursprünglichen World-Serpent-Bands ein, deren Historie abhand des roten Fadens ihrer Veröffentlichungen beleuchtet wird. Daneben werden natürlich auch die amerikanischen (allen voran Blood Axis), deutschen und österreichischen, sowie nord-, süd- und osteuropäischen Bands behandelt. Hier erfährt der Leser einiges über die Hintergründe der einzelnen Veröffentlichungen sowie über die Verbindungen zwischen den einzelnen Protagonisten und Bands. Gerade im Hinblick auf Bands wie Current 93 oder Death in June kann und will das Buch natürlich keine lückenlose Dokumentation liefern, da diese bei der Detailfülle sicher jeweils einzelne Bücher erfordern würde. Auf bereits existierende weiterführende Publikationen wird verwiesen.

Im abschließenden dritten Teil geht es dann im Gegensatz zum ersten Teil, der die Wurzeln des Neofolk beschreibt, um die spirituellen und kulturkritischen Hintergründe der heutigen Neofolk-Szene. Ist die Kritik am Neofolk bereits in den vorherigen Teilen Bestandteil, so wird die Auseinandersetzung mit den Kritikern gerade in diesem Teil ausführlicher dargestellt.

"Looking for Europe" ist fürwahr ein fulminantes Kompendium zum Thema Neofolk geworden. Die Musik und die Szene werden aus nahezu allen möglichen Blickwinkeln betrachtet (Musiker, Hörer, Kritiker etc.). Die Autoren haben es damit fertig gebracht, eine weitestgehend objektive Sicht auf die Szene abzubilden. Besonders gut gefällt zum einen der Stil, der nicht in eine allzu gewollt wissenschaftliche Komplexität abdriftet, sowie zum anderen die ständige Auflockerung des Textes durch kurze, informative Interviews mit Musikern, Kritikern, Label-, und Magazinbetreibern sowie einer Vielzahl von Bildern. Bei diesen Interviews und auch im übrigen Text wird nichts beschönigt, und es wird wiederholt kritisch nachgefragt bzw. auch Kritik von den Autoren geübt. Positiv ist zu bemerken, dass eben auch Kritiker der Neofolk-Szene zu Wort kommen und mit dem ein oder anderen Gegenargument konfrontiert werden, wobei es schade ist, dass es einige Kritiker offenbar vorgezogen haben, nicht mit den Autoren zusammenzuarbeiten. Ich denke, das muss man nicht kommentieren. Insgesamt ist das Buch mit über 500 Seiten sehr umfangreich, wobei es dahingestellt sein mag, ob die Texte des Anhangs wirklich essentiell sind. Aus meiner Sicht kritisch anzumerken bleibt, dass der Anfang des ersten Teils etwas holprig daherkommt. Das Erscheinen der Musik, von den ersten Einsätzen in Clubs der schwarzen Szene und den Fans der ersten Stunde, die vielfach die eigens in London erworbenen Tonträger via Cassette in die Breite streuten, was gegen Ende der 80er Jahre geschah, hin zum ersten größeren Bekanntwerden des Neofolk Anfang der 90er Jahre hätte man in Bezug auf die Industrial/Punk/Wave-Wurzeln etwas fließender gestalten können. Einige Interviews hingegen wirken an dieser Stelle etwas fehl am Platz.

Wem ist dieses Buch zu empfehlen? Sicherlich allen Neofolk-Fans, wobei der eingefleischte Fan natürlich nicht nur mit Neuigkeiten überrascht wird; wohingegen der Fan, der vielleicht erst ein paar Jahre dabei ist, sicher viele interessante Informationen erhält, die sonst nur durch umfangreiche Recherchen zu erhalten wären. Interessant ist das Buch ebenfalls für alle, die sich ohne Vorbehalte eine objektive Meinung über die Szene bilden wollen, wobei die Flut der Namen, die Verbindungen der einzelnen Protagonisten, die thematischen Bezüge und die Menge an Bands und Projekten den unbedarften Leser vielleicht etwas überfordern werden. Die Erz-Kritiker der Szene wird man aus verschiedenen Gründen sicherlich nicht überzeugen können. Aber es wäre wünschenswert, wenn das Buch zumindest zu einer wieder etwas sachlicheren Diskussion führen würde und der Neofolk wieder eine breitere Akzeptanz innerhalb des Undergrounds bekommen würde. Die Autoren haben dafür alles getan.

Tony für Lichttaufe

Teil 2 - Interview mit den Autoren

Buch kaufen (24,95)


 
Tony F. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Buch jetzt kaufen
» Prophecy Labelseite


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Wem ist dieses Buch zu empfehlen? Sicherlich allen Neofolk-Fans, wobei der eingefleischte Fan natürlich nicht nur mit Neuigkeiten überrascht wird, wohingegen der Fan, der vielleicht erst ein paar Jahre dabei ist, sicher viele interessante Informationen erhält, die sonst nur durch umfangreiche...

Inhalt
-
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Werbung