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Roy L.
Novy Svet & Ô Paradis :: Destello De...
...eine Handvoll Schicksal
Kategorie: Rezension
Erstellt: 04.09.2005
Wörter: 671
Artikelbewertung:
Irgendwo, am sternenübersäten Himmel, zwischen Barcelona und Wien, dieser sinnlichsten Achse Europas, trafen sich die Geister von Ô PARADIS und NOVY SVET. In perfekter Harmonie schwang seinerzeit das ätherische Pendel zwischen Ewigkeit und Nichts, verschlang verrauchte Sommerabende mit dem leichten Lächeln des Heimatlosen. Nach zwei Jahren setzt die Reise fort, doch nicht in weißschimmernden Sphären, nein, das katalanische Künstlerkollektiv wühlt nun mehr denn je im Schmutz mediterran-urbaner Gassen und verliert sich dabei immer wieder in düsteren Spelunken, denen das Entfachen stellarer Narben heller und intensiver als allen anderen Orten leuchtet.
Leisere Töne werden angeschlagen, südliche Triphop und Lounge Eskapaden ("En Moloko"), die, durchbrochen vom Aufblitzen messerscharfer Geräuschkulissen und überschüttet mit alkoholisiertem "ánimo", ihren magischen, erdigen Lauf nehmen. Schwärzer, fragmentarischer, herausgerissen aus so vielen, unterschiedlichen Nächten schmiegen sich die salzigen Liedrudimente dem Besucher dieser Klangwelt mit verquerer Geste an. Keine Ohrwürmer wie "Iberia Sumergida" oder "Modo De Amor" bieten hier leichten Genuss, dieser kontrastierte zweite Teil wiegt sehr viel schwerer, sucht länger den Zugang ins Innere und findet dann aber auch kaum wieder hinaus. Dieses Album setzt sich tief und fest ins Herz. Das Wachs der heiteren Maske wirkt bröckliger ("Que Dios Me Perdone") und verrät einen stummen Schmerz, der unauslöschlich hinter den Worten, hinter den entrückten Orgelklängen und kräftigen und zugleich fragilen Rhythmen weht ("Puñado De Suerte"). Öfter nun werden die Saiten gezupft. Aus ihnen tropft beständig ein würziger, melancholischer Wein und rinnt zusammen mit dem Blut unzähliger, kleiner Schlägereien ("Adonis & Bulldozer") über den feuchtglänzenden, dreckigen Steinboden des Barrio Chino. Auch ihn bescheint das kühle, verschwiegene Weiß der Sterne, wenn nur einer hinaufblickt und die Stirn, das rohe Fleisch, mit Licht bekränzt ("Destello De Estrellas"). Mit unterschwellig schwülen Basslinien ("Olvidar Un Corazón) lockt uns Demian hinab in die dämmrigen Keller des Hafenviertels ("Dios Sin Ojos") und man atmet den modrigen Geruch wie ein filigranes Gemisch aus Ambra und Todesschweiß ein. Ohnmächtiges Erwachen an schwarzem Strand nach einem kurzen, traumtorkelnden Zerrbild. Nichts ist genug, dieses stolze Gefühl inneren Vertrocknens, ein Meer ohne Wasser und außen, auf der Haut, kühlt einem der Seewind mit trauriger Gebärde die heiseren Sinne ("Mar Dorado"). Was folgt sind Streifzüge durch verlassene, heruntergekommene Nachtlokale, volltrunken und mit tief berauschten Wogen dehnen sich die letzten dunklen Stunden auf eine surreale Länge aus ("Desde"). Wohin treibt einen das flackernde Spiel mit der Seele in diesen allmählichen Zerfaserungen der Räumlichkeiten? Die hypnotische Verbiegung des Zeittunnels lässt wohlmöglich einen bekannten post-industriellen Trompeter seine blechbläsernen Grüße auf die iberische Halbinsel schicken. Der Kopf wird einem dunstig, nicht wissend, ob der Rhythmus, dem man verfallen, schon Schlaf und Abschied ist. Neblig und grau träufelt Regen auf den heraufziehenden Morgen (Otoño) und Jürgen Weber besingt mit der zerschundenen Stimme einer durchzechten Nacht die Obskurität eines herbstlichen Himmels ohne Sonne. Dann zerstäuben auch die übrigen Spuren des Dunkels, der Tag schiebt sich unmerklich unter die Wolken und Kopfschmerzen hindurch, in zehn Minuten wird ein kurzes, beschwingtes Lied zur Gitarre diesen merkwürdig schwermütigen Trip beschließen.
Oder doch noch nicht ganz? Allen, denen sich noch die Möglichkeit dazu bietet, sollten unbedingt zur limitierten Auflage der vorliegenden Veröffentlichung greifen. Dieser liegt eine 3" MCD bei, die, wenn auch nur mit zwölf Minuten Spielzeit, eine ganz wundervolle Ergänzung zum Album bietet. Die vier Stücke sind weitaus mehr als nur irgendwelche Outtakes und selbst der sturste Neofolker sollte bei "En Mares De Sangre" endlich die Qualitäten beider Projekte für sich entdecken. Wie Insekten in der Sonne dösen darauf Bass und Elektronik zur Siesta entspannt vor sich hin, bis NOVY SVET das ganze in ein katalanisch-karnevalistisches Dub Gewand transportieren und dies ist dann auch ein noch viel würdigerer Abschluss für DESTELLO DE ESTRELLAS EN LA FRENTE.
Die zweite Zusammenarbeit von Ô PARADIS und NOVY SVET, die ohnehin so dicht miteinander verschmolzen sind, dass es wenig Sinn machen würde, das vorliegende Werk Koproduktion zu heißen, erweist sich als perfekte Untermalung für die letzten warmen Tage und Nächte des ausklingenden Sommers, in deren weichem, orangefarbigem Licht schon eine Ahnung von Herbst und Verfall ihre süße Sterbensmelodie hineinspielt.
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Verweise zum Artikel:
» Novy Svet
» Ô Paradis
» Punch:-Records
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Zusammenfassung
Unspektakulärer, unpopulärer und sperriger hört sich die zweite Zusammenarbeit der beiden Ausnahmeformationen an, welche einem, hat man sie einmal in sich eingelassen, wie ein samtiger Schatten auf dem Herzen liegen wird. Ein nächtlicher, tieftrauriger Trip durch die Gassen Barcelonas als...
Inhalt
Saltar A Volar
En Moloko
Que Dios Me Perdone
Puñado De Suerte
Tierra Preguntas
Adonis & Bulldozer
Destello De Estrellas
Olvidar Un Corazón
Dios Sin Ojos
Cúrame
Mar Dorado
Desde
Otoño
Las Aguas En La Tierra
41 min
Bonus 3" - MCD:
En Mares De Sangre
Ulla, Tu Y Yo
Como Insectos Bajos El Sol
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