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ORNAMENT UND VERBRECHEN: Tapetopia 001


ORNAMENT UND VERBRECHEN: Tapetopia 001
Genre: Avantgarde
Verlag: play loud!
Medium: Vinyl LP / Digital
Preis: ~27,00 €
Kaufen bei: Flight 13


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Es gibt zwar jede Menge Neues, aber wie wir wissen, ist das in Gänze kaum fassbar. Und wenn da was schon zu seiner aktiven Zeit keine Chance hatte, massenwirksam zu sein, was passiert dann erst in zehn, zwanzig Jahren damit? Neues wird von wieder Neuem überdeckt. Und das immer schneller. Bevor etwas auch nur zum Geheimtipp werden kann, geht es gewissermaßen sang- und klanglos unter. Und zwar ohne die Bedeutung dieser oder jener Band in Texten eingeordnet, festgehalten, hervorgehoben zu haben. 

Auch ORNAMENT UND VERBRECHEN hätte vergessen werden können. Doch das Label PLAY LOUD! hat sich dem Schaffen dieser Band, die als loses Kollektiv einst in der DDR aktiv war, angenommen. "Tapetopia 001", also das vorliegende Album, ist der Start einer Serie von Vinyl-Veröffentlichungen, die sich auf den DDR-Underground spezialisiert hat. Die erste Veröffentlichung dieser Serie widmet sich nun der Formation, dessen Akteure einigen sicher nicht unbekannt sind. Die Brüder ROLAND und ROBERT LIPPOK sind dabei bis heute aktiv. Doch beginnen wir am Anfang.

Zunächst einmal zum Namen. Der, also ORNAMENT UND VERBRECHEN, geht auf einen 1911 veröffentlichten Ästhetik-Aufsatz des Wiener Architekten ALFONS LOOS zurück. Die Gründung des Musikprojektes ORNAMENT UND VERBRECHEN fällt etwa in das Jahr 1983. Es folgten Jahre des Ausprobierens. Die Namen wechselten, wie die beteiligten Musiker und Künstler. Einige könnten Kennern gar geläufig sein. Da wären etwa CORP CRUID oder LOCAL MOON. 

Als im August 1986 das "X-Mal Open Air" auf der "Insel der Jugend" in Ost-Berlin stattfand, waren die LIPPOKs auch mit dabei. Da sie jedoch keine Auftrittsgenehmigung als ORNAMENT UND VERBRECHEN hatten, meldeten sie sich kurzerhand unter dem Pseudonym VVV an. Zwei Jahre später erschien ihr legendäres "Rotmaul-Tape", eine in Heimarbeit produzierte und in einer Auflage von etwa 20 oder 30 Kopien erschienene Underground-Veröffentlichung.  

Das Ungewöhnliche des Namens, der Umstände der Entstehung des Projektes und dessen Herkunft stand auch für die Haltung der Brüder und des gemeinsamen Umfeldes. Es ging ihnen nämlich nicht um eine kommerziell erfolgreiche oder auch nur ansatzweise konventionelle Band sondern darum, eine Plattform zu sein, auf der sich die Konzepte so wie die wechselnden Mitglieder ausprobieren konnten. Obwohl es niemand darauf angelegt hatte, brachten sie es sogar fertig, einen kleinen Hit zu landen. Eine Single, die unter dem Projektnamen LOCAL MOON erschien, war gleichzeitig die erste quasi-legale Independent-Veröffentlichung auf dem Gebiet der DDR. Sie lag einer Zeitschrift mit Grafiken bei, die regulär verkauft wurde - was der Single den Sozusagenstatus einer Veröffentlichung verlieh. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil es damals in der DDR nur ein zentrales Label (AMIGA) gab, an dem niemand, der eine LP veröffentlichen wollte, vorbeikam.

Nach 1990 entstanden im Umfeld der beiden weitere Projekte, die zum Teil parallel aktiv und nun auch international besetzt waren. Ab 1995 ging das offene Konzept der Brüder auf neu entstandene Projekte über. Eines davon war TO ROCCOCO ROT, das sich - obwohl recht erfolgreich - 2015 wieder auflöste. Ein anderes war TARWATER - ein nur von ROLAND LIPPOK betriebenes, doch ebenso erfolgreiches Projekt, das bis heute aktiv ist.

Musikalisch schwankt es auf der nun vorliegenden Veröffentlichung, und zwar von konventioneller Song-Struktur, über fast schon kitschig zu nennende Titel, bis hin zu experimentellen Stücken, die das kurz vorher Erwähnte hinter sich lassen, Strukturen aufbrechen und den Versuch nach vorne stellen - auch wenn das manchmal so seltsam klingt wie das knödelig vorgetragene Englisch. Nichtsdestotrotz oder eben gerade deshalb umspannt dieser Tonträger das Schaffen von ORNAMENT UND VERBRECHEN sehr gut. Selbst Ansätze, die die späteren Projekte der Brüder aufnehmen, sind hier schon deutlich zu hören. Vor allem das Weglassen von zu viel Drumherum - damals vielleicht aus Mangel, heute eher aus Gründen des musikalischen Verständnisses - scheint mir hier erwähnenswert. Und schließlich wirkt es trotz aller Heterogenität irgendwie doch in sich stimmig. Möglicherweise weil die Ausflüge in die Rock- oder Pop-Bereiche nie weiter als bis an die Grenzen dieser reichen und der folgende Titel Wiedergutmachung betreibt.

Um sich sowohl von der Bandbreite des musikalischen Schaffens des Projektes ORNAMENT UND VERBRECHEN als auch parallel dazu von den Aktivitäten im alternativen Milieu der DDR zu überzeugen, ist dieses Album ein gelungener Beitrag. Und ein Stück Zeitgeschichte ist es auch.

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Label-Seite
» "Fehrbelliner" auf Youtube aus: Konzert im Rahmen der Ausstellung "Geniale Dilletanten. Subkultur der 1980er-Jahre in Deutschland."


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Zusammenfassung
Um sich sowohl von der Bandbreite des musikalischen Schaffens des Projektes ORNAMENT UND VERBRECHEN als auch parallel dazu von den Aktivitäten im alternativen Milleu der DDR zu überzeugen, ist dieses Album ein gelungener Beitrag.

Inhalt
* Torture
* The Death by Heroin of Sid Vicious
* Surety
* S Geudet vielen die Zeit
* When I Am I Am Not
* Jesus
* Gammas
* Sally
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