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FELIX BLUME: Fog Horns

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FELIX BLUME: Fog Horns
Genre: Avantgarde
Verlag: discrepant
Medium: Vinyl LP / Digital
Preis: ~16,00 €
Kaufen bei: Bandcamp


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Musik, so heißt es, ist eine Reihe von Tönen. Diese Reihe folgt einer gesetzmäßigen Ordnung. Die Töne können lang, kurz, hoch oder tief sein. Formal besteht diese Ordnung aus Rhythmus, Melodie und Harmonie. Des Weiteren werden - komponiert jemand mit Tönen - Tempo, Lautstärke, Klangfarbe und Tonlage bestimmt. Komponisten können dabei aus einer unendlichen Anzahl von Tönen wählen und entscheiden, welche Aufgabe der Musik zukommt, ob sie etwa leicht oder schwer, beschwingt oder traurig sein soll. Soweit zur Definition. Entscheidend hierbei ist, dass es sich um Töne handelt. Um das vorliegende Album von Felix Blume nun verstehen zu können, müssen wir in der Geschichte nach hinten schauen. So gelingt die Einordnung von "Fog Horns", einem Album, das auf einer Tradition fußt, die mehr als 100 Jahre zurückreicht.

Zunächst war da LUIGI ROSSOLO. Er hing dem Futurismus an. Im März 1913 wurde sein Manifest "Die Geräuschkunst" veröffentlicht. Dieses hatte konzeptionell einen bedeutenden Einfluss auf die musikalische Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Darin wird nicht der Ton, sondern das Geräusch in den Mittelpunkt gerückt. Im Manifest heißt es, dass jede Äußerung unseres Lebens von Geräuschen begleitet wird, es, das Geräusch also unserem Ohr sehr vertraut ist, viel vertrauter als etwa ein künstlich produzierter Ton aus einem eben solchen Instrument. Ein Geräusch hat also das Vermögen, die Hörenden unmittelbar in das Leben zu versetzen.

Diese Idee wurde von der Russischen Avantgarde aufgenommen. Doch der Russische unterschied sich in einem Punkt grundlegend vom Italienischen Futurismus. Die Russischen Futuristen propagierten nämlich eine befreiende gesellschaftliche Veränderung mit ihrer Kunst und unterstützten die sozialistische Oktoberrevolution, wohingegen in Italien der Faschismus das Gesellschaftssystem war, dem diese Kunstrichtung anhing. Um das Jahr 1920 löste sich der Futurismus in der Sowjetunion auf. Die Anhänger der Bewegung schlossen sich mit anderen avantgardistischen Künstlern in der Linken Front der Künste (LEF) zusammen. Einer der radikalsten Vertreter war ARSENY AVRAAMOV

ARSENY MIKHAILOVICH AVRAAMOV (April 1886 - Mai 1944) schrieb die "Simfonija Gudkow", die auch als "Symphonie der Fabriksirenen" oder "Hupensymphonie" bekannt ist. Anlass für Komposition und Aufführung war der Geburtstag der Russischen Oktoberrevolution. (Es sei hier, um Verwirrungen zu vermeiden, erwähnt, dass die Nennung des Oktobers auf den Julianischen Kalender zurückzuführen ist. Nach Gregorianischem Kalender begann die Revolution im November.) Die Uraufführung fand an zwei Orten statt, in Moskau am 7. November 1923 und exakt ein Jahr davor in Baku - also zum fünften Jahrestag der Revolution. Fester Bestandteil in Baku waren die Nebelhörner der sich im Kaspischen Meer befindlichen Schiffe.

Später schließt sich mit JOHN CAGE der Kreis. Er formulierte auf die Ausführungen von RUSSOLO fußend erstmalig, dass es einen graduellen Übergang von Tönen zu Klängen zu Geräuschen gibt. Und damit erweiterte er - auch wenn es damit noch immer nicht den ersehnten, radikalen Bruch gab - zumindest den Begriff von Musik. CAGE war der Überzeugung, dass sich natürliche oder auch unbewusst hervorgerufene Klänge nicht von denen unterscheiden, die von herkömmlichen Instrumenten hervorgerufen werden. Somit kann dann so ziemlich alles Musik sein - mit der Einschränkung, dass seine Vorstellung von Musik noch immer innerhalb des musikalischen Systems gedacht wurde. Soweit zum Hintergrund.

"Fog Horns" von FELIX BLUME setzt nun 33 Minuten lang ausschließlich Nebelhörner in Szene. Auf Seite A hören wir eine 18minütige Collage aus eben solchen Hörnern. Das gesamte Tonmaterial wurde im Hafengebiet von Piräus, Athen, aufgenommen. Das Resultat hört sich dann so wie eine Live-Aufnahme an. Es werden viele große Hörner, von eben solchen großen Schiffen, in ein Gemenge verdichtet, das wie eine Symphonie wirkt, ein lang anhaltender Drone - unterbrochen nur von der Pause bis zum neuerlichen Ansetzen des jeweiligen Nebelhorngeräuschs. Die einzelnen Hörner sind hier die Instrumente. Und diese improvisieren über einem komplexen musikalischen Muster.
Auf der Seite B wird das aufgenommene Material quasi geremixt. Es ist aus drei Teilen zusammengesetzt, die wie ein Stück wirken, welches sich ob der Dehnungen und wegen des zum Teil verstärkt eingesetzten Halls jedoch scheinbar eher auf dunkleren Gewässern aufhält, beziehungsweise von dort aus auf uns zurückreflektiert. 

Ob BLUME nun den theoretisch historischen Hintergrund kennt, mag dahingestellt bleiben. Wichtig scheint hier lediglich, dass dieser Mann ein Faible für Geräusche und Feldaufnahmen hat. Gerade auch der Hang zum Geräusch kann sehr schön an seiner Diskografie abgelesen werden. Zur ersten Veröffentlichung "A Los Cuatro Vientos" stellt BLUME nämlich ein NOVALIS-Zitat ein. "Die Natur ist eine Äolsharfe, sie ist ein musikalisches Instrument, dessen Töne wieder Tasten höherer Saiten in uns sind." (aus: Novalis: Fragmente, Kapitel 5) Auch wenn das jetzt nicht unbedingt als musikalisches Programm gelten kann, weil es sich bei "Fog Horns" nicht um Geräusche aus der Natur handelt, sondern aus den industriell gefertigten Hörnern von Schiffen, so haben wir hier zumindest ein hörenswertes Dokument der (Post-)Avantgarde, die das Geräusch wie selbstverständlich neben Klang und Ton verwendet, ohne sich verpflichtet zu sehen, ausdrücklich an die Vergangenheit anzuschließen. Wenn es sich auch nicht um die Weiterführung der bereits durchdachten und umgesetzten Kompositionen und Theorien handelt, so ist doch festzuhalten, dass wir hier einen ästhetischen Monolithen aufrecht im Meer stehen sehen, der aus dem oberflächlichen und in Küstennähe seichten Wasser um einige Meter heraussticht.

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Homepage FELIX BLUME
» Labelseite
» LP-Excerpt auf Soundcloud


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Zusammenfassung
"Fog Horns" von FELIX BLUME setzt 33 Minuten lang ausschließlich Nebelhörner in Szene. Die sind hier die Instrumente. Und diese improvisieren über einem komplexen musikalischen Muster. Ein hörenswertes Dokument der (Post-)Avantgarde.

Inhalt
A1. Fog Horns (18:04)
B1. Horns in Fog pt1 (4:51)
B2. Horns in Fog pt2 (4:33)
B3. Horns in Fog pt3 (5:44)
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