Der seit 2006 aktive, doch namentlich erst mit diesem Album als er selbst in die Öffentlichkeit tretende DAVID CHALMIN, der sowohl Komponist, Produzent, Toningenieur als auch Musiker in einer Person ist, kann bisher auf zahlreiche Kollaborationen mit sehr namhaften Musikern wie RUFUS WAINWRIGHT, THE NATIONAL oder THOM YORKE zurückblicken. Generell allerdings arbeitet er wohl häufiger mit großen Orchestern. Denn gerade als Komponist machte er sich auf dem Gebiet der modernen Klassik einen Namen. Auf dem Gebiet der Produktion hingegen entwirft er den Klangraum für zum Teil als Superstars bekannte Musiker, die dem großen Popbusiness zuzurechnen sind. Eben wegen dieser vielen Projekte ist "La Terre Invisible" dann auch als das Debüt von DAVID CHALMIN zu verstehen.
Da ist also wieder mal ein Produzent, der sich aus dem Schatten ins Licht wagt, in den Gefilden der Selbstverantwortlichkeit unterwegs, geht es mir da gleich durch den Kopf. Aber tut das CHALMIN mit den sechs Stücken, die der elektronischen Instrumentalmusik zuzuschlagen sein dürften? Text kommt darin erst einmal nicht vor. Stattdessen elektronische Rhythmik und synthetische Flächen: und ein Glockenspiel. Doch dazu später.
Stilistisch werden hier so ziemlich alle Genres vermischt, die zwischen Ambient und IDM zu finden sind. Streckenweise ragt das Ganze sogar bis in den Industrial hinein. Größenteils jedoch bleibt die Musik innerhalb des Bekannten. In diesem ist das Besondere dann auch eher die Mischung - was nicht wirklich verwundert, scheint doch das Kontingent des Neuen verbraucht.
Allgemein bauen sich nun auf "La Terre Invisible" die Stücke langsam, fast schon behutsam auf. Nach und nach entwickeln sie sich. CHALMIN lässt sich da Zeit. Wir hören hier also nicht den vollen Einsatz ab der ersten Sekunde, der mittlerweile zum Geschäft gehört, sondern das klassische Verfahren des Aufbaus von Musik. Eine Schicht wird über die schon vorhandene gelegt und so weiter.
Allerdings wird das ruhig Fließende nur am Rande behandelt. Ebenso wie alles andere auch. Ob es die Anleihen aus dem Industrial oder aus dem Dance, der Klassik oder eben aus dem Ambient sind, CALMIN streift sie nur. Man könnte meinen, dass hier jemand mehr oder weniger eklektisch arbeitet. Man nehme also alles Mögliche aus den verschiedensten Genres und mische es gekonnt zusammen. Das wirkt dann insgesamt so, als ob sich hier jemand nicht entscheiden konnte. Doch wie bei den meisten Musikern wurde sich selbstverständlich etwas dabei gedacht. Das erschließt sich mir allerdings nicht vollständig.
Zunächst haben wir da einen Reichtum an Glockenspielvariationen. Der erste Teil davon ist dann auch schon auf "A l'Aube" (01) zu hören, dann auf "Matière Noir" (03) und schließlich noch auf "Images Nocturnes" (04). Möglicherweise ist das ein verbindendes Element. Auch der Einsatz eines Pianos auf dem ersten und dem letzten Stück lässt einen gewissen Gestaltungswillen spüren. Zumindest scheint hier ein Rahmen aufgebaut worden zu sein, innerhalb dessen sich dann mit "Les Ames Perdues" (02) und "Matière Noir" (03) zwei Dancetracks tummeln und daran anhängend mit "Images Nocturnes" (04) noch ein pulsender Abschluss dieses Blocks angehängt wurde. An diesen schließt sich dann "Vertige" (05) an. Mit fast zehn Minuten der längste und wohl eindrucksvollste Titel des Albums, der von seinen Sounds her in den schon erwähnten Industrial abwandert, allerdings noch immer tanzbar bleibt. Darauf wurde offensichtlich Wert gelegt. Neben diesem gäbe es da mit "Matière Noir" (03) noch ein weiteres Stück, das sich durch eine Anleihe in das geneigte und wissende Ohr bohren dürfte. Denn hier wird ab der Hälfte etwas eingestreut, das schwer an THROBBING GRISTLE erinnert, ohne jedoch zu kopieren. Gemeint ist "Hot On The Heels Of Love" von TG. Dort wurde allerdings mit einem Synthesizer gearbeitet. Wohingegen CHALMIN abermals sein Glockenspiel einbaut.
Unterm Strich ein wegen des langsamen Aufbaus noch klassisch, beinah konventionell strukturiertes, kurzweiliges Album, das neben seiner sanft fließenden, tranceartigen Stücke auch kratzig und in starken Momenten durchaus mitreißend sein kann. Allerdings - und das will mir nicht so recht gefallen - will es eben genau das. Es ist etwas gefällig und recht konstruiert. Ohne Aussetzer und gut durchzuhören ist es dennoch allemal.
awk für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Seite von DAVID CHALMIN » Labelseite
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Zusammenfassung
Unterm Strich ein kurzweiliges Album. Allerdings - und das will mir nicht so recht gefallen - will es eben genau das. Es ist etwas gefällig und recht konstruiert. Ohne Aussetzer und gut durchzuhören ist es dennoch allemal.
Inhalt
1. À L'Aube (4:38)
2. Les Ames Perdues (6:40) 3. Matière Noire (8:46) 4. Images Nocturnes (9:16) 5. Vertige (9:46) 6. Lumière Blanche (3:59) |