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Endsal

VISIONS: Temples

Grundsolider Delikatess-Dark-Ambient ohne Sperenzchen


VISIONS: Temples
Genre: Dark Ambient
Verlag: Cyclic Law
Vertrieb: Cyclic Law
Erscheinungsdatum:
17. Juli 2019
Medium: CD & Download
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VISIONS ist das zentrale musikalische Projekt von FRÉDÉRIC ARBOUR, seines Zeichens Gründer und Chef von CYCLIC LAW, jenes Labels, das sich seit seiner Gründung Ende der 1990er-Jahre mit gutem Grund zu einem der einflussreichsten im Dark-Ambient-Sektor gemausert hat. Aus persönlichen und strategischen Gründen ist ARBOUR 2015 von seiner kanadischen Heimatstadt Montreal nach Berlin gezogen, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich die stilistische Palette, die von CYCLIC LAW abgedeckt wird, seither mit Veröffentlichungen von Künstlern wie DØDSMASKIN, TREPANERINGSRITUALEN, NORDVARGR oder SUTEKH HEXEN noch beherzter von der Dark-Ambient-Orthodoxie der Anfangstage emanzipiert hat, ohne dabei ihrem programmatischen Wesenskern untreu zu werden, denn eine, im weiteren Sinne, spirituelle und in Teilen rituelle Dimension ist bis heute allen Veröffentlichungen des Labels gemeinsam, wenn diese im konkreten Einzelfall auch durchaus unterschiedlich zum Ausdruck kommen mag. Mit VISIONS präsentiert ARBOUR allerdings Dark Ambient reinsten Wassers, und das, um es mal mit Understatement zu formulieren, in einer überaus entspannten Taktung: 2005 erschien mit "Lapse" das erste, 2010 mit "Summoning The Void" das zweite, und nun, neun Jahre später, wird mit "Temples" – in der labeleigenen Katalogzählung der "119th Cycle" – glücklich das dritte Vollzeitalbum auf das interessierte Publikum losgelassen (sieht man von der enthusiastisch aufgenommenen Kollaboration "Monad" mit PHURPA von 2018 einmal ab).

VISIONS, März 2015 (c) sebastienroy.ca

Und "Temples" klingt, wie man das erwarten kann, wenn sich ein Musiker an Knöpfchen und Regler setzt, der seit über zwanzig Jahren das Who-is-who der einschlägigen Szene betreut und sein Handwerk insofern von der Pike auf gelernt hat, will heißen: ein grundsolideres Dark-Ambient-Album ist kaum denkbar, denn sämtliche dafür notwendigen Ingredienzen kommen zum Einsatz – es finden sich entspannt flutende Soundteppiche und tiefgelegte Drones ebenso wie dissonante, harsche Einschübe, sparsam dosierte Field Recordings und Samples sowie subtil konstruierte Harmoniebögen und durchwegs bemerkenswert komplexe Soundstrukturen. Was sich nicht findet, sind a) Vocals und b) Rhythmen – und das ist auch gut so. Das neue VISIONS-Opus reduziert sich also mitnichten auf irgendwelches ziellos-redundante Herumgebrumme und -gedröhne, sondern nähert sich im Rahmen seiner Möglichkeiten tatsächlich so etwas wie Songstrukturen an, soweit davon innerhalb des Genres sinnvollerweise gesprochen werden kann. Dies hebt auch der Promotext nachdrücklich hervor, wenn er von "more grounded and melody based pieces that on his previous releases, which were more out worldly and exploring sonic expanse", spricht. Dass der Mann sich für die Entwicklung seiner musikalischen Emissionen alle Zeit der Welt nimmt, dürfte angesichts der sieben, überaus detailreich gestalteten, sorgfältig konzipierten und perfekt abgeschmeckten Tracks, die "Temples" umfasst, jedenfalls selbst für jemanden nachvollziehbar sein, der nur oberflächlich mit den spezifischen Eigenheiten des Genres vertraut ist.



Das, was den Segen des Albums ausmacht, bedingt in gewisser Weise aber auch seinen Fluch, oder, nun ja, sagen wir mal: sein Flüchlein, denn "Temples" ist zwar in der Tat grundsolide und verlässlich, dabei als einziges Wermutströpflein aber auch wenig innovativ oder gar originell: ARBOUR arbeitet mit bewährten, innerhalb des Genres konventionellen, Stilmitteln und generiert damit zuverlässig ein Maximum an Atmosphäre, ohne indes zu überraschen. Zwar vermag jedes einzelne Stück zu überzeugen, ungeachtet aller zu Gehör gebrachter Perfektion hat man jedoch an keiner Stelle den Eindruck, dergleichen Soundscapes zum ersten Mal zu lauschen – dies ist denn auch der entscheidende Grund, warum auf eine Stück-für-Stück-Besprechung an dieser Stelle verzichtet werden soll: "Temples" ist Dark Ambient in einem durchaus konventionellen und dennoch – oder vielleicht insofern gerade deswegen, als auch ein begnadeter Koch insbesondere aus vertrauten Zutaten ein köstliches Mahl zu zaubern vermag  – erfreulichen Sinne, dessen verbale En-detail-Beschreibung jedoch Leser wie Schreiberling gleichermaßen schnell langweilen dürfte. Ich möchte mich deshalb lediglich darauf beschränken, den Opener "Traces" und das Titelstück selbst als Anspieltipps zu empfehlen.


Hinsichtlich der optischen und haptischen Anmutungen von "Temples" kann bedauerlicherweise kein verlässliches Zeugnis abgegeben werden, da man als Rezensent in Zeiten der Digitalisierung mittlerweile fast durchgängig mit Downloads vorlieb nehmen muss. Was also die Eckdaten des physischen Tonträgers betrifft, so möge man sich mit der ausgesprochen nüchternen, labelseitigen Beschreibung begnügen: "Edition of 500 copies on 4 panel Digisleeve. Matt Lamination. 7 Tracks. Running Time 45:48". In diesem Sinne: Wer grundsoliden Dark Ambient ohne irgendwelche überflüssigen Mätzchen zu schätzen weiß, der liegt hier goldrichtig.


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» VISIONS @ bandcamp
» VISIONS @ facebook
» VISIONS @ SoundCloud
» VISIONS @ discogs
» CYCLIC LAW-Homepage
» CYCLIC LAW @ bandcamp
» CYCLIc LAW @ Soundcloud
» CYCLIC LAW @ facebook


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Zusammenfassung
Mit dem dritten VISIONS-Album innerhalb von 15 Jahren legt CYCLIC-LAW-Labelchef ARBOUR ein grundsolides, perfekt abgeschmecktes Dark-Ambient-Album vor, das zwar nicht zu überraschen, durchaus jedoch zu überzeugen vermag. Für Genre-Veteranen und Einsteiger gleichermaßen geeignet!

Inhalt
01: Traces (7:06)
02: Murmur (6:46)
03: Lamentation (6:45)
04: Ultima (5:22)
05: Temples (6:34)
06: Aura (6:03)
07: Continuum (7:00)

CD in 4-Panel Digisleeve, limitiert auf 500 Exemplare
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