Nach der unlängst an nonpop/index.php?mkey=ANEMONE-TUBE-JARL-amp-MONOCUBE&type=review&area=1&p=articles&id=3292">dieser Stelle besprochenen Kollaboration von ANEMONE TUBE, JARL und MONOCUBE zu Pieter Bruegels Jahreszeiten-Zyklus stammt die zweite aktuelle Neuerscheinung des Berliner THE EPICUREAN-Labels von dem, bislang weitgehend unbekannten und, geht man von der Timeline der Homepage aus, seit Ende 2011 aktiven, litauischen Projekt SKELDOS, dessen Musik nach diversen Liveauftritten in heimischen Gefilden erstmals im April 2014 mit dem, im Cassetten- und File-Format erschienenen, Debütalbum "Įspaudai" einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Seitdem erschienen insgesamt drei, weitgehend in Eigenregie aufgelegte, Alben, bevor man nun mit "Ilges – Caretakers Of Yearning" eine Remastered Version des (sieht man vom englischen Untertitel ab) gleichnamigen dritten Albums von 2018 vorlegt, zusätzlich angereichert durch einen eigens für die THE EPICUREAN-Neuauflage eingespielten Bonustrack.
Als musikalisches Ausgangsmaterial für die drei auf der CD versammelten und jeweils eine Laufzeit von um & bei einer Viertelstunde einnehmenden Stücke hat VYTENIS EITMINAVIČIUS, der kreative Kopf hinter SKELDOS, laut Promotext ausschließlich akustische Instrumente wie Litauische Zither, Akkordeon, Gitarre oder Violine verwendet und daraus einen ausgesprochen stimmungsvoll-melancholischen, dronigen Dark-Ambient-Sound mit dezidierter Neo-/Dark-Folk-Affinität gezaubert, der in seinen besten Momenten Assoziationen an RUHR HUNTER, YRSEL oder KAMMARHEIT sowie insbesondere die organischen Soundschleifen von TROUM weckt. Was den philosophischen, spirituellen und/oder kulturellen Hintergrund des Projektes betrifft, so schweigt man sich künstlerseitig weitestgehend aus und auch im Netz findet sich wenig bis gar nichts, das in dieser Hinsicht näheren Aufschluss liefern würde; das einzige Interview, das auszumachen war, wurde mit dem litauischen Ore-Webzine geführt und ist bedauerlicherweise ausschließlich in der Landessprache verfügbar. Es bleibt angesichts dieses durchaus charmanten Gegenentwurfs zu programmatischer Überfrachtung also gar nichts anderes übrig, als sich bei der Besprechung von "Ilges - Caretakers Of Yearning" innerhalb der klar umrissenen Grenzen strikter Werkimmanenz zu bewegen, was gewiss nicht das Schlechteste ist. Inspiriert wurden die drei, zwischen 2015 und 2018 entstandenen, Kompositionen durch die Dichtungen des, hierzulande ebenfalls weitgehend unbekannten, litauischen Schriftstellers Antanas Škėma sowie die kontextuelle Verknüpfung mit existenziellen Eindrücken, die EITMINAVIČIUS u. a. während einer Reise durch Südostasien sammelte; so ist die enge Verschränkung von Hoffnung und Verzweiflung angesichts der stetigen Allgegenwart des Todes eines der zentralen Themen, um die das Album kreist.
Der Einstiegstrack "Melas – A Lie" ist ein reines Instrumentalstück, das lediglich von einem kurzen, auf der Innenseite des CD-Schubers in Litauisch und Englisch abgedruckten, Textes von Škėma aus dem Jahre 1960 flankiert wird, der die ewige Hoffnung auf eine existenzielle Erfüllung jenseits der leeren Muster und wiederkehrenden Routinen des Lebens thematisiert; dass das Ergebnis dieser Betrachtung eher pessimistisch ausfällt, deutet der Titel bereits an und nimmt insofern, als man Škėma den "litauischen Camus" genannt hat, wenig wunder. In musikalischer Hinsicht bekommt es der Hörer mit einem, in langsamen Wellen sich ausbreitenden, hypnotisch-dronigen Stück zu tun, dessen Basis langgezogene Akkordeonsounds bilden, die von klagenden, verfremdeten Violinen- und Flötentönen durchzogen werden, hin und wieder unterlegt vom dezent an- und abschwellenden Klang eines Beckens, und das eine gleichermaßen schwermütige wie tief kontemplative Wirkung entfaltet. Der daran anschließende Titeltrack ist hinsichtlich seiner Grundstruktur ganz ähnlich aufgebaut: langsam sich entfaltend, organisch, warm und dabei dennoch von einer tiefen, tiefen Melancholie durchzogen, welche durch die verhaltenen, den litauischen, nun auf EITMINAVIČIUS selbst zurückgehenden, Text streckenweise fast flüsternd rezitierenden Vocals noch betont wird. Indes verfügt "Ilges – Caretakers Of Yearning" über eine vehement sich steigernde, dramatische Entwicklungsstaffelung und, insbesondere im letzten Drittel, über entschieden mehr Pathos als der Opener, ohne dabei jedoch in Gefühlsduselei oder gar Kitsch abzugleiten. "Blunkantys Sodai – Fading Gardens" schließlich heißt der, auf der 2018er-Version noch nicht enthaltene, Abschlusstrack, der laut labelseitiger Info "like a summary of the previous, even more mournful and bleak" fungiert. Dem ersten Teil dieser Charakterisierung sei ohne Wenn und Aber beigepflichtet, dem zweiten hingegen tendenziell widersprochen: das letzte Stück entfaltet sich zwar in der Tat ähnlich bedächtig langsam und organisch wie das erste und weist die beinahe flüsternden, schwermütigen Vocals des zweiten auf, erreicht jedoch nicht ansatzweise dessen düstere Dramatik und expressives Pathos, sondern verbleibt konsequent im kontemplativen Duktus und entlässt den Hörer schließlich ebenso tiefenentspannt wie ergriffen nach einem rundum stimmigen Finale.
Wie schon "The Hunters In The Snow", so wird auch "Ilges – Caretakers Of Yearning" in zwei Versionen angeboten: Die Standard-Edition ist auf 175 Stück limitiert und kommt in einer ebenso schlicht wie luxuriös wirkenden, dezent bedruckten und in Schwarz-Weiß gehaltenen 6-Panel-Karton-Verpackung daher, die 25 Exemplare der Special Edition umfassen zusätzlich noch "prayer flags, incense, refuge ribbon and certificate on joss paper for donation to Nepalese school for children". Denn, sympathische Notiz am Rande: 3 Euro vom Erlös gehen direkt an "Bridge of Friendship e.V.", einen deutschen Verein, der damit ein englisch-tibetisches Schulprojekt für Mädchen und Jungen aus einkommensschwachen Familien der Himalaya-Region unterstützt, um diesen grundlegende Bildung sowie die Wahrung und Vertiefung ihrer buddhistischen Kultur zu ermöglichen. – Fazit: Ein rundum empfehlenswertes Werk, das obendrein einen guten Zweck unterstützt, für jeden, der ein Faible für organischen Dark Ambient mit melancholischer Tiefe und/oder introvertierten Neofolk mit ausgeprägt kontemplativem Duktus hat: Deep Listening the natural way.
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Zusammenfassung
Ausgesprochen atmosphärisches Dark-Ambient-Album eines bislang relativ unbekannten litauischen Projektes, das akustisch erzeugte, organisch sich entwickelnde Soundteppiche mit sanfter, dem Neofolk verwandter Melancholie verbindet und bei aller Entspanntheit immer packend bleibt.
Inhalt
01: Melas - A Lie (16:44)
02: Ilges - Caretakers Of Yearning (16:42)
03: Blunkantys Sodai - Fading Gardens (11:09)
CD in 6-Panel-Karton-Verpackung; Standard-Edition limitiert auf 175, Special Edition limitiert auf 25 Exemplare.