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VARIOUS: Notes From The Underground

Experimental Sounds Behind The Iron Curtain, 1968–1989


VARIOUS: Notes From The Underground
Genre: Avantgarde
Verlag: major label
Medium: Vinyl-LP + Download
Preis: ~23,00 €
Kaufen bei: Labelshop


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Die Kunst in repressiven Systemen ist oft facettenreich und vielschichtig. Nur leider bekommt man das nicht mit - zumindest, wenn man es mit Kunst zu tun hat, die nicht den gängigen Bildern des Selbstverständnisses solcher Systeme entspricht. Eine derartige Kunst ist ungewollt und gilt im besten Fall als subversiv. Diese Leute lässt der Staat nicht gewähren. Im Gegenteil, wegen eben subversiven Verhaltens saßen damalig tätige Künstler oft ein, wurden abgeschoben oder verboten. Es gab da aber auch immer künstlerische Aushängeschilder, die die Möglichkeit bekamen, ins  Ausland zu reisen. Diese Personen oder Gruppen ließ man gewähren. Sie kamen schließlich wieder zurück. Und das aus dem einfachen Grund, weil es ihnen zuhause an nichts fehlte.
Anders verhielt es sich mit Künstlern, die Probleme ansprachen oder Formen verwendeten, die von den Vorgaben abwichen. Diesen fehlte es nicht nur an Mitteln, sondern auch an der Möglichkeit, ihre Kunst öffentlich zu zeigen. Deshalb verlegten sie sich darauf, im Verborgenen ihre Kunst zu betreiben. In Hinterhöfen, Kellern oder Abrisshäusern, die zur gleichen Zeit oft Proberäume waren, in Galerien oder in Wohnungen von Unterstützern erklang diese Musik ... Wenn der Druck von außen sehr stark ist, rücken jene, die etwas anderes als dieses Draußen wollen, zusammen.
Der Titel dieser Veröffentlichung ist dann also gut gewählt. Denn die hier versammelten Musiker und Bands befanden sich allesamt im Untergrund beziehungsweise hinter einem, dem Eisernen Vorhang. Nun jedoch treten sie ein kleines Stück nach vorne in die Öffentlichkeit. 

Auch wenn es sie in dieser Form heut nicht mehr gibt und sie aufgrund der Verschlossenheit des jeweiligen Staates, in dem sie lebten, miteinander nie zu schaffen hatten, verband sie etwas. Und das war der Wunsch nach Öffnung und Erneuerung - auch wenn man nicht unbedingt ein politisches Ziel mit der Musik verfolgte, sondern sich nur frei ausprobieren wollte ...
Die aktive Zeit der hier Versammelten lag in den 1970er- und 80er-Jahren. Ausgewählt wurden Bands aus der damaligen Sowjetunion, Ungarn, der Tschechoslowakei, Jugoslawien, Polen und der DDR. Allesamt aus dem sogenannten Ostblock. Allesamt vom Rest der Welt mehr oder weniger abgeschnitten. Bands, denen man der Einfachheit halber Subjektivismus, Individualismus oder Formalismus vorwarf - alles Todsünden der damals herrschenden Auffassung von Kommunismus. Doch wie anders klingt das heute.

Einiges hört sich im Nachhinein nach schlichter Rockmusik an, die wegen fehlender Technik und fehlendem Können zugegebenermaßen recht schräg klingt, aber nur wegen ihres Kontextes interessant zu nennen ist. Anderes wiederum war trotz oder gerade wegen dieses Fehlens auf der Höhe der Zeit. Nehmen wir nur die Vokalkünstlerin KATALIN LADIK, die von der Folklore der jugoslawischen Provinz Vojvodina beeinflusst so klingt, als wäre sie die Lehrerin von DIAMANDA GALAS. Oder die AG GEIGE, die nicht nur über die seltsame, nach Computerspiel klingende Musik, sondern grad auch über die skurrilen Texte unvergleichlich war - die den angeblich besseren, sozialistischen, vom Kapital befreiten Menschen einen Spiegel vorhielt und damit das provinziell Spießige aufdeckte, das ebenso in diesen wie in anderen außerhalb verwurzelt war. Oder deren Quasiverwandte NSRD aus der ehemaligen Sowjetunion, dem heutigen Lettland. Oder die polnische Künstlergruppe ZIEMIA MINDEL WÜRM, die Videoinstallationen und Sounds produzierte, die rituell und zur damaligen Zeit sicher verstörend anmuten mussten ... Das und noch viel mehr gibt es auf dieser recht umfangreichen Veröffentlichung, die von DANIEL MUZYCZUK, DAVID CROWLEY und ALEXANDER PEHLEMANN zusammengestellt wurde. Letzterer war übrigens Mitherausgeber des Buchs "Spannung. Leistung. Widerstand. Magnetbanduntergrund der DDR 1979-1989", das sich insbesondere den künstlerischen beziehungsweise musikalischen Aktivitäten der ehemaligen DDR widmet. 

Unterm Strich ein Album für alle, die sich den Wurzeln heutiger abseitig musikalischer Auswüchse widmen wollen - für Geschichtsbewusste oder einfach nur für Freundinnen und Freunde sehr interessanter und zum Teil noch immer höchst aktueller Musik.

 
awk für nonpop.de


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Zusammenfassung
Ein Album für alle, die sich den Wurzeln heutiger abseitig musikalischer Auswüchse widmen wollen - für Geschichtsbewusste oder einfach nur für Freundinnen und Freunde sehr interessanter und zum Teil noch immer höchst aktueller Musik.

Inhalt
A01 – Tibor Szemzö – ”Skullbase Fractures”
A02 – Zwitschermaschine – ”Geh Über Die Grenze”
A03 – Der Demokratische Konsum – ”Krebs Ohne Stuhl”
A04 – Vágtázó Halottkémek – ”Másféle Táj”
A05 – Vladimir Tarasov – ”Atto III «Drumtheatre» (Excerpt)”
B01 – New Composers – ”One Minute To Start”
B02 – AG Geige – ”Elektrische Banane”
B03 – Borghesia – ”Divlja”
B04 – A. E. Bizottság – ”Pek-Pek”
B05 – Ziemia Mindel Würm – ”Untitled”
C01 – NSRD – ”Ost West”
C02 – New Composers – ”Max-Industry”
C03 – DG 307 – ”Co Sme?”
C04 – Praffdata – ”Live In Remont, Warsaw”
C05 – Aktual – ”Atentát Na Kulturu”
D01 – Katalin Ladik – ”Oplakivanje”
D02 – Kilhets – ”Kilhets”
D03 – Pffft...! – ”Live At Intermedia I (Zonic Edit)”
D04 – Vágtázó Halottkémek – ”Live in Petőfi Csarnok”
D05 – Andrzej Mitan, Włodzimierz Borowski, Cezary Staniszewski, Tomasz Wilmanski – ”Ptaki”
D06 – Ornament & Verbrechen – ”Der Lächelnde Chinese”
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