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Endsal

DISTEL: Wapens

Schmissiger Minimal-Cold-Wave mit maximaler Grandezza


DISTEL: Wapens
Genre: Cold Wave
Verlag: Ant-Zen
Vertrieb: Ant-Zen
Erscheinungsdatum:
31. Oktober 2018
Medium: CD / LP / DL
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: Ant-Zen...


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Einleitend sei angemerkt, dass der Rezensent bislang nur sehr entfernt von DISTEL Notiz genommen hatte – dies aus dem simplen Grunde, dass er mit dem überwiegenden Großteil dessen, was sich gemeinhin so im Cold-, Dark- oder Sonstwie-Wave-Sektor tummelt, ziemlich wenig am Hut hat. Randläufige Interessesanwandlungen, primär ausgelöst durch einige Veröffentlichung auf THOMAS MARTIN EKELUNDs BELÄTEN-Label, verdampften bis dato ebenso hurtig wie ergebnislos, und so kam es, dass er dem vorliegenden Album "Wapens", welches ihm aus einer, jüngst in seinem Briefkasten vorgefundenen Promosendung von ANT-ZEN entgegenpurzelte, eher mit gedämpfter Vorfreude begegnete – schreibt man letztlich doch allemal lieber begeisterte Elogen über musikalische Juwelen als hämische Verrisse über mutmaßlich mediokren Krempel, mit dem man im Grunde nichts anzufangen weiß.



DISTEL: "Wapens"-Logo

Doch es kam alles ganz anders: Kaum war die CD eingelegt und wenige einleitende Momente leichten Fremdelns angesichts anfänglicher Unklarheit, wo genau die Reise denn nun wohl hingehen möge, flugs überwunden, schraubte sich die Begeisterung ob des Gehörten ebenso unerwartet wie unablässig immer neuen, immer schwindelerregenderen Gipfelzügen entgegen – und gewann von Durchlauf zu Durchlauf kontinuierlich an Umfang. Schlussendlich rotierte das Ding den kompletten Rest des Abends in Dauerschleife und kommt seitdem nicht mehr zur Ruhe. Am enthusiasmierendsten wirken ja oftmals gerade diejenigen Werke, denen wir ohne weitere Erwartungen gegenübertreten, weil in diesen Fällen die Rezeptivität nicht durch kleinliche, selbstgestrickte Strukturvorgaben verbaut ist, sondern einfach weit offen steht: und durch die dergestalt sperrangelweit geöffneten Pforten der Rezensenten-Wahrnehmung galoppierte DISTELs "Wapens" nun ein wie anno dunnemals die Hunnen in Rom und hinterließ nichts als überschäumende Euphorie, die bis zum heutigen Tage noch nicht mal ansatzweise abgeebbt ist.



Doch werden wir sachlich. "Wapens" ist das dritte Vollzeit-Album des niederländischen Projektes, das stilistisch bislang mit einiger Berechtigung im Angst-Pop-Genre (es existiert auch noch die Selbstzuschreibung "Ultra", was auch immer genau das bedeuten soll) GALAKTORRHOE'scher Prägung verortet werden konnte, ohne dort indes – und man möchte angesichts der ohrenfälligen Affinität ergänzen: unbegreiflicherweise – jemals unter Vertrag gestanden zu haben. Und bestach DISTELs Musik bislang auch durch eben jenen Minimalismus, jene entsprechend unterkühlte Atmosphäre und betonte Furztrockenheit, die für das fragliche Genre so charakteristisch ist, so öffnet sich "Wapens" nunmehr beherzt neuen Horizonten, die eher unter die Kategorien Cold Wave und, ja, auch wenn sich dem einen oder anderen Leser nun die Nackenhaare in vorauseilendem Gruseln aufstellen mögen: Dark Wave subsumieren lassen, welch letzteres primär dem, im Vergleich zum bisherigen Band-Output deutlich emotionaler tönenden Gesang geschuldet ist. Auf "Wapens" fackeln ÆTER und SCRAMASAX, so die Pseudonyme der beiden ausführenden Musikanten, jedenfalls ein wahres Feuerwerk an Abwechslungsreichtum und stilistischer Vielfalt ab, und spannen einen weiten Bogen von vereinzelten, schrägen bis verhalten experimentellen Elektroniknummern über, den Erwartungen der Stammhörerschaft zuverlässig Rechnung tragende, unterkühlte Angst-Pop-Stücke, bollerige Straight-Forward-Tracks, die streckenweise gar mit –  sic! – Industrial Metal kokettieren, bis hin zu ekstatischen, mit einem schmackhaften Vintage-Aroma angereicherten, Cold Wave-Hymnen, die den Autor mehr als einmal an Vergleichbares von des ollen WES EISOLDs Truppe denken ließen.



DISTEL

Der von ANT-ZEN veröffentlichte Infotext steckt den Bedeutungsrahmen des titelgebenden holländischen Wortes "Wapens" mit Übersetzungen wie "Waffen", "Familienwappen" und entsprechenden Verb-Ableitungen wie "sich wappnen", "sich rüsten" ab, und beschreibt den thematischen Kern des Albums als Quasi-Invokation eines "state of being wherein the self becomes an existential monolith", eine Rückbesinnung des Selbst "first and foremost to only its own individual being instead of the networks of meaning that we tend to define ourselves by". Kurzum: Hier geht's um Identität, um Authentizität, um das – man entschuldige das Pathos in der Wortwahl – Wurzeln bzw. Wurzel-Fassen des Einzelnen in seinem ureigensten Seelengrund; ein Thema also, das in Zeiten allgemeiner, fröhlicher "Vernetzung", immer unverblümteren "Influencings", "Nudgings" und welch hübscher euphemistischer Mäntelchen sich das allenthalben boomende Manipulationstreiben sonst noch so bedienen mag, kaum brandaktueller sein könnte.




So entspricht es denn auch der dezidierten Intention DISTELs, auf dem vorliegenden Album einen "more direct, massive and monolithic sound than before" zu etablieren: "to channel most energy through an insistent impulse whithin the rhythmic and melodic movement [...] and make every other embellishment secondary", dabei aber dennoch "more colour, truth and openness" zu zelebrieren. Diese, wenn auch leicht befremdlich-verschwurbelt umschriebene, Gratwanderung ist hervorragend gelungen und offenbart sich in absoluter Formvollendung insbesondere in Gestalt der beiden Höhepunkte des Albums, dem hochkonzentrierten "Anima", das mit reduzierter Schmissigkeit und kontemplativer Gemessenheit gleichermaßen aufwartet, sowie dem unmittelbar anschließenden "Ultra", einer Cold-Wave-Hymne reinsten Wassers, deren ekstatischer "Run Freeeeee-heeeee"-80er-Refrain massive 80er-Jahre-Reminiszenzen weckt und spätestens bei Liveauftritten der Band für enthemmt-euphorische Verzückungstaumeleien im Publikum sorgen dürfte. Hier diffundiert der Sound schon mehr oder weniger enthemmt in den Pop-Bereich, ohne das jedoch nur ansatzweise abwertend zu meinen: schließlich machen auch DEPECHE MODE Pop, das jedoch, wenigstens in ihren Sternstunden, auf verflixt hohem Niveau – also! Nicht minder großartig, ja: beeindruckend kommen eher bedächtigere Elektro-Märsche wie "Majestik", "Adem" oder "Nachtland" daher – hier kann man den im Promotext markierten "overall synthesised modern classical mode", den DISTELs Musik auf "Wapens" immer wieder durchexerziert, nachgerade greifen. Offensiv drauflosgebollert wird selbstredend auch, und zwar mit dem bratzigen, insbesondere hinsichtlich der Vocals leicht metaleske Anmutungen weckenden, Titeltrack sowie dem extrem rhythmischen, da und dort gar Breakbeats auffahrenden "Maskers". Kurzum: es ist für jeden was dabei, und wenn so die "references to end times, apocalyptic visions, embodiment and authenticity towards death" à la DISTEL klingen, von denen die Labelinfo schwadroniert, dann möge die Apokalypse ganz fix mit Pauken und Trompeten kommen – ihr Soundtrack ist schlichtweg brillant!



Die CD wird, wie man's von ANT-ZEN gewohnt ist, in einem ebenso schlicht wie geschmackvoll gehaltenen, von Haus- & Hofdesigner SALT und NULLVOID aka THOMAS MARTIN EKELUND aka TREPANERINGSRITUALEN gestalteten 4-Panel-Digipack feilgeboten, und es gibt wirklich so überhaupt gar keine validen Argumente, die gegen einen umgehenden Erwerb sprächen. Wie gesagt: Selten hat den Verfasser dieser Zeilen eine Veröffentlichung dermaßen unverhofft und vollumfänglich direktemang aus dem Stand umgeblasen wie dieses Album. Vom Berliner Label AUFNAHME + WIEDERGABE wird überdies noch eine auf 500 Exemplare limitierte LP-Version feilgeboten. In diesem Sinne: Kaufet zuhauf! – DISTELs "Wapens" ist nicht mehr und nicht weniger als ein beispielloser Kracher und ganz klar einer der heißesten Anwärter auf einen Platz unter den Top-3-Alben des Jahres 2018.


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» DISTEL-Homepage
» DISTEL @ facebook
» DISTEL @ soundcloud
» DISTEL @ discogs
» ANT-ZEN-Homepage
» ANT-ZEN @ bandcamp
» ANT-ZEN @ facebook

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Zusammenfassung
Grandioses neues Album des niederländischen Minimal-/Angst-Pop-Duos, das mit hinreißend sattem Sound souverän die Genregrenzen in Richtung Cold Wave transzendiert und selbst vor poppigen Einsprängseln nicht haltmacht. Klarer Anwärter auf eines DER Alben des Jahres 2018!

Inhalt
01: Alpha (3:58)
02: Wapens (4:20)
03: Majestik (3:18)
04: Anima (4:17)
05: Ultra (3:55)
06: Creole (3:48)
07: Adem (4:22)
08: Nachtland (6:55)
09: Maskers (3:44)
10: Advent (5:28)

CD im 4-Panel-DigiPak; LP (inkl. DL-Code) lim. auf 500 Exemplare
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