Drone ist ein dehnbares und manchmal umstrittenes Genre. Mehr noch als andere Stilrichtungen lebt Drone-Musik von der subjektiven Wahrnehmung des Hörers. Ob ein "tiefer Begleitton" - nichts anderes bedeutet Drone ursprünglich - Emotionen auslöst, kann nur jeder für sich spüren, hier gibt es kaum objektive Kriterien. Ähnlich wie im Dark Ambient- oder Noise-Bereich hat man deshalb manchmal das Gefühl, der Markt würde geflutet, eben weil es so einfach ist, Musik als Drone, Noise oder ähnliches zu bezeichnen.
Seit 20 Jahren auch objektiv herausragend, jawohl, ist das deutsche Duo
TROUM. Die umfassende Diskografie, auch in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, ist gleichsam die wohl ausführlichste existierende Definition von Drone-Musik und deren Möglichkeiten. Als eine der jüngeren Veröffentlichungen sei an dieser Stelle noch einmal "Acouasme" von 2015 empfohlen (
Besprechung). Parallel betreibt mit STEFAN KNAPPE eine Hälfte von TROUM das Label
DRONE RECORDS, dessen diverse Serien Drones aus der ganzen Welt in allen Facetten abbilden. Über das Wesen der Drones haben wir mit STEFAN vor ein paar Jahren
ausführlich gesprochen. TROUM ist also in jeder Hinsicht Drone - und Drone ist TROUM.
Zum 20sten Geburtstag des Projektes, offiziell 1998 von STEFAN KNAPPE und MARTIN GITSCHEL gegründet, erscheint nun eine besondere Veröffentlichung, die mühelos jeden Zweifler überzeugen kann und TROUM-Drone-Fans sowieso restlos begeistern wird. Befreundete Musiker haben sich von TROUM-Originalmaterial inspirieren lassen, haben Stücke neu eingespielt, verändert, gemischt oder interpretiert. Im Laufe eines Jahres entstanden so 19 Tracks und mit "Troum Transformation Tapes" diese wunderbare
Compilation, schon rein formal ein Highlight: Doppel-CD, Frontcover im Reliefdruck, dickes Booklet mit zwei Essays und zahllose namhafte Gäste wie
INADE,
RAISON D'ÊTRE,
BAD SECTOR,
CISFINITUM oder
REUTOFF. Wirklich beeindruckend ist aber - natürlich - die Musik: ein Drone-Lexikon zum Hören!
"Typisch Drone" würde ich zum Opener von
ALLSEITS sagen (01), windig und wehend, leicht bedrohlich, als müsse man sich dagegen stemmen, hinein lehnen. Dröhnend und sägend schwillt das Stück immer stärker an.
CONTRASTATE liefern mit "The Silent Fish" (02) eine eher organische Definition, nach Bläsertönen setzt gefühlt ein ganzes Orchester ein, mächtig und sogar mit beschwörenden Vocals, bis hin zum noisigen Ende - eine irre Mischung aus vielen Bestandteilen. INADE (03) verschieben die berühmten, knirschenden und glänzenden Eisberge - majestätisch und mit choralem Ende. RAISON D'ÊTRE baut in "Ananke" (06) eines seiner unnachahmlich wohligen, weichen und melodiösen Drone-Schichtgebilde. Und unter Beteiligung von TROUM selbst entsteht gemeinsam mit
MARTYN BATES (08, "An Untitled Protest") auf Seite A sogar ein Stückchen Neofolk, mit Gitarren und Trommeln, intensiv.
Auf der zweiten CD folgen - neben vielen anderen Highlights - drei meiner Favoriten fast unmittelbar nacheinander. BAD SECTOR vermute ich bei Aufnahmen immer in einem geheimen, unterirdischen Tank, und so klingt auch "Signedumiroir" (06) quietschend und knirschend, aber dennoch melodisch. "Skaun[ei]s" von CISFINITUM (08) malt eine weiche und enorm weite, melancholische Landschaft, mit Streichertupfern. REUTOFF setzen dort ein paar Schornsteine hinein (09, "Hypoxia") und tuckern rhythmisch, geheimnisvoll und unnachahmlich industriell.
Hier wird alles auf den Tisch gelegt, was Drone und Artverwandtes zu einem tollen Genre machen kann. Einfallsreichtum und Intensität münden in 19 Songs, die mäandern, träumen, ticken, gleißen, beschwören.... typisch dronig eben. Auf der Basis von TROUM-Material ist mit dieser Doppel-CD eine überaus relevante Veröffentlichung erschienen, die am Ende des Jahres in alle noch zu schreibenden Bestenlisten gehört. Der Preis ist mit 12 Euro (!) ebenfalls sagenhaft.