Wenn die Band dieses Album als "eine so aufrichtige wie grausame Analyse von Liebe und Sex, einem Pfad, der zwischen Zärtlichkeit und Verwesung changiert" bezeichnet. Dann möchte ich gleich einmal festhalten, dass mir die Verwesung deutlich zu kurz kommt. "Amour Braque" ist das sechste Studioalbum von SPIRITUAL FRONT, erschienen fünf Jahre nach der Compilation "Open Wounds". Thematisch ist es ein typisches Werk von Frontmann SIMONE SALVATORI, wie sich aus der Kurzbeschreibung oben schon erahnen lässt. Der hedonistische Playboy aus Italien besingt Sexualität, Beziehungen, Sinnsuche und -krise. Musikalisch wird für meine Verhältnisse manchmal doch ein wenig zu poppig dick aufgetragen. Begriffe wie 'Dark Folk' oder gar 'Neofolk' passen nicht mehr, eher geht es wie in einem verrückten Kabarett stets schwungvoll, schmissig und manchmal auch übertrieben zu Werke. Das Intro (01) gestalten eine einsame Trompete und starke, rezitierende Vocals (mit Worten des britischen Dichters EDWARD CARPENTER). Beschwingte Akkordeontöne fügen sich zwar gut ein, weisen allerdings den Weg für einige der folgenden Tracks. Schon "Tenderness Through Violence" (02) tanzt und schaukelt gehörig, eine Bluesrock-Ballade mit schmachtendem Pop-Refrain unter Geigen. "Disaffection" (03) ist nicht anders als fröhlich zu nennen, ein Westerntanz mit wedelnden Karoröcken, wieder extrem rhythmisch und angetrieben vom eingängigen Akkordeon und dem tuckernden Schlagzeug. Die Songs erinnern mich an POEMS FOR LEILA oder DIVINE COMEDY, mit starkem und passgenauem Gesang - das war ganz am Anfang von SPIRITUAL FRONT nicht immer so. Über den einsamen Cowboy (04, im Hintergrund singt MATT HOWDEN) und eine ungeheuer schmissige Nummer (05) geht es zu "Pain Is Love" (06), einem der Tracks, die mir etwas zu leicht und poppig sind, eher zum Üben von flotten Tanzschritten geeignet. Auch die zweite Hälfte des Albums startet mit vielen Geigen, nach dem schunkeligen "This Past Was Only Mine" (09) folgt mit dem tollen "Battuage" (10) eines meiner Highlights, bei dem sich Schwung und Nachdenklichkeit die Waage halten, auch was die Instrumentierung angeht; der Refrain zwar melancholisch, aber nicht zu schmachtend. Auch "An End Named Hope" (11) zeigt rein akustisch, dass für die typische Stimmung eines SPIRITUAL FRONT-Stückes gar nicht so viel mehr Pomp notwendig ist. Am Schluss steht, für alle Fans, der Song "Vladimir Central" (13) von der längst vergriffenen 2014er-EP. Als 'Nihilistic Suicide Pop' beschrieb nonpop/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=1165">ein Kollege ein früheres Album von SPIRITUAL FRONT. Das 'Suicide' würde ich streichen. Auch für öfter getroffene Vergleiche mit NICK CAVE oder SCOTT WALKER fehlen mir Verzweiflung und Abgrund, und der folkige Anstrich früherer Lieder ist fast komplett verschwunden. Tango, Kammerpop und Country sind Stichwörter, die mir aus dem Pressetext hängen geblieben sind. Wer das im Voraus weiß, den erwartet ein gut zu hörendes, schmissiges und schmachtendes Album mit Pathos.
Michael We. für nonpop.de
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Zusammenfassung
Tango, Kammerpop und Country sind Stichwörter, die aus dem Pressetext hängen bleiben. Wer das im Voraus weiß, den erwartet ein gut zu hörendes, schmissiges und schmachtendes Album mit Pathos. Für die Selbstbeschreibung "zwischen Zärtlichkeit und Verwesung" fehlt mir persönlich die Verwesung.
Inhalt
als CD, LP und 2CD-Buch
01. Intro / Love's Vision 02. Tenderness Through Violence 03. Disaffection 04. The Abyss Of Heaven 05. Children Of The Black Light 06. Pain Is Love 07. Beauty And Decay 08. Devoted To You 09. This Past Was Only Mine 10. Battuage 11. An End Named Hope 12. The Man I've Become 13. Vladimir Central ~ 51 min. |