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Endsal

HOLOTROP: Dead Bird Calling

Transzendentaler Nihilismus mit anthropofugalem Finale


HOLOTROP: Dead Bird Calling
Genre: Ritual Ambient
Verlag: Raubbau
Vertrieb: Ant-Zen
Erscheinungsdatum:
12. September 2017
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
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HOLOTROP heißt laut Selbstauskunft das "ritualistic psychedelic project of Tino Seibt, a musician and sound therapist from Berlin", welchselbiges dem Rezensenten – Asche auf sein schuldbewusstes Haupt! – bis zum Erhalt der vorliegenden CD vollkommen unbekannt war. Der Projektname HOLOTROP geht auf den tschechischen Psychotherapeuten und Psychiater Stanislav Grof zurück, der, von der Ursuppe der psychedelischen Bewegung im Kalifornien der 1960er-Jahre herkommend, als Mitbegründer der so genannten Transpersonalen Psychologie die Technik des "holotropen Atmens" entwickelte, um seinen Patienten auch ohne die Einnahme entsprechender Substanzen wie LSD, Psilocybin, DMT, Meskalin et al., welche in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zunehmend unter staatliche Prohibition gestellt wurden, die Erfahrung transpersonaler, entheogener bzw. quasi-mystischer Zustände zu ermöglichen. Der Begriff holotrop bezeichnet die Hinrichtung (grch. trepein = sich hinwenden) auf jene Ganzheit (grch. holos = ganz), deren Erfahrung dem innerhalb seiner engen Bewusstseingrenzen schmorenden Individuum Linderung und Heilung qua Transzendierung seiner monadischen Persönlichkeit verschaffen soll. Allein die Bezüge, die mit dem Projektnamen verknüpft sind, vermitteln also bereits eine vage Ahnung, wo die Reise in etwa hingeht, und dass überdies Herr TINO SEIBT alias HOLOTROP in Sachen Anspruch und Sendungsbewusstsein mitnichten dünnen Bretter zu bohren gedenkt.


In einem gewissen, augenscheinlichen Widerspruch zu dem engagiert quasi-therapeutischen Grundansatz, den der Projektname suggeriert, steht dann allerdings jener thematische Raum, den das vorliegende, fünfte HOLOTROP-Album "Dead Bird Calling“ laut Promotext evoziert, verfolge dieses doch die durchaus ambitionierte Mission, als eine Art "philosophical compendium influenced by pioneers of anthropofugal thinking like philip mainländer und ulrich horstmann" zu fungieren. Ulrich Horstmann, deutscher Literaturwissenschaftler und Autor, entwickelte in seiner 1983 erschienenen, eklektischen Abhandlung "Das Untier" unter Bezugnahme auf klassische pessimistische Denker wie Arthur Schopenhauer und eben jenen, heute bedauerlicherweise weitgehend dem Vergessen anheimgefallenen, Philipp Mainländer, den Begriff des "anthropofugalen Denkens" – eines solchen der "Menschenflucht" also, das in letzter Konsequenz in der vollumfänglichen Auslöschung des Menschengeschlechtes qua thermonuklearem Holocaust seine finale Erfüllung sucht & findet. Völlig abgesehen einmal von dem naheliegenden Umstand, dass Horstmanns Arbeit laut dessen eigener Auskunft als Produkt eines, ins radikalste nihilistische Extrem getriebenen Sarkasmus, somit also keineswegs buchstäblich, aufzufassen ist, erscheint der Kontrast zwischen dem im Projektnamen mitschwingenden therapeutischen Impetus und der misanthropischen Rigorosität, die für Horstmanns apokalyptischen Ansatz maßgeblich ist, doch einigermaßen augenfällig. Der Offenbacher Philosoph Philipp Mainländer, auf den Horstmann sich extensiv bezieht, erklärte in seinem 1875 erschienenen, epischen Hauptwerk "Die Philosophie der Erlösung" die Genese des Universums übrigens als eine ausgefuchste Strategie Gottes, der, als das vollkommene Wesen, das Er ist, zu seinem ureigensten Leidwesen angesichts der Sinnlosigkeit des Daseins nicht einfach Selbstmord begehen kann, und deshalb in & mittels seiner eigenen Schöpfung sozusagen Suizid auf Raten begeht – Mainländer entfaltet eine Art nihilistischen Pantheismus, dessen finales Ziel gleichfalls holotrop ist, insofern es die Ganzheit von allem, was ist, in Nichts (zurück-)verwandeln will. Dass sich der Mann just, nachdem er die druckfrischen Exemplare seines Opus Magnum zuhause in Empfang genommen hatte, einen Strick um den Hals legte, die Bücher auf seinem Dachboden zu einem Stapel schichtete, den er stracks bestieg und sich erhängte, kann wohl gleichermaßen als zynisches Bubenstück des Schicksals wie beeindruckendes Lehrstück extrem konsequenten menschlichen Handelns & Wandelns aufgefasst werden. Wie das zu guter letzt nun alles mit Grof und seiner heilsamen, holotropen Atmerei zusammenzudenken ist, erschließt sich möglicherweise durchaus ... irgendwie ... intuitiv ... – die Entscheidung, ob sich das entsprechende Hirnschmalz aufzuwenden lohnt oder nicht, sei an dieser Stelle allerdings guten Gewissens dem interessierten Leser selber überlassen, da wir uns nun endlich dem Tonträger und seinem Inhalt zuwenden wollen.

HOLOTROP (c) Holotrop/Bandcamp

Musikalisch weiß "Dead Bird Calling", das nach vier Veröffentlichungen auf dem HOLOTROP-eigenen QUALIA-Label nun bei RAUBBAU erschienene Album, durchaus zu überzeugen. Wir haben es mit Ritual Ambient im engeren Sinne zu tun, will heißen, die Stücke konstituieren sich zumeist um mal mehr, mal weniger schleppende Rhythmen, tönen durchwegs archaisch und zeichnen sich durch relative Monotonie – im positiven Sinne – sowie dezidierte Lichtarmut aus, wenngleich das diesbezügliche Empfinden freilich immer höchst subjektiv ist: gar so endzeitlich, depressiv und nachtschwarz, wie der Promotext dies in der Beschreibung ausmalt ("holotrop created a world without hope that we find ourselves in as we walk the path towards our downfall and decay" etc. pp.), hat der Verfasser dieser Zeilen das Album jedenfalls nicht empfunden. Als Vergleichsmoment drängten sich ihm sofort frühe ALLERSEELEN-Veröffentlichungen wie "Schwartzer Rab", "Autdaruta" oder "Requiem" auf, auch die ganz frühen SLEEP CHAMBER meint man dann & wann wiederzuerkennen, angereichert durch allerlei schleifende, rauschende, rasselnde Soundflächen, die an diverse MALIGNANT-Acts denken lassen, da und dort entfalten sich Dark-Ambient-Passagen irgendwo zwischen frühen INADE und SCHLOSS TEGAL, und immer mal wieder sind auch unterschiedlich stark durch den Wolf gedrehte Vocals vernehmbar. Die einzelnen Tracks nun penibel im einzelnen abzuarbeiten, scheint der ermüdenden Fleißarbeit indes kaum wert, da dergleichen den Leser zum einen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Tode langweilen, und zum anderen dem ganzheitlichen Anspruch des Albums schwerlich gerecht würde. Denn in der Tat sollte man es wohl als organisches, dunkel vor sich hinbrodelndes Ganzes betrachten und insofern besser am Stück goutieren. Zum Glück muss man dem, zweifellos ein bisschen überkandidelten, esoterisch-okkult-schamanistischen Überbau von "Dead Bird Calling" keineswegs zwingend Beachtung schenken, ja: man kann ihn sogar für kompletten Mumpitz erachten und trotzdem viel Freude an dem Album haben, eignet es sich doch hervorragend als Hintergrund- und Begleitmusik für allerlei mehr oder weniger kontemplative Tätigkeiten, angefangen bei Lesen, Malen oder Schreiben über Meditation bis hin zu, ja: Schlaf. Was übrigens keineswegs heißen soll, dass man es nicht auch ins Zentrum der Aufmerksamkeit nehmen und ganz bewusst hören kann – mitnichten: es gefällt in beiden Modi.


Die CD kommt in einem unaufdringlich-eleganten 4-Panel-Schuber aus Karton daher und ist der bleiernen Agenda entsprechend durchweg in prosaischen, silbergrau-schwarzen Farbtönen gehalten: auf der rechten Innenseite findet sich als Motto ein erbauliches Diktum Fernando Pessoas: "Schlaf, dass das Leben ein Nichts ist! Schlaf, dass alles vergeblich ist!" Wie gesagt: Der Rezensent empfindet "Dead Bird Calling" überwiegend ausgesprochen entspannend und kontemplativ, während jenes düster-agonale Moment, das der Promotext so hervorhebt, für ihn eher den Hintergrund bildet – doch da mag man unterschiedlicher Meinung sein. Wie auch immer: Eine apokalyptische Agenda ist im Grunde nie verkehrt und macht insofern immer Laune, ist insbesondere heute aber wohl so passend wie seit einigen Jahrzehnten nicht mehr. In diesem Sinne seien die abschließenden Worte der labelseitigen Erläuterungen wohlwollend, ja: fast ein bisschen euphorisch abgenickt: "the dead birds sing their final song – the end is near!" So stimmen wir denn in ihren Gesang mit ein!


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» HOLOTROP-Homepage
» HOLOTROP @ facebook
» HOLOTROP @ bandcamp
» HOLOTROP @ SoundCloud
» HOLOTROP @ discogs
» RAUBBAU-Homepage
» RAUBBAU @ facebook


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Zusammenfassung
Durchaus überzeugendes, sinistres Ritual-Ambient-Album klassischer Machart mit etwas überambitioniertem, psycho-philosophischem Hintergrund, das Spaß macht & über die nötige Substanz verfügt, auch nach mehrmaligem Durchhören noch eine gleichbleibend fesselnde Wirkung zu entfalten.

Inhalt
01: Forgotten Prophecy (3:58)
02: Anthropofugal Existence (6:04)
03 Dead Bird Calling (4:26)
04: Elegy Of A Dying World (7:53)
05: Ghost Procession (3:24)
06: Widergeburt (9:41)
07: Behind All Minds (3:17)
08: Telepathic Transmission (5:41)
09: Death Meditation (6:21)
10: Ignite The Consuming Fire (6:56)
11: Shaman's Death (5:08)

CD im 4-Panel-Kartonschuber
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