THE VOMIT ARSONIST, das mittlerweile seit über 15 Jahren aktive Noise-Outfit des ANDREW GRANT, hat einen musikalischen Selbstfindungsprozess hinter sich, der bei schraddeligen Power Electronics seinen Ausgang nahm, um diese stilistische Positionierung im Laufe der Jahre zunehmend in Richtung klassischen US-Noise-Sounds zu verdichten und mit den letzten Veröffentlichungen schließlich eine dezidierte Verlagerung in die Gefilde PE-lastigen Death Industrials mit verhaltenen Dark-Ambient-Anleihen zu vollziehen, die bei Kritik und Endverbraucher mit gutem Grund gelegentliche Vergleiche mit BRIGHTER DEATH NOW, NAVICON TORTURE ELECTRONICS, STEEL HOOK PROSTHESES et al. provoziert. Dieser Kurs wird auf "Meditations On Giving Up Completely" konsequent beibehalten und weiter perfektioniert, ohne das musikalische Gesamtkonzept indes um nennenswerte Innovationen zu erweitern. "There is no reinvention of the sound and no veering off course, but rather a narrowing of the sonic palette, condensed into a continual free-fall of complete despair and nihilism“, so vermeldet der Begleittext, mit dem das federführende Traditionslabel MALIGNANT RECORDS das aktuelle Album des Projektes aus Warwick/Rhode Island (ironischerweise quasi ein Vorort von Providence, der Heimatstadt des berühmt-berüchtigten Horror-Romanciers H. P. Lovecraft) bewirbt – und trifft des Pudels Kern damit ziemlich genau.
THE VOMIT ARSONIST (c) The Vomit Arsonist/Bandcamp
Der tiefscharze nihilistische Impetus, der das vorliegende Album prägt und trägt, offenbart sich dem interessierten Rezipienten zuverlässig schon anhand des Titels: "Meditations On Giving Up Completely" zeugt von jener existenziellen Resignation, die sich im Zuge einer Fokussierung auf die objektive Sinnleere des phänomenalen Daseins einstellen kann – und zumindest beim musizierenden Mr. GRANT ganz offenbar eingestellt hat. Ganz in diesem Sinne wenigstens ergänzt er auf der facebook-Seite von THE VOMIT ARSONIST den Titel "Meditations" um das folgende Zitat aus Charlie Kaufmans fulminantem Film "Synecdoche, New York", welches das seit Menschengedenken – Gilgamesch, Hiob, Bonaventura & Co. lassen grüßen – wiederholte und variierte Lied von der Bedeutungslosigkeit der irdischen Existenz noch einmal expressis verbis formuliert: "What was once before you - an exciting, mysterious future - is now behind you. Lived; understood; disappointing. You realize you are not special. You have struggled into existence, and are now slipping silently out of it. This is everyone's experience. Every single one. The specifics hardly matter." In diese, leidlich desillusionierte, Perspektive fügen sich auch die, zentral auf der linken Innenseite des 6-panel-DigiPaks positionierten Worte "ahead, nothing" ganz zwanglos, die auf der rechten Gegenseite durch den Zusatz "only emptiness" ergänzt werden. Wir sehen: Als Stimmungsaufheller bei depressiven Schüben dürfte das fünfte Studioalbum von THE VOMIT ARSONIST wohl tatsächlich eher ungeeignet zu sein: "Those with a fragile mental state may want to steer clear of this one", warnt der Promotext dementsprechend, um das Werk der eigentlichen Zielgruppe – "those that find solace with the curtains drawn or at the end of a rope" – nur umso dringlicher als "unwavering in its direction and resolute in its approach" anzuempfehlen.
Der Sound gestaltet sich dicht, schwer und harsch: es grollt und brummt, rumpelt und scheppert wie von Eisenketten und schwerem Gerät, das Tempo bleibt durchgängig zurückhaltend bis langsam, während die gewohnt bis zur völligen Entstellung verzerrten und verwaschenen Vocals angesichts der allumfassenden, agonalen Geworfenheit des Seins schimpfen und zetern bis der Arzt kommt – oder, besser: die vier Reiter der Apokalypse, um dem deprimierenden existenziellen Kaspertheater ein- für allemal ein effektives Ende zu setzen. Die ... äh ... Beatelemente – wenn man die wuchtigen, tieffrequenten Schläge und Stöße, die mal mehr, mal weniger rhythmisch die Membranen erschüttern, denn so nennen will – kommen im Vergleich zum Vorgänger "Only Red" noch etwas sparsamer und dezenter zum Einsatz, was den durchgängig finsteren, desperaten Gesamteindruck des Albums zusätzlich befördert. Dass für das Mastering einmal mehr der notorische Soundchefkoch und STEEL HOOK PROSTHESES-Mastermind JOHN STILLINGS verantwortlich zeichnet, verleiht der dargebotenen, akustischen Schlachtplatte jene unverwechselbare, finale Würze, die man aus dem Hause MALIGNANT gewohnt ist.
Mit "Meditations On Giving Up Completely" legt THE VOMIT ARSONIST zwar nicht unbedingt einen innovativen, gar revolutionären, Meilenstein des Genres vor, weiß mit der bemerkenswert düsteren, intensiven und dichten Atmosphäre, die das komplette Album kennzeichnet, aber dennoch zu überzeugen. Vergleicht man es mit seinen Vorgängern, so kann das, was eingangs als "Selbstfindungsphase" des Projektes bezeichnet wurde, jedenfalls getrost als abgeschlossen betrachtet werden: THE VOMIT ARSONIST hat sich zu einer festen und eigenständigen Größe an der Sturmspitze des US-Noise gemausert, mit der jetzt und in Zukunft definitiv zu rechnen ist. – Die CD ist im schnieken 6-Panel-DigiPak erschienen und kann von jedem, der ein Faible für die weiter oben genannten Referenzobjekte hat, absolut bedenkenlos erstanden werden. In diesem Sinne: Wohl bekomm's! Und während des nihilistischen Hörvergnügens bitte nie vergessen, was Albert Camus uns in seiner grenzenlosen Weisheit ans Herz gelegt hat: "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."
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Zusammenfassung
Solides neues Album des US-Projektes, das weitermacht, wo der Vorgänger "Only Red" aufhört: Dichter, schwerer Death Industrial mit schleppenden Beats, PE-Vocals & Dark-Ambient-Anleihen, der die zappendustere Programmatik des Titels konsequent umsetzt: Wer hier eintritt, lasse alle Hoffnung fahren.
Inhalt
01: Meditations (4:00)
02: What's Left (6:13)
03: It Never Ends (5:51)
04: On Living (5:16)
05: When The Last Flame Has Been Extinguished (6:51)
06: There Is Nothing Here (5:07)
07: Sick Over Trying (9:26)