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Michael We.

DROMOMANE: Abaton

Rorschachtest zum Hören


DROMOMANE: Abaton
Genre: Surreal
Verlag: Idéoblaste
Vertrieb: T.u.T. /...
Erscheinungsdatum:
Anfang 2017
Medium: Vinyl LP
Preis: ~16,00 €
Kaufen bei: Treue Um Treue


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Ein geheimnisvolles, sich ins Bewusstsein schleichendes Album, bei dem man unweigerlich jeden Stift oder jedes Smartphone beiseite legt, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren.
Der zwischen Berlin und Marseille pendelnde Franzose BENJAMIN BEX ist uns schon öfter begegnet. Mit Veröffentlichungen unter seinem eigenen Namen auf TREUE UM TREUE / REUE UM REUE oder mit seinem Projekt DUHKHA (Besprechung). Schön arrangierte und verwobene Klanglandschaften sind wir von ihm gewohnt, aber sein bisher bemerkenswertestes Album ist unter einem neuen Moniker erschienen, und deshalb von mir bislang nicht entdeckt worden. Ein Versäumnis, das ich nun hiermit nachhole. Als DROMOMANE tritt BENJAMIN nun auf, wobei 'Dromomanie' (französisch) oder 'Poriomanie' (deutsch) in der Psychologie das ziellose Herumirren oder dranghafte Weglaufen bezeichnet, ein 'Dromomane' wohl also ein unter solchen Symptomen leidender Mensch ist. Das verhuschte, verletzliche Wesen von "Abaton" passt jedenfalls zu dieser Spekulation.

Der knisternde Loop zum Einstieg bewegt sich asynchron zur melancholischen Folk-Gitarre, befiehlt Aufmerksamkeit, die spätestens mit dem Einsetzen der androgynen, hohen Stimme gesichert ist. Sie singt Trauer und Hoffnungslosigkeit, eine im wahrsten Sinne des Wortes angekratzte Stimmung - durch das ständig schabende Geräusch. Sehr unwirklich, surrealistisch, ein Spaziergang mit ANTONY, BABY DEE oder COCO ROSIE im Noise- und Drone-Vergnügungspark. Auch der zähe Akkordeon-Loop im nächsten Stück, verbunden mit Meeresrauschen, wirkt extrem (alp)traumhaft, die Falsettstimme zittert und klagt.
Die Vocals, die unwirkliche Stimme (die auch was von DAVID TIBET hat, in seinen durchgedrehten CURRENT 93-Zeiten), ist das zentrale Element des Albums, auch wenn sie nicht immer auftaucht. Oder teils von akustischen Instrumenten (Gitarre, Akkorden), teils von schweren, rauschenden und schabenden Klängen umweht wird. Der Opener der zweiten LP-Seite wirkt noch sakraler, noch predigender, zur improvisierten Gitarre fallen Stein vom Himmel, ein apokalyptisches Gebet, bei dem es zum Weglaufen längst zu spät ist.  Gegen Ende darf auch mal eine Black Metal-Gitarre ran, und Enten schnattern wild durcheinander; die Field Recordings stammen übrigens vom befreundeten Fotografen GRÉGORY LELAY, der einige Sounds für "Abaton" von den Azoren mitgebracht hat.

Eigenständig und seltam, aber vor allem seltsam schön. Wie ein Bild aus einem Rorschachtest lädt das Album zum Interpretieren, zum Suchen nach geheimnissvollen, versteckten Botschaften - zum Beispiel in den diversen Rückwärtsloops - ein. Zwischen Field Recordings, Ambient, Folk und Experiment hinterlässt "Abaton" bleibenden Eindruck.

 
Michael We. für nonpop.de



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Zusammenfassung
Eigenständig und seltam, aber vor allem seltsam schön. Wie ein Bild aus einem Rorschachtest lädt "Abaton" zum Interpretieren, zum Suchen nach geheimnissvollen, versteckten Botschaften ein. Hinterlässt zwischen Field Recordings, Ambient, Folk und Experiment einen bleibenden Eindruck.

Inhalt
A1. Crabe Tambour (4:53)
A2. Sormiou (3:29)
A3. Ressac (1:43)
A4. Interlude I (4:10)
A5. Soleil Mouvant (5:23)
B1. Abaton (4:37)
B2. Mola Mola (6:00)
B3. Interlude II (4:25)
B4. Morgiou (3:46)
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