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Endsal

TREPANERINGSRITUALEN: "Deathward, ...

... To The Womb" - Schwarze Flamme empor!


TREPANERINGSRITUALEN:
Genre: Post Industrial
Verlag: Cold Spring
Vertrieb: Cold Spring
Erscheinungsdatum:
4. Januar 2017
Medium: CD / LP / DL
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Seit "Perfection & Permanence", dem letzten regulären, 2014 erschienenen Studioalbum von TREPANERINGSRITUALEN kümmert man sich beim neuen Hauslabel COLD SPRING offenbar verstärkt um das Aufforsten vergriffener Werke des umtriebigen Okkult-Post-Industrial-Kuttenträgers aus Göteborg, und so ist nach "Veil The World", der Reissue eines Tape-Boxsets aus dem Jahre 2011, nun "Deathward, To The Womb" dran. Das Original erschien 2012 als eine der allerletzten Veröffentlichungen des, noch im selben Jahr verschiedenen, schwedischen Label RELEASE THE BATS im 10''-Format in einer recht übersichtlichen Auflage von 275 Stück. Damit sich die Anschaffung der, nunmehr als CD und LP erhältlichen Wiederveröffentlichung auch für jene Klientel lohnt, die das gute Stück im Original ihr Eigen nennen, hat man seitens COLD SPRING noch den knapp 13-minütigen Track "I Remember When I Was God" obendrauf gepackt, der 2015 in genretranszendierender Zusammenarbeit mit allerlei illustren Zunftgenossen wie MICHAEL IDEHALL, ÆTHER oder dem BÖLZER-Frontmann KZR aufgenommen wurde. Auf der CD prangen zwischen dem letzten regulären Stück der Original-10'' und dem besagten Bonbon übrigens zwölf, jeweils viersekündige "Silent Tracks" – was genau das letztendlich nun soll, erschließt sich dem Rezensenten nicht wirklich, und daran ändert auch eine entsprechende Anmerkung auf der discogs-Seite der CD – "Tracks 7-18 contain no music, but are part of the T × R × P ritual" - rein gar nichts, doch was soll's: dass THOMAS MARTIN EKELUND, der Mann hinter TREPANERINGSRITUALEN, eine ausgeprägt paramystizistische Ader und ein erklärtes Faible für okkultistische Umtriebe hat, ist ja nun hinlänglich bekannt, und insofern wird sich der Mann schon irgendwas dabei gedacht haben, was dem Endergebnis dienlich ist bzw. war. Der Verbraucher muss schließlich nicht alles wissen & verstehen, was zum Produkt beigetragen hat, und entscheidend ist ja, nach des Altkanzlers Helmut Kohl weisen Worten, am Ende immer nur, was hinten 'rauskommt: im vorliegenden Fall weiß das jedenfalls durchaus zu gefallen.


TREPANERINGSRITUALEN / THOMAS MARTIN EKELUND

Nach dieser kurzen Einleitung dürfte dem Leser bereits klargeworden sein, dass es sich bei "Deathward, To The Womb" um ein dezidiert "rituelles" Werk handelt, weshalb derjenige an dieser Stelle bereits vorgewarnt sein soll, der primär auf nach vorne losbratzende Gassenhauer wie "Judas Goat", "Papist Pretender" oder "Castrate Christ" schielt: Abgesehen von der geradezu atemberaubend treibenden Quasi-T × R × P-Hymne "All Hail The Black Flame", einer todsicheren Bank während jeder Live-Darbietung des Schweden, ist's mit dergleichen nach vorne losgehendem, rumpeligen Black-Post-Industrial auf dem vorliegenden Album ansonsten eher Essig. Es dominiert jene konzentrierte, fiebertraumartige Lo-Fi-Gruselatmosphäre, die die Phantasie des Hörers auch ohne expliziten Hinweis in nachtfinstere Bereiche namenloser In- & Evokationen lenkt, wie sie Meister EKELUND so gerne thematisiert. Und ganz in diesem Sinne rekurriert  "Deathward, To The Womb" auf die so genannten "Babalon Workings", eine Serie magischer Rituale, die 1946 vom späteren Scientology-Gründer L. Ron Hubbard und dem Raketeningenieur (sic!) und Autor Jack Parsons – okkulter Ordensname "Frater T.O.P.A.N" – durchgeführt wurden, um eine Inkarnation der thelemitischen Entität Babalon – einer Art archetypischen weiblichen Gottheit auf Basis der mythomagischen Modelle Aleister Crowleys – zu manifestieren. Wie die Fama munkelt, warnte "Ipsissimus" Crowley Parsons vor den schwer kontrollierbaren Effekten seines Unternehmens, und das nimmt wenig wunder, bezeichnet Babalon doch ein Konzept, das seine passendste Analogie wohl in der hinduistischen Göttin Durga bzw. deren dezidiert "dunklem" Aspekt Kali hat: es vereinigt in sich die Polarität des Hervorbringens und des Verschlingens, mithin des Lebens und des Todes. Parsons jedoch war guter Dinge, erklärte nach einiger Zeit den ersten Teil des Rituals für erfolgreich abgeschlossen, um unmittelbar danach seine spätere Frau Marjorie Cameron kennenzulernen, bei der es sich seiner Überzeugung nach prompt um ebenjene Manifestation der Babalon handelte, die Hubbard und er beschworen hatten. Nachdem Parsons aufgrund eines tödlichen Unfalls verstorben war (ursächlich war eine Explosion in der heimischen Küche während des Hantierens mit allerlei hochsensiblen Substanzen, die das halbe Haus in Schutt und Asche legte – wahrlich ein, eines Raketeningenieurs würdiges Ende!), verrannte sich seine Witwe in die Theorie, ihr Göttergatte sei von finsteren Mächten ermordet worden, blieb ihrem magischen way of life aber treu und spielte noch bis ins hohe Alter eine illustre Rolle in thelemitischen Künstler- und Okkultistenkreisen. Zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zählte von KENNETH ANGER (in dessen Kurzfilm "Inauguration Of The Pleasure Dome" sie die Rolle der Scarlet Woman aka Babalon bzw. der Kali übernahm) über ANTON LA VEY bis zu GENESIS P. ORRIDGE so ziemlich alles, was in der einschlägigen Szene Rang & Namen hatte. Marjorie Cameron verschied 1995 im Alter von 76 Jahren, nachdem sie auf dem Sterbebett im Krankenhaus die letzten thelemitischen Sakramente durch eine Hohepriesterin des O.T.O erhalten hatte.


TREPANERINGSRITUALEN / THOMAS MARTIN EKELUND

Der vergleichsweise ausführliche Exkurs über die Dame ist durch die thematische Agenda von "Deathward, To The Womb" bedingt: "An invocation not so much of BABALON Herself, but of the tormented elemental of Frater T.O.P.A.N., and his fervent attempts to usher in the Æon of Horus." Die Lyrics, so die labelseitige Auskunft weiter, seien anhand der Schriften des Frater T.O.P.A.N alias Jack Parsons entstanden und thematisieren das Babalon-Konzept als schwarze, den Erdkreis kathartisch reinigende, Flamme, nach deren segensreichem Großreinemachen aus der Asche der alten Welt ein neuer Quasi-Gott-Mensch hervorgeht. Die fragliche eschatologische Powerfrau sah Parsons, wie gesagt, in seiner Marjorie bereits idealtypisch verkörpert, womit der Erfolg der gesamten Veranstaltung für ihn außer Frage stand – schon Crowley war da skeptisch, und im Lichte der Erfahrung haut der Promotext in exakt dieselbe Kerbe: "70 years after the Bablon Working was deemed successfully concluded, its utter failure is painfully apparent." Und in der Tat – blickt man in der Weltgeschichte so um sich, ist man spontan geneigt, zuzustimmen: weit & breit nüscht zu sehen vom "new divine man", ganz im Gegenteil. So gesehen verlegt "Deathward, To The Womb" den Focus von PARSONSs schwachbrüstiger Happy-End-Finalität auf den wesentlich lebenswirklicheren, nämlich verschlingenden, kaliesken Aspekt Babalons, der exemplarisch im bereits erwähnten "All Hail The Black Flame" zum Ausdruck kommt: "In this guise, BABALON brings not solely love, but cataclysm; a holocaust brought upon the domain of Man. Manifested as the Black Flame, She reaches from a time before time, formless chaos, and rips apart the very fabric of the created worlds. Such is Her nature: two opposing principles; that of the nurturing mother, and that of the callous destroyer." Rein musikalisch handelt es sich hier zweifellos um den T × R × P -Klopper schlechthin: unterlegt von martialischem, treibend-wummerndem Getrommel und rhythmischem Metallschlagwerk krakeelt sich EKELUND die schwarze Seele aus dem Leibe und beschwört das Jüngste Gericht – herrlich, einfach herrlich!


"»All love songs are of me« She says. This is certainly true of the first five songs of Deathward, To The Womb", so der Promotext, wobei, naja, von "love songs" im engeren Sinne hier sicherlich nur die wenigsten sprechen würden, doch insofern die ersten fünf Stücke sich alle durch ihren rituell-kontemplativen, teilweise devotionalen und bisweilen gar hymnischen Charakter auszeichnen, kann man sie in einem sehr weiten, übertragenen Sinne tatsächlich so bezeichnen. "The Birth Of Babalon" und der anschließende Titeltrack klingen wie Meditationssessions am Grunde des Hades – hier wie zumeist ist es freilich insbesondere EKELUNDs gutturales Gegurgel, das diesen speziellen, dämonischen Mehrwert maßgeblich generiert. "Osiris, Slain & Risen" (der Bezug zum Babalon-Konzept ergibt sich durch Osiris' Ehefrau Isis, die die Einzelteile des von seinem Bruder Seth Ermordeten und Zerstückelten einsammelt und neu zusammensetzt) wirkt durch den monotonen, trockenen und dumpfen Grundrhythmus, über dem EKELUNDs Gezeter dahintreibt, fast noch eine Spur finsterer. "She Is Flame Of Light" ist ein weiterer Höhepunkt des Albums und als solcher treibender und hypnotischer als die vorangegangenen Tracks, wobei es insbesondere die stimmig übereinandergeschichteten Vocals sind, die für den morbiden Charme ursächlich sind. "Sacrament & Crucifixion", obgleich ebenfalls keineswegs übel, geht danach etwas unter und hinterlässt insgesamt einen vergleichsweise indifferenten Gesamteindruck. Danach folgt "All Hail The Black Flame": toll, toll, toll – aber davon hatten wir's ja schon mehrfach. Bleibt zu guter letzt noch der Bonustrack "I Remember When I Was God", doch, um's kurz zu machen: obgleich der Rezensent insbesondere die langen, rituellen Stücke von TREPANERINGSRITUALEN – so z.B. "ÅKALLAN: Mímir" vom DEATHSTENCH- oder "Edifice Of Nine Sauvastikas" vom ÆTHER-Split – ausdrücklich zu schätzen weiß, so haut ihn das hier jetzt nicht so wirklich aus den Latschen. Irgendwie klingt die Nummer im Ganzen ein klitzekleines bisschen disparat, man vermisst diese gewisse innere Spannung, die die einzelnen Elemente zusammenhält und zu einem kohärenten Ganzen zusammenfasst. Mag am Ende vielleicht auch an der Vielzahl der Beteiligten liegen, denn, wie sagt das Sprichwort doch so schön: "Zu viele Köche verderben den Brei". Und bei "I Remember When I Was God" haben möglicherweise wirklich zwei oder drei Köche zu viel mitgemischt. Wobei der Brei freilich trotzdem nicht unbedingt verdorben, sondern durchaus genießbar ist, nichtsdestoweniger hat man dergleichen von TREPANERINGSRITUALEN schon mal besser gehört.



Summa summarum rubriziert "Deathward, To The Womb" trotzdem ohne Wenn & Aber unter "Pflichtkauf": zum einen, weil es sich dabei schon jetzt um so etwas wie einen zeitgenössischen Klassiker des Genres handelt, zum anderen, weil es einfach ein spannendes, fesselndes Album ist, das selbst in seinen ruhigen Passagen so mitreißend und stimmungsintensiv ist wie wenig andere. Obendrein bekommt derjenige, der vor dem Hintergrund der vergleichsweise schmissigen 2014er Scheibe  "Perfection & Permanence" Lust bekommen hat, sich in die etwas abgelegeneren Gefilde des EKELUNDschen Oevres einzuarbeiten, mit dem hier versammelten Menü eine hervorragende Einführung an die Hand. Im übrigen macht diese Neuauflage Lust auf mehr. Und wer "A" sagt, muss bekanntlich auch "B" sagen. Ganz in diesem Sinne fiebert der Autor dieser Zeilen jetzt schon prophylaktisch möglichen Reissues von "Roi Perdu" oder "Septentrional" entgegen: ist das nicht 'ne super Idee, Herr EKELUND? Bei COLD SPRING wenigstens wäre man dafür bestimmt Feuer & Flamme – schwarze Flamme!


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» TREPANERINGSRITUALEN-Homepage
» TREPANERINGSRITUALEN @ facebook
» TREPANERINGSRITIALEN @ bandcamp
» TREPANERINGSRITUALEN @ SoundCloud
» TREPANERINGSRITUALEN @ discogs
» COLD SPRING-Homepage
» "Deathward To The Womb" @ bandcamp

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Zusammenfassung
Neuauflage des mittlerweile klassischen ersten TxRxP-Vinyls von 2012 plus 13-minütigem Bonustrack: Finsterster Black Post Industrial vom Feinsten, der der populären, bratzigen Seite des schwedischen Projektes die brütend-hypnotische, rituelle Dimension in erlesenster Form beigesellt. Wunderbar!

Inhalt
01: The Birth Of Babalon (2:51)
02: Deathward, To The Womb (6:54)
03: Osiris, Slain & Risen (3:17)
04: She Is Flame Of Light (4:31)
05: Sacrament & Crucifixion (4:03)
06: All Hail The Black Flame (3:38)
07-18: [silent] (0:04)
19: I Remember When I Was God (12:59)
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