Endsal
SIELWOLF / NAM-KHAR: OppressfieldMusikalisches Multifunktionstool mit Oldschool-Charme
Genre: Ritual-/Tribal-Industrial
Verlag: Sombre Soniks Vertrieb: Sombre Soniks Erscheinungsdatum: 23. Januar 2017 Medium: CD Preis: ~12,00 € Kaufen bei: Tesco Germany SIELWOLF dürften dem einen oder anderen – insbesondere den etwas älteren Semestern – noch aus den 1990er-Jahren als Vertreter des damals recht populären "Industrial Metal" (gut, auf der Band-Homepage ist von "Metal Noise" die Rede, doch unter'm Strich kommt das wohl auf's Gleiche raus) bekannt sein, welchselbiger damals so manchen Zeitgenossen kurzfristig begeisterte, um mit rasant sich multiplizierender Breitenwirkung jedoch relativ schnell zu einem öden pain in the ass zu mutieren – was freilich zu Folge hatte, dass man mit den entsprechenden Bands ebenfalls fertig war. So ging es auch dem Rezensenten, und demgemäß staunte er zuerst einmal nicht schlecht über die vorliegende Kollaboration mit NAM-KHAR, einem Projekt, das doch mit deutlich mehr Emphase im Dark-Ambient-/Ritual-Bereich verortet ist, als das mit dergleichen anachronistischem "Metal Noise"-Geschrammel wie dem – vermeintlich! – SIELWOLF'schen kompatibel zu sein schien. Beschäftigt man sich allerdings etwas intensiver mit dem Schaffen der, immerhin schon seit 1989 aktiven, Frankfurter (die übrigens, wie sie auf ihrer Homepage stolz verkünden, vom selben Talent-Scout wie weiland die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN entdeckt worden sein wollen ...), so stellt man hurtig fest, dass das fragliche Staunen lediglich einer beschämend oberflächlichen Kenntnis des SIELWOLF'schen Oevres geschuldet ist, zeichnet sich dieses doch bereits ab Mitte, Ende der 90er-Jahre durch eine immer stärkere Hinwendung zu jenem ebenso experimentierfreudigen wie entspannten Dark-Ambient-Dub aus, wie er seinerzeit paradigmatisch von MICK HARRIS' Post-GODFLESH-Projekt SCORN zelebriert wurde. Und von da aus ist es dann freilich nur noch ein kleiner Schritt bis zu jenem – tja, wie soll man's nennen? – ... dark-ambient-affinen, tribalesken Ritual Industrial (um die Totschlagschublade "Post Industrial" mal leidlich elegant zu umschiffen), der uns auf vorliegendem Album begegnet.
"Oppressfield", soeben bei SOMBRE SONIKS erschienen, ist bereits die zweite Kollaboration der beiden Projekte nach "Atavist Craft" von 2015 – einem Album, mit dem sich der Rezensent aufgrund seiner diffusen und, wie er jetzt weiß: gänzlich unbegründeten Vorbehalte gegen SIELWOLF erst im Zuge der aktuellen Rezension beschäftigte. Und im direkten Vergleich gilt erst einmal ganz grundsätzlich festzustellen: "Oppressfield" haut ohne Wenn & Aber in dieselbe Kerbe, ist dabei aber noch ein bisschen ruppiger unterwegs als der Vorgänger – und das bekommt der Gesamtgemengelage ausgesprochen gut, ist diese mal mehr, mal weniger deutlich hervortretende Harshness doch ursächlich für den ganz speziellen Charme des Albums: denn wenn "Oppressfield" dem Dark-Ambient- bzw. Ritual-Industrial-Bereich zuzurechnen ist, dann in jenem dezidiert knarzig-kantigen und nicht wirklich klar definierbaren Sinne, mit dem man auch frühe LOKI-Veröffentlichungen (beispielhaft sei hier auf die legendäre "Documents I"-Compilation verwiesen) oder ZOVIET-FRANCE-Klassiker wie "Mohnomishe" oder "Eostre" so bezeichnen kann. Ähnlich weitgespannt wie das dergestalt angedeutete musikalische Spektrum präsentiert sich auch die vorliegende CD als ausgesprochen vielschichtiges und facettenreiches, dennoch konsistentes und stringent durchkonzipiertes Werk, das insbesondere durch die radikale Abwesenheit jener synthetisch-digital glattgebügelten Blutarmut punktet, an der so viele zeitgenössische Dark-Ambient-Produktionen kranken. Das Eröffnungsstück "Platium Insert" beginnt ausgesprochen entspannt, um sich im weiteren Verlauf in eine zunehmend widerborstige Richtung zu entwickeln, ohne indes im Gesamteindruck allzusehr an Kontur zu gewinnen. Das ändert sich mit dem fulminanten "Cron Tabs", das mit seinem dumpfen Gewummer, den langsam kreiselnden Loops und diversem analogen Gedöngel eine ebenso spacige wie klaustrophobische Atmosphäre generiert. Der Titeltrack "Oppressfield" markiert den ersten Höhepunkt des Albums und zeichnet sich insbesondere während der ersten zweieinhalb Minuten durch seinen dezidierten Vintage-Ritual-Charme aus, um dann einigermaßen unvermittelt in einen nachgerade hypnotischen, treibend-rhythmischen Loop überzugehen, der das Stück respektive den Hörer ungeahnten energetischen Horizonten entgegenpeitscht. "Failed States" trägt seinem tendenziell ungemütlichen Titel Rechnung und geht im Vergleich wohl als noisigstes Stück durch, was der rituellen Grundatmosphäre des Opus im Ganzen jedoch keinen Abbruch tut. Das nun folgende "Crypt Trap", mit fast 15 Minuten Laufzeit der längste Track der CD, ist mit seinem immer wieder einsetzenden, mal mehr, mal weniger dumpf daherkommenden Getrommel as vintage as vintage can be und erinnert bisweilen an eine ebenso krude wie gelungene Mischung aus ganz frühen ALLERSEELEN-Tapes wie "Autdaruta" oder "Schwartzer Rab", diversen NEKROPHILE-Acts, insbesondere LAShTAL, und den rituellen SLEEP CHAMBER der 1980er-Jahre, wobei man sich die charismatisch-quakigen Vocals des Herrn ZEWIZZ freilich wegdenken muss. Kurzum: Oldschool-Dark-Ambient-Ritual-Industrial vom Feinsten. Unzweifelhaftes Highlight des Albums ist allerdings klar der abschließende Zehnminüter "Exorial": Der Sound ist nicht minder Oldschool, zeigt sich hier aber noch einmal von seiner dezidiert entspannt-meditativen Seite. Geschenkt, es mag Menschen da draußen geben, denen der gleichmäßig-verhaltene, von einem tiefen Basisdrone getragene Grundrhythmus, der das komplette Stück durchzieht und lediglich von allerlei Klingeln, Rascheln und Rauschen konterkariert wird, auf Dauer etwas monoton erscheinen mag, doch hey!: alldieweil die große Schwester der Monotonie bekanntlich Kontemplation heißt, ist genau das intendiert. – Merket auf: Erst, wer dem spontanen Impuls Folge leistet und die ollen Räucherstäbchen wieder aus längst vergessenen Schubladen hervorkramt, hat die Botschaft wirklich verinnerlicht. Kurzum, "Oppressfield" ist ein bemerkenswert rundes, raffiniert abgeschmecktes Album geworden, bei dem mit massiven nostalgischen Nebenwirkungen zu rechnen ist, was an dieser Stelle jedoch ausdrücklich als Kompliment verstanden werden soll. Nicht zu überhören ist jedenfalls, dass die hinter dem Projekt stehenden Musiker allesamt "alte Hasen" sind und als solche über einen entsprechend weiten musikalischen Horizont sowie eine tiefe Verbundenheit zu jenen Genreströmungen verfügen, in denen sie sich so versiert bewegen. Als Ergebnis der Zusammenarbeit beglücken sie das interessierte Publikum mit einem Opus, welches sich insbesondere durch seine reizvollen Ecken und Kanten aus der grauen 08/15-Kuddelsuppe vieler genreüblicher Veröffentlichungen heraushebt und dabei doch für alle möglichen Einsatzfelder geeignet ist, will heißen: der Rezipient ist herzlich eingeladen, das Album frontal, als Soundtrack oder aber als Hintergund zu genießen, er möge es in funktionaler – gar ritueller? – oder auch zweckfreier Mission einsetzen: es taugt definitiv zum Einsatz als musikalisches Multifunktionstool und ist mit den unterschiedlichsten Stimmungs- und Lebenslagen kompatibel. Betrüblich, dass Vergleichbares heute nur noch vergleichsweise selten zu Ohren kommt, umso erfreulicher indes, dass der Hörer mit "Oppressfield" ein solch seltenes Schmankerl quasi auf dem Silberteller serviert bekommt. In diesem Sinne: Wohl bekomm's!
Endsal für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » SIELWOLF-Homepage » SIELWOLF @ facebook » SIELWOLF @ discogs » NAM-KHAR @ facebook » NAM-KHAR @ SoundCloud » NAM-KHAR@ discogs » SOMBRE SONIKS-Homepage » SOMBRE SONIKS @ bandcamp Themenbezogene Artikel: » SIELWOLF & NAM-KHAR: Atavist Craft
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Zusammenfassung
Oldschool-Ritual-Industrial mit kräftigem Dark-Ambient-Einschlag & hohem Nostalgie-Faktor, dessen subtile, widerborstige Harshness weit mehr zu faszinieren weiß als all das glattgebürstete, blutarme Material, das heute so betrüblich oft unter vergleichbarem Etikett firmiert. Empfehlung!
Inhalt
01: Platium Insert (3:13)
02: Cron Tabs (6:15) 03: Oppressfield (9:25) 04: Failed States (6:44) 05: Crypt Trap (14:22) 06: Exorial (10:00) |