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Michael We.

SHRINE: Ordeal 26.04.1986

Runder Soundtrack zur Katastrophe


SHRINE: Ordeal 26.04.1986
Genre: Dark Ambient
Verlag: Cyclic Law
Erscheinungsdatum:
November 2016
Medium: CD & Download
Preis: ~12,00 €
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Das Dark Ambient-Projekt SHRINE haben wir auf NONPOP regelmäßig begleitet. Und dabei immer wieder festgestellt, dass gerade in einem so überlaufenen Genre die Qualität der Musik sehr hoch einzuschätzen ist. Die thematischen Arbeiten des Bulgaren HRISTO GOSPODINOV wirkten stets überzeugend und durchdacht, wie aus einem Guss. Mir war deshalb auch nicht bange, als ich vor einigen Monaten die Ankündigung zu einem neuen Album las, welches sich thematisch mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 beschäftigen sollte. Solche ganz großen Themen sind ja entweder schon häufig bearbeitet worden oder führen schnell zu enttäuschten Erwartungen. Aber, ganz im Gegenteil: Auch wenn HRISTO im Pressetext etwas dick aufträgt und biblische Endzeit-Prophezeiungen bemüht, liefert er hier musikalisch sein bislang vielfältigstes und stimmigstes Werk ab, so viel schon einmal vorweg.

"Atomgrad" (01) startet mit Vogelgezwitscher und einem bereits leicht bedrohlichen Drone, wie ein schwarzer Windhauch. Mehrere Drones verdichten sich schnell zu einem schillernden, strahlenden Geflecht mit mechanisch britzelnden Geräuschen sowie industriellen Schlägen dazwischen, das Unheil kündigt sich an. Insgesamt ist die Atmosphäre zwar (noch) nicht unwohl, aber es knirscht und knackt wie vor einer Explosion in einer bis dahin heilen, natürlichen Umwelt. "Radiant Skyline" (02) ist wahrlich beeindruckend mit seinen gleißenden, leuchtenden Sounds, die – unterlegt von einem stetigen Bratzeln – permanent mächtiger werdend und tatsächlich klingend wie radioaktive Wolken, sehr filmisch das Ganze. Die Dramatik der Synthielinien mit verwehten, choralen Elemente geht auch als Neoklassik durch, die acht Minuten durchlaufen eine ungeheure Steigerung zu einem mächtigen, flehenden, atomaren Schrei. "The Silent Apocalypse" (03) ändert die Szenerie, wechselt in höhliges, verregnetes Ambiente, durch das ein dunkles, fanfarenartiges Tröten nach unten absteigend, untermalt vom Ticken eines Geigerzählers. "The Night That Hell Broke Loose" (04) nimmt den Titel beim Wort: bedrohliches, maschinelles Hämmern, eher kreischende Töne und rezitierende Vocals im Hintergrund, was mich nicht zum ersten Mal an die etwas Dark Ambient-lastigere Variante von DER BLAUE REITER (siehe auch "Nuclear Sun" – Besprechung zum selben Thema) erinnert. Wehmütiger, schmerzlicher Regen mit klagenden Drones fällt in "Under The Graphite Clouds" (05). Und "The Burden Of Knowledge" (06) ist in Gänze eine radioaktive Soundlandschaft, bedrückend wie eine Beerdigung mit Sounds von Instrumenten und Messgeräten vor blasigen, nach oben steigenden Drones. Alles eindrucksvoll unterlegt von martialischem Dröhnen und russischem Flüstern.

Während dieser monumentalen 50 Minuten verliert HRISTO GOSPODINOV zu keiner Sekunde die Struktur, das Gleichgewicht der Elemente aus den Augen. Ein überwältigend dichtes Werk vor dem thematischen Hintergrund der atomaren Bedrohung, oft außerhalb der Genregrenzen von Dark Ambient. Wie gesagt, das beste SHRINE-Album bisher.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» SHRINE @ Bandcamp
» SHRINE @ Facebook
» CYCLIC LAW

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Zusammenfassung
Während dieser monumentalen 50 Minuten verliert HRISTO GOSPODINOV zu keiner Sekunde die Struktur aus den Augen. Ein überwältigend dichtes Werk vor dem thematischen Hintergrund der atomaren Bedrohung, oft außerhalb der Genregrenzen von Dark Ambient. Das beste SHRINE-Album bisher.

Inhalt
01. Atomgrad (9:25)
02. Radiant Skyline (Unit 4) (8:12)
03. The Silent Apocalypse (7:03)
04. The Night That Hell Broke Loose (8:16)
05. Under The Graphite Clouds (9:28)
06. The Burden Of Knowledge (8:12)

~ 50 min.
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