Es gibt viele Bands in Berlin. Doch nur die wenigsten sind der Rede wert. Eine, die der Rede wert ist, heißt HURE. Ein programmatischer, d.h. in Anbetracht der Verfügbarkeit von Musik, doch recht treffender Name – bedenkt man die Flatrate-Mentalität jener, die hören oder dienstleisten. 2011 wurde HURE, bestehend aus einer Drum-Machine, IGOR und O.DRADEK, gegründet. Ein kleines Tape-Label (TRIM-TAP-TAPES) brachte zunächst zwei EPs von HURE heraus. Sie waren auf Tour in Deutschland, Polen und Tschechien, haben eine weitere durch Dänemark, Schweden und Norwegen geplant und spielten kürzlich erst in einem alten Krematorium am Berliner Südkreuz. Die erste CD erschien Anfang des Jahres auf UNUNDEUX. Ein Album, das Spuren hinterlässt. Die Klangästhetik von HURE setzt schwer auf das, was allgemeinhin vielleicht mit finster industriell krachendem Drone umschrieben werden könnte. Allerdings zieht das Gewitter gitarrenverhangen über uns hinweg. Da gibt es – abgesehen von der Drum-Machine (einem Alesis SR16) – nichts Elektronisches, keine Synthesizer, Samples, Bandmaschinen, die im Hintergrund den Sound mitgestalten. Nur die Gitarren. Die sägen. Dazu ein markerschütterndes Schreien – wobei da kein einziges Wort wirklich verstanden werden kann. Alles steigt auf und vergeht. Es beginnt von der ersten Sekunde an zu lärmen. Und wenn der letzte Ton verklungen ist, schaut man den tief hängenden Wolken verständnislos nach. Man fragt sich dabei: Was in aller Welt ist das denn gewesen? Inhaltlich wird dazu konsequent reduziert. Da geht's aufs Äußerste. Und das hat System – welches dann auch strikt durchgesetzt wird. Ja, es wird sich vehement dem widersetzt, was als angenehm angesehen wird. Das hat also nichts mit Genuss zu tun oder so. Da spritzen Blut und Spucke. Da gibt es nichts. Keine Variation – jedenfalls, was die einzelnen Titel anbelangt. Die könnten auch ein endlos langer sein. Wenn hier variiert wird, dann geht das über das Ganze. Das heißt, dass sich hier und da der Takt von einem zum nächsten Titel verhalten abändert. Ab und an bemerkt man vielleicht noch die veränderte Setzung der Schläge der Bass-Drum. Sonst aber wird hier bewusst auf so ziemlich alles, was im Ansatz Harmonie heißen könnte, verzichtet. Genuss wird aus- und abgestoßen. Songstrukturen werden negiert. Keine Strophe, kein Refrain, keine ausgeklügelte Technik, nur gähnende Leere – ein Vakuum, das einen einsaugt. Der Titel des Albums deutet es an. Es entsteht beim Hören ein SOG. Und ist man erst drin, beginnen gleich die Ohren zu bluten. Der Kopf qualmt und stinkt. Man reißt ihn sich ab, greift sich in den Hals und zieht sich quasi selbst noch einmal heraus. Am Ende hat man sich also von innen nach außen gestülpt. Der Mund, bzw. die Fresse, steht einem weit offen. HURE stehen für die ewige Wiederkehr des Immer-Gleichen – schonungslos, deckungsgleich mit dem, was der Fall, also die wortwörtliche Lebenswirklichkeit der meisten Menschen ist: Eine Knochenmühle. Die dreht sich. So wie die Welt.
awk für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » HURE auf bandcamp » Label-Seite » TRIMTAPTAPES
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Zusammenfassung
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Inhalt
1. Kopf
2. Qualm 3. Aus 4. Im Hals 5. Unten 6. Nein 7. Falsch 8. Loch/ Fresse |