Knapp anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung von "The Son" komplettiert GAYA DONADIO ihre, bereits 2008 mit "The Father" begonnene, musikalische Dreifaltigkeitstrilogie nun konsequenterweise mit "Holy Ghost" (ohne "The"!) und setzt dem Gesamtopus damit ein Sahnehäubchen auf, das sich gewaschen hat; man ist versucht zu sagen: das Beste aus beiden Welten – der des Vaters und der des Sohnes nämlich –, was der titelgebenden, dritten und überaus mysteriösen Hypostase des christlichen Gottes ironischerweise ziemlich angemessen scheint. Was genau nun allerdings das, von JUKKA SIIKALA in flirrenden Farben gemalte Closeup eines männlichen Genitals mit dem, nur sehr bedingt als maskulin zu bezeichnenden, Heiligen Geist zu tun haben soll, erschließt sich eher auf intuitiver Ebene. Am nächsten kommt dem intendierten Hintersinn wohl, wer ein wenig über den oberflächlichen Zusammenhang zwischen Monotheismus und Patriarchat nachbrütet. Dass es sich bei dem portraitierten Gemächt im übrigen um ein solches im erschlafften Zustand handelt, zudem von allerlei Schorf und Schmodder überzogen sowie von grünblau schillernden Schmeißfliegen umschwirrt, erhellt zusätzlich die, diplomatisch gesprochen: skeptisch-polemische Perspektive, die Signora DONADIO auf Christentum, Kirche, Klerus sowie insbesondere die damit einhergehenden patriarchalischen Herrschafts- und Repressionsstrukturen einzunehmen beliebt. Da wir uns hier jedoch im Rahmen einer CD-Rezension bewegen und nicht im Proseminar Gender Studies sitzen, sei der weitere interpretatorische Zugriff vertrauensvoll dem geneigten Rezipienten überlassen.
Kommen wir also zum eigentlichen Gegenstand dieses Artikels, der Musik – und hier bleibt nur anerkennend festzustellen: Gemessen an den Vorgängeralben präsentiert sich die ANTIchildLEAGUE auf "Holy Ghost" im Zenit ihres bisherigen musikalischen Schaffens. Wem "The Father" möglicherweise noch etwas zu inkonsequent und streckenweise beliebig, "The Son" hinwiederum eine Spur zu sperrig und frickelig tönte, der bekommt mit "Holy Ghost" einen Eimer voll irrlichternden Hasses ins Gesicht gekippt, der sprachlos zurücklässt. Insbesondere die Vocals wurden von DONADIO mit einer derartigen Radikalität einer- und Perfektion andererseits durch den Fleischwolf gedreht, dass das Ergebnis in seiner beispiellosen Wucht und Intensität an eine Melange aus frühen CURRENT 93 und WHITEHOUSE zu ihren besten Zeiten erinnert – nur dass es in diesem Fall eben eine Frau ist, die den nachtschwarzen, vom Wahnsinn gepeitschten Sangesghoul gibt: und das dermaßen authentisch und überzeugend, dass einem beim Zuhören wahrlich die Spucke wegbleibt. Insbesondere "Penis Dead" – nach des Rezensenten unmaßgeblicher Meinung wohl der Hit der Scheibe –, "Guilty Women" und der Abschlusstrack mit maximalem WHITEHOUSE-Faktor, "Zigzag Holy Mix", präsentieren die umtriebige Exil-Italienerin auf dem bisherigen Gipfelpunkt ihrer kompromisslosen Sangeskunst. Die perfekt austarierte Kombination aus dichten Noisepatterns, teils amorphen, teils rhythmischen Beats, fiesen Hochfrequenztönen, satten Drones und eben diesen infernalischen Vokalemissionen generiert im Endergebnis eine Radikalität, Brachialität, Intensität und Dichte, wie sie sich zwar bereits auf den Vorgängeralben immer wieder andeutete, doch erst mit der aktuellen CD zur vollen Reife entfaltet.
Summa summarum kommt während der gesamten Spielzeit der CD keinen Moment Langeweile auf. Als Opener fungiert der titelgebende Track: "Holy Ghost" dauert knappe zweieinhalb Minuten und hat lediglich Introcharakter. Basis ist ein gesampelter Knabenchoral während einer Messe im Vatikan zu Zeiten Johannes Pauls II., der übrigens bereits im Rahmen des Tracks "Mind The Gap" auf ACLs Debüt-Tape "Hellworm" von 2001 Verwendung fand. Es ist dies eine beunruhigend süßliche Einführung in eine ansonsten ganz und gar unsüßliche Abfolge hassiger Premium-Noise-Kracher, die dem Hörer keinerlei Verschnaufpause lassen und unmissverständlich klar machen, dass hier eine Künstlerin am Werke ist, die mit dem vorliegenden Album a) zu ihrem ureigenen, authentischen Stil gefunden hat und b) die Faxen gründlich dicke hat. Thematisch bleibt das Projekt ANTIchildLeAGUE sich treu und beackert weiterhin ein Feld, das man wohl annäherungsweise irgendwo zwischen vergleichweise holprigen Schlagworten wie satanistischem Feminismus, feministischem Satanismus und/oder matriarchalem Agnostizismus verorten könnte – und die bemerkenswerte Authentizität und beispiellose Wucht, die für "Holy Ghost" so charakteristisch ist, neutralisiert tatsächlich jene nervig-moralisierende Penetranz vollumfänglich, die einem ansonsten seitens solcher -Ismen entegenzuschlagen pflegt. Langer Rede, kurzer Sinn: Bemerkenswerte Weiterentwicklung, Verdichtung und Perfektionierung eines in der Substanz konsequent beibehaltenen Kurses. "Holy Ghost" ist ohne Zweifel bislang das ausgereifteste und überzeugendste ACL-Album – alle Daumen steil nach oben, klare Empfehlung!
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Zusammenfassung
Der krönende Abschluss von ACLs "Dreifaltigkeitstrilogie" besticht insbesondere durch kompromisslos hassige, infernalische Vocals, die dem Album in Kombination mit seinem radikalen PE-Sound eine beispiellose Intensität & Dichte verleihen. Bislang das ausgereifteste Werk: Empfehlung!
Inhalt
01: Holy Ghost (2:19)
02: I Hate You (3:34)
03: Ice Heart (3:30)
04: Weak Seed Holy Mix (2:28)
05: Weak Seed (4:35)
06: Pigeon Murder (2:29)
07: Penis Dead (4:18)
08: Dick Funeral (4:57)
09: Guilty Women (4:17)
10: Unreal (2:38)
11: In The Shadow (4:06)
12: Demystify (3:01)
13: Zigzag Holy Mix (4:12)