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awk

MIRT: Vanishing Land


MIRT: Vanishing Land
Genre: Electronica
Verlag: bdta
Medium: CD / Digital
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Fließend, summend und rauschend, manchmal von einigen Beats unterbrochen, durchzogen von synthetischen Klängen und Feldaufnahmen, die oft von Zikaden, ein Zirpen hören lassen – das ist die Musik von MIRT. Und die bringt auf interessante Weise zusammen, was nicht unbedingt sofort zusammengedacht wird.
Hier geht’s unsortiert zu. Da sind die einzelnen Sinneinheiten über das Album verstreut. „Modern Electronics“ z.B. besteht aus vier Teilen. Die jedoch wurden nicht zusammenhängend sondern an die siebente, achte, elfte und zwölfte Stelle gesetzt. Ebenso die Riten, die bei der Durchführung zeremonieller Handlungen Ablauf und Ordnung vorgeben. „Rite XVI“ befindet sich auf dem Album an dritter, „Rite V“ an zehnter Stelle.
TOMASZ MIRT sagt dazu, dass die einzelnen Teile durchaus auch als je gesonderte EP hätten herausgebracht werden können. Dies schien ihm aber nicht passend. Nachdem er sich das gesamte Material mehrfach durchgehört hatte, beschloss er, alles zusammenzulegen. Eine archivarische Perspektive sei für sein Verständnis sinnvoller als das voneinander Gelöste. Und so wurde das Album eine Art Collage. Was dann bedeutet, dass wir das Ganze vor diesem Hintergrund auch als eine solche verstehen sollten. Hier geht’s also nicht um die einzelnen Teile, sondern um das Gesamtbild. Und das ist geprägt von musikalischen Wechseln. Allerdings ging MIRT äußerst geschickt dabei vor. Bevor es zu Stimmungsbrüchen kommt – was durch die Verschiedenheit der einzelnen Teile quasi vorprogrammiert ist – überblendet der die zu harten Schnitte mit Synthesizer-Flächen oder mit Feldaufnahmen so, dass dann doch irgendwie ein zusammenhängendes Ganzes entsteht. Die zwölf Titel des Albums VANISHING LAND sind im Gegensatz zur Vermutung, dass ein solches Album in seiner Zusammensetzung wahllos klingen muss, also ein Beispiel dafür, wie es gelingen kann, ein solches dann doch bruchlos zu gestalten.

Gleich die ersten Titel stehen exemplarisch für dieses bedacht unsortierte aber geschickt in- und übereinandergeblendete Durcheinander. „Afrikanische Völker“ (01) beginnt mit der Außenaufnahme eines Motors oder Stromaggregats. Es blubbert, rasselt und tropft. Dazu wird eine Fläche eingeblendet. Dann ein pulsender Bass. Darüber läuft ein moduliert tropfender Synthesizer-Sound. Der wird ebenfalls eingeblendet. Nach und nach entsteht ein kompaktes Gebilde, dem einige hohe, zu den Zählzeiten versetzte Analog-Töne beigefügt sind. Und die variieren, so dass dieser erste Titel über die gesamte Spieldauer von etwa zehn Minuten spannend bleibt ... Mit einem tropfenden Rauschen läuft der Titel aus. Das heißt, er führt gleich weiter in den zweiten. „Patching in Phong Nha“ (02) beginnt ohne hörbare Pause. Das Wasserrauschen läuft weiter und wird von einigen fiependen Tönen begleitet, die dann irgendwann – mit dem Auftauchen einer Synthesizer-Fläche – auch schon zum nächsten Titel geworden sind.
„Rite XVI“ (03) ist zunächst, wie bei ritueller Musik üblich, von Wiederholung geprägt, also ohne nennenswert aufregende Bewegung. Doch das ist bekanntlich gewollt, um sich bei der Kontemplation nicht ablenken zu lassen. Dazu singt eine Männerstimme, die an einen Muezzin, der zum Gebet ruft, erinnert. Die Synthesizer-Fläche, die so etwas wie eine kleine Melodie gespielt hat, wird wieder von einem Pumpgeräusch abgelöst und führt in einen hohen Ton, der dann aber schon zu „Vanashing Land“ (04) gehört. Wieder ein, dieses Mal jedoch recht dumpfes, Singen. Dazu dann, nach dem langsamen Verschwinden des hohen Tons, Insektengeräusche, über die sich erneut Stimmen, Motorengeräusche, die, wie der Titel schon sagt, von Mopeds oder Motorrädern kommen. Womit wir uns dann auch schon wieder im nächsten Titel befinden: „Southeast Asia Motobikes“ (05) ...
Und so geht oder fährt es immer weiter. Und wir fahren mit – über elektrifizierte, durch ihre Einwohner religiös, rituell geprägte Landschaften, die möglicherweise demnächst verschwinden. Es sei denn, sie werden in ein Archiv gesteckt, in Ordner verschoben, um sie, wann immer gewünscht, hören und sehen zu können.

Insgesamt ein zunächst unsortiertes Album, dem der Archivar die für den jeweiligen Titel passende Signatur erst noch verpassen müsste, um aus der wohl kaum chronologisch geordneten Schüttelstruktur etwas formal Schlüssiges zu zaubern. Allerdings grenzt das Funktionieren des Albums dann doch auch irgendwie an Zauberei. Denn, es funktioniert. Ganz einfach. Die Ordnung stellt sich durch das Hören her, quasi selber, d.h. ohne eine das Chaos in Form bringende Hand.

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» MIRT auf myspace
» MIRT auf soundcloud
» Label-Seite
» Label auf bandcamp

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» MIRT: Rite Of Passage


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Inhalt
1. Afrikanische Völker I 10:02
2. Patching In Phong Nha 01:56
3. Rite XVI 06:26
4. Vanishing Land 00:50
5. Southeast Asia Motorbikes 04:32
6. Hanoi 01:09
7. Modern Electronics I 08:09
8. Modern Electronics II 01:45
9. Cicadas 01:41
10. Rite V 06:17
11. Modern Electronics III 04:38
12. Fuck Modern Electronics 06:10
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