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Andreas X.

ALLERSEELEN: Terra Incognita

Staub gewischt


ALLERSEELEN: Terra Incognita
Genre: Neofolk
Verlag: Ahnstern
Erscheinungsdatum:
Juni 2015
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: Aorta @ Discogs


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Jeder Song als 30-Sekunden-Teaser

Ich habe mich nie so intensiv mit ALLERSEELEN beschäftigt, wie einige NONPOP-Autoren hier in den vergangenen Jahren. (Entsprechende Texte sind unter diesem Artikel verlinkt.) Der typische Sound ist mir allerdings sehr präsent, was für die Ausnahmestellung des österreichischen Projektes spricht. Es braucht nur wenige Takte der stakkatoartigen Wiederholungen und der knarzigen Rezitation für ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens. Etwas kauzig eingerichtet ist es dort, die Möbel bestehen überwiegend aus dunklem Holz, geändert hat sich schon länger nichts mehr. Deshalb bin ich immer dann wieder auf ALLERSEELEN aufmerksam geworden, wenn ein wenig umgebaut wurde, bei diversen Gastauftritten wie zum Beispiel 2006 auf dem STURMPERCHT-Klassiker "Geister Im Waldgebirg" (Besprechung). Mit "I Bin Da Woid" stammt eines der besten, unterholzigsten Stücke des Albums von GERHARD HALLSTATT. Erwähnenswert ist ebenso der Beitrag für den selbst initiierten Sampler "Oak Folk" (Besprechung, 2011). Wenn ALLERSEELEN die Atmosphäre befreundeter Bands oder Musiker adaptiert haben – das alles sehr subjektiv betrachtet –, dann klang das Gesamtpaket etwas anders, urfolkiger vielleicht, oder naturnäher.

Nun erscheint fünf Jahre nach dem bislang letzten offiziellen Album "Rauhe Schale" (Besprechung, 2010) mit "Terra Incognita" ein neues eigenes Werk. Im Titel steckt die Suche nach neuen, unbekannten oder zumindest nicht kartografierten Regionen. Ein Motiv, welches für ALLERSEELEN nicht neu, dieses Mal meines Erachtens aber auch musikalisch, also deutlich hörbar umgesetzt ist. Nichts wird es mit dem ganz entspannten Zurücklehnen und der "Kenn' ich schon ist ok"-Attitüde. "Terra Incognita" scheint mir, aufbauend auf den Sound der vergangenen zehn, 15 Jahre moderner und innovativer. Obwohl das Album zum Teil aus älteren Stücken besteht, die – mit dem Zusatz '2015' versehen – eine umfassende Oberflächenbehandlung bekamen.

Ja, das Knurren und Knarren im Opener "Steingeburt" (01) – einer der früheren Songs, im Original auf einer zwölf Jahre alten Maxi-CD – ist natürlich vertraut. Ein Lied wie aus geloopten Bestandteilen zusammengenietet – auch das sorgt für Wiedererkennen, ebenso die an dadaistische (österreichische) Lyrik erinnernden Textfragmente. Allerdings geht es erstaunlich melodiös zu, gar mit einem von Streichern untermalten Refrain. Das bekannte "Fliegerlied" (02) tönt recht martialisch, mit sehr gut passenden NDW-Synthies dazu. Die Stimme singt mehr als zu rezitieren, und spontan – nach dem dritten Hören vielleicht etwas weit hergeholt – muss ich an die deutsche Synthiepop-Band PROPAGANDA denken. "Böses Blut" (03) ist sehr rhythmisch und treibend, Elektropop mit Kante und, natürlich, verschrobenen Lyrics. "Ikarus" (04) schlägt leisere Töne an, bewahrt dabei aber sehr viel Flow – für mich eines der besten Lieder. Sehr stark und sehr melancholisch, trotz der dröhnenden Bassgitarre, die in früheren Besprechungen schon mit RAMMSTEIN in Verbindung gebracht wurde. Nahezu schmachtend wird der Name des titelgebenden fliegenden Griechen wiederholt. Ganz im Kontrast dazu steht die heftig geloopte Swing-Melodie in "Flamme" (05), wobei eine düstere, geheimnisvolle Atmosphäre bestehen bleibt und dadurch ausgerechnet dieser Song ganz besonders unterholzig, dunkel und herrlich altmodisch wirkt.
Ähnlich abwechslungsreich geht es weiter. Apokalyptisch zerrt das "Totenschiff" (06), "Thule" (07) rockt sehr lyrisch. Als einer der vielen Gäste leiht ROBERT N. TAYLOR (CHANGES) dem zentralen Mittelstück "From The Emptiness" (08) seine Stimme. Diese lebenserfahrene und energiegeladene Wucht der Vocals in Kombination mit sich typisch wiederholenden ALLERSEELEN-Elementen ist ein weiterer Höhepunkt. Ebenso wie das erneut lyrisch dahinfloatende "Was Wissen Wir Vom Licht" (14), ruhig und in seiner Anmutung dem Minimalpop von ANTLERS MULM nicht unähnlich.

Lyrics von NIETZSCHE, WAGNER oder GOETHE, ein reichhaltiges Gästetableau, die starke rituelle Komponente sowie die schwarz gefärbte Grundmelancholie – kennen wir, finden wir gut. Bei manchen Songs stellt sich bei mir – auch das klang schon in früheren Besprechungen an – eine Verbindung zur so genannten Neuen Deutschen Welle her, zu den guten, dilettantischen und frechen Projekten von damals, die nichts mit den belanglosen Chart-Hits gemein hatten.
Dieses Mal geht es darüber hinaus aber ganz besonders melodisch und atmosphärisch zu, passenderweise auch mit teils richtigem Gesang, so dass mir – als vorerst letzter Vergleich – das zauberhafte Ambiente von Ô PARADIS einfällt, wenngleich die Vocals von ALLERSEELEN wesentlich kantiger sind. Eine "Hymne an die Nacht", wie es in "Grünes Licht" (09) heißt – so könnte man "Terra Incognita" umschreiben. Für mich das vielfältigste und spannendste ALLERSEELEN-Album, zumindest seit sehr langer Zeit. Profunde Kenner des Gesamtwerkes sehen das vielleicht anders, zumal Adjektive wie 'zugänglich' nicht von jedem gleichermaßen als Kompliment verstanden werden.

 
Andreas X. für nonpop.de


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Zusammenfassung
Besonders melodisch und atmosphärisch - und damit auch zugänglich, was sicher nicht jeder als Kompliment versteht. Eine "Hymne an die Nacht", wie es in "Grünes Licht" heißt - so könnte man "Terra Incognita" umschreiben. Für mich das vielfältigste und spannendste ALLERSEELEN-Album seit langer Zeit.

Inhalt
01. Steingeburt (2015) (3:21)
02. Fliegerlied (4:42)
03. Böses Blut (5:19)
04. Ikarus (5:00)
05. Flamme (2015) (3:45)
06. Totenschiff (5:24)
07. Thule (2015) (4:37)
08. From The Emptiness (4:26)
09. Grünes Licht (4:32)
10. Neunmondmesser (5:01)
11. Sturmlied (2015) (3:42)
12. Wir Sind Schwäne (2015) (4:15)
13. Panzergarten (2015) (4:30)
14. Was Wissen Wir Vom Licht (4:45)
15. Schwarzes Vinyl (5:11)

~ 68 min.
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