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Michael We.

ALGIERS: ~

Neo-Gospel? Neo-Gospel!!


ALGIERS: ~
Genre: Gospel
Verlag: Matador Records
Erscheinungsdatum:
1. Juni 2015
Medium: CD / LP
Preis: ~12,00 €
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Die spannendsten Newcomer des Jahres? Dieses Prädikat verleiht der rührige Vertrieb im deutschen Pressetext an ALGIERS – und hat damit sowas von Recht! Drei Musiker aus dem tiefen Süden der USA, aus Atlanta, die den Gospel neu erfinden, ihn modernisieren. Sie erinnern dabei an schwarze US-Protestsongs der 1960er-Jahre, auf die ihre Homepage mit vielen Fotos und entsprechenden Videoclips mehr als deutlich verweisen. Aber musikalisch bleibt es eben nur eine sanfte Erinnerung. Mit der neuen Welle klassischer – und oft recht dürftiger – Protestsongs rund um die weiße Polizeigewalt in den Staaten haben ALGIERS nichts zu tun. Das Trio fügt seiner Musik so viele weitere Ebenen hinzu, von Wave über Drones und Industrial bis hin zum unvermeidlichen Post-Punk, dass der traditionelle Sound des US-amerikanischen Südens zwar stets erkennbar bleibt. Er gleichzeitig aber so modern, so anders und neu wirkt, dass jeder Ton überrascht. 'Doom Soul', habe ich im vorab langsam anschwellenden Presseecho als kluge Umschreibung entdeckt...
Entstanden ist das Album in den 4AD-Studios in London, dort leben auch zwei der drei Bandmitglieder. Lediglich Sänger FRANKLIN JAMES FISCHER wohnt noch in Atlanta. Produziert hat TOM MORRIS, der auch schon für ESBEN AND THE WITCH aktiv war, und manchmal lassen sich sogar Ähnlichkeiten im Sound beider Bands feststellen...

"Remains" (01) eröffnet das Debütalbum, verbreitet stellvertretend für alle elf Stücke auf eine düstere, bedrohliche Art und Weise seine Südstaaten-Atmo. Ein dunkler Drone hängt in der Luft, dazu fungiert ein stampfender Beat mit Handclaps als Antreiber, und der tief soulige Gospelgesang von FISCHER setzt ein. Die Rhythmen bleiben häufiger langsam, sind nichtsdestotrotz knackig und sehr mitreißend. Gegen Ende wird der Song zunehmend hymnisch, mit Synthieflächen, dröhnenden Gongs und Chorsummen – Wahnsinn! "Claudette" (02) übernimmt dieses industrielle Stampfen, begleitet nur von einzelnen Sounds, auch der Gesang bleibt streckenweise fast acapella. Hier offenbart sich ganz besonders der beeindruckende Gegensatz zwischen Gospel – mit diversen Chorversatzstücken – und der dauerhaft vorhandenen, oft unterschwelligen Dunkelheit anderer Genres, später auf den Punkt gebracht durch eine quietschende, schräge und zerrende E-Gitarre. Ebenfalls auffällig ist der grandiose Minimalismus, sowohl beim Gesang als auch beim Einsatz von Instrumenten, der viele Passagen umso stärker strahlen lässt. "And When You Fall" (03) scheint mir am ehesten in Richtung eines klassischen Gospel-Stückes zu gehen, mit Vorsänger und Antworten aus dem Chor, allerdings in einer hektisch tuckernden Umgebung, die immer wieder Stimme oder Instrumente zerren lässt. Mit Rastlosigkeit, einer drängenden Unruhe, aber auch vielen Überraschungen geht es durch die restlichen Songs: Disco-Sounds in "Irony Utility Pretext"(06), Dub-Anklänge in "Black Eunuch" (08) oder die seltsamen Elfenstimmen und diverse Samples im letzten Stück.

Nur ganz kurz fühle ich mich zurückversetzt in einen "Shaft"-Krimi. Denn ALGIERS bieten schon nach wenigen Sekunden so viel mehr als einen bloßen Abklatsch einer bestimmten Epoche. Auch mit den zig Retro-Bands der Stunde, wie zum Beispiel den ähnlich gelagerten THE VINTAGES, haben die drei Musiker aus Atlanta nichts zu tun. Die Gesangsleistung ist enorm stark, stets mit einem schmutzigen, kratzigen Unterton in der Stimme. Die Songs sind rhythmisch, treibend, trotz der teils minimalistischen Passagen extrem dicht. Und diese besondere, industrielle Atmosphäre legt sich auf alle Stücke. Wenn es modernen Gospel gibt, dann funktioniert er genau so. Überzogen mit ein wenig Staub aus Stahlbeton. ALGIERS mit ihrem gleichnamigen Debüt sind eine Urgewalt!

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ALGIERS @ Facebook


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Zusammenfassung
Starker Gesang, treibende Songs, industrielle Atmosphäre. Wenn es modernen Gospel gibt, dann funktioniert er genau so. Überzogen mit ein wenig Staub aus Stahlbeton. ALGIERS mit ihrem gleichnamigen Debüt sind eine Urgewalt!

Inhalt
CD / LP & Download

01. Remains
02. Claudette
03. And When You Fall
04. Blood
05. Old Girl
06. Irony. Utility. Pretext
07. But She Was Not Flying
08. Black Eunuch
09. Games
10. In Parallax
11. Untitled

~ 45 min.
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