Nanu, die ROLLING STONES? Natürlich nicht, aber was Lebenserfahrung angeht, die ins Gesicht geschrieben steht, könnten ALIG FODDER (alias JOHN PEARCE) und seine Kollegen durchaus mit KEITH RICHARDS etc. mithalten. Ende der 1970er-Jahre gründete PEARCE in London die FAMILY FODDER, ein musikalisch fast undefinierbares Projekt, welches im Laufe der Zeit 1000 und mehr Mitglieder haben sollte – wir haben die FAMILY anhand einer liebenswerten Zusammenstellung alter Stücke
schon kurz vorgestellt. Im Gegensatz zu
THE 49 AMERICANS (
Besprechung), einer ähnlichen Londoner Wohnzimmer-WG im Umfeld von
DAVID TOOP, sind die FODDERs in den vergangenen Jahren erneut aktiv geworden, überwiegend mit der Kernmannschaft von damals, haben neues Material eingespielt und planen ihre zweite Europatour innerhalb kurzer Zeit. Erhalten haben sie sich die Vielfalt: zwischen Reaggae, Folk, Rock, Songwriter, Psychedelic und was auch immer ist alles möglich.
Ganz neu sind die Lieder auf "Just Love Songs" nun zwar nicht, es handelt sich um eine Sammlung aus dem reichhaltigen FODDER-Katalog zum Thema 'Liebe' – wobei dieses Thema sehr weit gefasst ist, wie ALIG im Vorwort erklärt, es kann also auch um die Liebe zu Tieren oder Blumen gehen. Allerdings sind alle elf Stücke mit hörbar viel Spaß neu eingespielt und im Wesentlichen von etwas Schnickschnack befreit worden.
"The Onliest Thing" (01 –
unten im ursprünglichen Sound) ist, passend zum Thema, sehr intim und akustisch. Zu Streichern – wie einem tiefen Cello – beteuern sich Mann und Frau im Duett ihre Liebe, später kommt noch ein Klavier dazu. Erinnert mich vom Sound her ein wenig an
THEY MIGHT BE GIANTS, aber (noch) ohne deren skurrile Komik. "Hippy Bus To Spain" (02) mutet orientalisch an, gezupfte Geige und vertrackter Rhythmus lassen der Trauer einer Frauenstimme, die einem oder etwas Verlorenem nachtrauert, freie Bahn. Assoziationen: Schwüle, Karibik, Strand, Alleinsein – wie die meisten Stücke überhaupt starke Emotionen hervorrufen. "Déjà Déjà Vu" (03) ist für unterwegs: flotter Psychrock der 70er, dezent instrumentiert und tuckernd, hier noch mehr wie THEY MIGHT BE GIANTS. Textlich entpuppt sich das Ganze als zunehmend absurder, in "Primeval Pony" (04) geht es zum Beispiel um eben dieses Tier und seine Karotte. Und parallel dazu geht es auch musikalisch zunehmend kurioser (und sehr erfrischend!) zu. "Whatever Happened To David Zé" (05) ist so afrikanisch wie Songs von
JOHNNY CLEGG, inklusive der Percussion und dem Chor. "Backstreets Of Infinity" (06) etwa tönt dagegen protestrockig wie
BILLY BRAGG.
Was für eine Abwechslung, was für ein Wildern in zig Genres, was für eine Freude! Zwischen Orient, Afrika und Britannien, oft mit viel Humor. Neben den erwähnten Bands besteht eine große Ähnlichkeit mit den 49 AMERICANS, und, Überraschung, in manchen der britischen Songs sogar mit
TONY WAKEFORD (insbesondere bei "Strangest Game", 10). Ein klasse Sommerpackage für einen entspannten Tag am See, mit entsprechend hoher musikalischer Qualität. Ab September zu haben, und nur auf Vinyl.
Im vergangenen Januar sind übrigens einige Alben aus dem Backkatalog von FAMILY FODDER bei STAUBGOLD erschienen, dort wo auch "Just Love Songs" veröffentlicht wird ... Ein komplett neues Album (mit dem Arbeitstitel "Rough Mix") ist in Vorbereitung.Diskografie:
- Sunday Girls (A Tribute To Blondie By Family Fodder And Friends) LP (Fresh Records, 1979)
- Monkey Banana Kitchen CD/LP/DL (Fresh Records, 1980 / Staubgold, 2014)
- Greatest Hits LP (Crammed Discs, 1981)
- Schizophrenia Party 12" (Fresh Records, 1981)
- Schizophrenia Party (Director's Cut) LP/DL (Staubgold, 2014)
- All Styles 2LP (Jungle Records, 1983)
- Water Shed CD (Dark Beloved Cloud, 2000)
- Classical Music CD (The state51 Conspiracy Ltd, 2010)
- Variety CD (The state51 Conspiracy Ltd, 2013)
- Just Love Songs LP (Staubgold, 2014)
Einer der Originalsongs, als Vorgeschmack...