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Richard K.
Die Filme von ALEJANDO JODOROWSKY
Die Suche hat ein Ende
Kategorie: Rezension
Erstellt: 16.04.2014
Wörter: 1006
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Mit seinen beiden Filmen "El Topo" und "Der Heilige Berg" revolutionierte der chilenische Regisseur ALEJANDRO JODOROWSKY 1970 beziehungsweise 1973 das Kino: Das Genre des „Mitternacht-Kinos“ erfand er zwar nicht selbst, wie mancherorts zu lesen ist, aber er prägte die Gattung des subkulturellen Gegenkinos ohne Zweifel entscheidend mit. Finanziert wurden beide Filme von ALLEN KLEIN, dem langjährigen, 2009 verstorbenen BEATLES-Manager, der durch JODOROWSKYs Erstlingswerk "Fando y Lis" auf den Lichtspielmagier aufmerksam wurde. Der Streit um das Nachfolgeprojekt zu "Der Heilige Berg" führte zum Zerwürfnis der beiden schwierigen Charaktere, mit langjährigen Folgen für das cineastisch interessierte Publikum: Während KLEIN mit JODOROWSKY die Verfilmung des BDSM-Buchklassikers "Die Geschichte der O" plante, zog es JODOROWSKY nach Hollywood, wo er eine nie realisierte, gigantomanische Verfilmung des Science Fiction-Klassikers "Dune – Der Wüstenplanet" anging. KLEIN verhielt sich schnippig: Der Produzent weigerte sich, die Rechte an beiden Filmen herauszugeben und boykottierte damit jede Veröffentlichung. Die Folge: Beide Filme waren nur über zum Teil grausam schlechte Bootlegs zu erwerben.
Kurz vor KLEINs Tod kam es zur Versöhnung der beiden Betonköpfe und somit kann nun auch der sympathische Kleinverlag BILDSTÖRUNG für den deutschen Markt die erste offizielle Veröffentlichung der beiden Werke, ergänzt um das ebenfalls schwer erhältliche Langspielfilm-Debüt "Fando y Lis" und eine Menge Extras, darunter der lange verschollen geglaubte Kurzfilm "Die Krawatte", viele Interviews und die liebevolle Dokumentation "Die Konstellation Jodorowsky", präsentieren. Ergänzt wird die liebevolle Box, die den irreführenden Titel "Die Filme des Alejandro Jodorowsky" trägt, die Spätwerke "Santa Sangre" und das enttäuschende "The Rainbow-Thief" sowie den neuen Comeback-Film "La Danza de la Realidad" aber nicht beinhaltet, um weitere Extras: So wurden der Box auf CD die Soundtracks von "El Topo" und "Der Heilige Berg" beigegeben, auf denen JODOROWSKY, der auch als Therapeut, Tarotleger, Romancier, Comic-Autor, Schauspieler und Pantomist arbeitet oder gearbeitet hat, in seiner Rolle als Musikkomponist zu bewundern ist. Wie auch seine Filme ist seine Musik eine wilde Collage, in diesem Fall aus abgedrehter Mariachi-Musik, der Volksmusik der Anden, psychedelischem Rock/Pop und humoristisch-martialischen Klängen (legendär etwa sein aus pompös-teutonisches Marschlied "1-2-3-4-5", mit dem im "Heiligen Berg" die Conquista des lateinamerikanischen Kontinents durch von Kröten dargestellten Europäer untermalt wird und als eine frühe Blaupause des Military Pop gedeutet werden könnte).
Alles in allem eine Pflichtanschaffung für alle Liebhaber des abseitigen Films. Das einzig Irritierende des Mammutwerks: Die mit einem Audiokommentar versehenen, entfallenen Szenen aus "Der Heilige Berg" befinden sich auf der Bonus-DVD zu "Fando y Lis". Eine Petitesse angesichts der Großartigkeit des Gesamt-Unterfangens.
Die Filme im Überblick
Die Krawatte
Dieser kurzweilige, nur 20 Minuten lange Film entstand bereits 1957 und damit über ein Jahrzehnt vor JODOROWSKYs eigentlichem Debüt "El Topo". Der Film galt lange als verschollen und wurde erst kürzlich auf einem deutschen Dachboden wieder entdeckt. Die Geschichte basiert locker auf der Kurzgeschichte "Die vertauschten Köpfe" von THOMAS MANN und ist schnell erzählt: Ein Mann möchte seine Liebste erobern, doch leider findet die an seinem Äußeren kein Gefallen. Wie günstig, dass eine Dienstleisterin um die Ecke den Tausch von Köpfen anbietet. Stilistisch merkt man dem simplen, aber schon äußerst kunstfertig umgesetzten Film noch JODOROWSKYs Wurzeln in der Pantomine an. Interessant: Auch in "Der Heilige Berg" und damit über 15 Jahre später taucht eine ähnliche Episode um Fon, einem der Suchenden, der sein Geld mit Schönheitschirurgie verdient, auf.
Fando y Lis
JODOROWSKYs erster richtiger Film "Fando y Lis" aus dem Jahr 1967 basiert auf einem Theaterstück seines Mouvement-Panique-Kollegen FERNANDO ARRABAL. Der eingebildete und etwas tumbe Fando und seine gehbehinderte Freundin Lis leben als Spielbälle des Spotts in einem heruntergekommenen Dorf. Beide träumen sie von einem fantastischen Paradies namens Tar. Gemeinsam machen sie sich auf den beschwerlichen Weg durch eine Wüste, in der sich beide ihren Ängsten – Einsamkeit bei Lis, das Verhältnis zu Vater und Mutter bei Fando – stellen müssen. Schon in seinem Erstlingsfilm treten viele typische Elemente der JODOROWSKYschen Filmkunst zu Tage, so etwa die manische Beschäftigung mit Eltern-Kind-Beziehungen und das Genre des Stationendramas, das der Regisseur in den nachfolgenden Filmen perfektioniert. Andere Elemente wie brennende Klaviere verraten noch den Einfluss der Filme von LUIS BUÑUEL und SALVADOR DALI.
El Topo
JODOROWSKYs Durchbruch, mit dem er als Wahl-Amerikaner in New York das Mitternachtskino miterfand und von dort die cineastische Welt eroberte. In "El Topo" trifft Spaghetti-Western auf Esoterik und Surrealismus, fernöstliche Philosophien und die Bibel auf NIETZSCHEs "Also sprach Zarathustra": "El Topo", ein alles andere als lupenreiner Revolverheld, verstößt für eine Frau seinen Sohn und fordert, um ihr zu gefallen, vier spirituelle Meister auf Duelle um Leben und Tod heraus. Dabei begibt sich auch diese Gestalt wie Fando und Lis auf eine Stationen-Reise durch die Wüste. El Topos eigene weibliche Seite bringt ihn nach einem Sieg über die vier Meister zu Fall. Er erwacht in einer Höhle gefangen als Gottheit von Aussätzigen. Mit seiner neuen, kleinwüchsigen Liebe versucht er, die aussätzigen Freaks von ihrer platonischen Höhlengefangenschaft zu befreien. Dabei trifft er auf eine bigotte Dorfgemeinschaft – und seinen Sohn.
Der heilige Berg
Unbestritten der Höhepunkt in JODOROWSKYs Schaffen. Auch hier steht eine spirituelle Reise im Mittelpunkt. Dabei trifft ein Narr (die erste oder besser: nullte Karte im Tarot) auf seinen spirituellen Meister. Gemeinsam mit acht weiteren Suchenden begeben sie sich auf die Suche nach dem Heiligen Berg, um Unsterblichkeit zu erlangen. Neben den selbst für JODOROWSY unglaublich schönen und symbolischen Bildern sticht in der Heilige Berg die komische Note im Werk des Chilenen hervor: Spiritualität und Humor ergänzen sich demnach im Angesicht der Nichtigkeit allen menschlichen Seins, Handelns, Strebens und Sterbens. Filmhistorisch legendär ist das Ende des Films, in dem Jodorowsky die Endszene als bloßes Filmset enttarnt und die Fantasie zugunsten der Realität aufbricht, ein Kniff, den die britische Komikertruppe MONTY PYTHON zwei Jahre später in "Ritter der Kokosnuss" zitiert. 
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Verweise zum Artikel:
» Bildstörung
» deutschsprachige Infoseite
» Portrait im Ikonen-Magazin
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Zusammenfassung
Pflichtkauf: Bildstörung veröffentlicht 25 Jahre nach der Indizierung von "El Topo" und jahrzehntelanger Rechtsstreitereien zum 85. Geburtstag von Alejandro Jodorowsky seine Frühwerke "Der heilige Berg", "El Topo", "Fandy y Lis" und "Die Krawatte" mit massig Bonusmaterial zu einem günstigen Preis.
Positiv aufgefallen
Günstiger Preis, liebevolle Restaurationsarbeiten.
Inhalt
Die Box beeinhaltet vier DVDs und zwei CDs mit den kompletten und bild- und tontechnisch verbesserten Filmen "Die Krawatte", "Fando y Lis", "El Topo" und "Der Heilige Berg" in Deutsch und der jeweiligen Originalsprache, Audio-Kommentare des Regisseurs, die Dokumentation "Die Jodorowsky-Konstallation", entfallene Szenen und einige Interviews mit ALEJANDRO JODOROWSKY. Auf beiden CDs finden sich zusätzlich die Soundtracks zu "El Topo" und "Der Heilige Berg". Zwei Begleithefte mit einem interessanten Interview mit JODOROWSKY aus dem Jahr 1970, einem deutschen Indizierungsantrag zu "El Topo" aus dem Jahr 1987 und eine filmhistorische Einordnung durch den Filmhistoriker CLAUS LÖSER runden das Gesamtpaket ab.
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