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Michael We.

LEOPOLD HURT - Schellacks und Neue Musik

Vier Stücke des Zitherspielers und Komponisten


LEOPOLD HURT - Schellacks und Neue Musik
Genre: Neue Musik
Verlag: Wergo
Medium: CD
Preis: ~16,00 €
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"Erratischer Block" live in Hamburg (2012)

Normalerweise finde ich es anstrengend, seitenlang Material lesen zu müssen, um Künstler und Musik besser verstehen zu können. Im Fall von LEOPOLD HURT lohnt sich die Lektüre des umfangreichen Booklets aber. Erstens erklären die Texte das unterbewusste Gefühl von alpinen Landschaften, welches sich streckenweise einstellt. Zweitens nötigt die Lektüre dem Werk des Wahl-Hamburgers schon im Voraus Respekt ab, so spannend und ausgeklügelt sind die Ideen, dabei ist der Mann erst 35!
Aufgewachsen in Regensburg, studierte der professionelle Zitherspieler zunächst 'Komposition' und dann 'Historische Aufführungspraxis'. Volksmusik und entsprechende, historische Klangaufnahmen spielen bei seinen Recherchen und Aufführungen ebenso eine Rolle wie Neue Musik und moderne Elektroakustik. Unter anderem arbeitet er mit GEBRÜDER TEICHMANN zusammen, mitbegründet hat er das internationale Zither-Trio GREIFER. Die unbetitelte CD auf WERGO enthält nun vier Stücke des Multi-Talents, die teilweise mit genau dieser Kombination aus alten Originalen und Neuer Musik spielen.

"Erratischer Block" (01) ist eigentlich ein Begriff aus der Geologie; er bezeichnet einen einsam in der Landschaft liegenden Stein, auch 'Findling' genannt. Die Fundstücke sind in diesem Fall wohl alte Schellack-Platten der 1920er-Jahre aus Bayern und Niederösterreich, die – auf Dachböden wartend – zufällig in die Hände von HURT gerieten und Einfluss auf die 22minütige Komposition nahmen. Das Stück klingt zunächst sehr filmisch, hat einige Suspense-Momente mit seinen schreddernden Streichern und der E-Zither. Dazwischen liegen ruhige, einzelne Töne und Klänge, und ... ja, volksmusikalische Anleihen wie Kuhglocken. Das Einspielen alter Schellacks lässt noch auf sich warten, dennoch ist von Beginn an, sozusagen auf den ersten Blick, eine alpenländische Umgebung zu spüren. Offenbar arbeitet HURT mit bestimmten Klängen, Frequenzen der alten Stücke, welche dieses Gefühl auslösen. Die Instrumente aus der Jetztzeit nähern sich dann den Originalen, die langsam aus dem Hintergrund auftauchen. Sie überlagern, konterkarieren, begleiten sich gegenseitig, bis daraus ein gemeinsamer Tanz, eine gemeinsame Landschaft wird. Als besonders schön empfinde ich "Erratischer Block", wenn längere Schellack-Passagen – am Ende auch mit Gesang inklusive Jodler – stehen bleiben und von modernen Klängen dezent begleitet werden.
"Dead Reckoning" (für zwölf Streicher, 02) basiert auf einem Messverfahren zur Ortsbestimmung für Schiffe und Flugzeuge. Von der Rhythmik her könnte ASTOR PIAZZOLLA dieses moderne Streichquartett arrangiert haben. Im Mittelteil liegen ruhige, längere Drones, was manchmal wie ein gegenseitiges Einstimmen der Instrumente wirkt; am Ende steht ein Stückchen Dark Ambient mit einem knarzenden Röcheln. "August Frommers Dinge" (03) bezieht sich auf die Dachkammer von AUGUST FROMMER, eines bayerischen Exzentrikers. Der Erfinder lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen und sammelte Zeit seines Lebens Dinge, mit denen er glaubte, ein Perpetuum Mobile bauen zu können. Die schrägen Streichereinsätze erinnern mich oft an den Nekrogeiger HERMANN KOPP; sie wirken erneut sehr filmisch und wechseln zwischen dichten und kaum hörbaren Passagen. "Seuring / Schalter" (04) schließlich geht erneut auf volksmusikalische Originale zurück, auf Lieder eines Klarinetten-Spielbuches aus dem 19. Jahrhundert von FRIEDRICH SEURING. Hier tauchen allerdings keine Originale auf, die Noten dienten lediglich als Spielmaterial, als Grundlage. "Die Melodien denken über sich selbst nach", sagt HURT. Auch hier entsteht – wie im ersten Stück – der Eindruck verschiedener Orchesterteile, die zueinander finden, was im Verlauf immer besser gelingt.

Auch das Cover passt: Das verwaschene Foto eines älteren (Bauern)Ehepaares stimmt auf die Beschäftigung mit vergangenen Zeiten und der entsprechenden Musik ein, scheint allerdings nicht ganz greifbar, dreidimensional. So wie sich die Originalmusik oft in Frequenzen und Einzelklänge auflöst, nur noch emotional spürbar ist. Volksmusik und andere überraschende, historische Quellen, die sich modernen, klassischen Klängen annähern, sich mit ihnen balgen, verschmelzen – das ist aufregend und intensiv. Selbst an der Zither beteiligt, ist LEOPOLD HURT ein äußerst spannender junger Komponist und Musiker. Und die umfassenden Texte zu den Stücken helfen, das Werk zu verstehen. Hoffentlich entrümpelt er noch den einen oder anderen Dachboden ...

 
Michael We. für nonpop.de


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Zusammenfassung
Volksmusik und andere überraschende, historische Quellen, die sich modernen, klassischen Klängen annähern, sich mit ihnen balgen, verschmelzen - das ist aufregend und intensiv. Selbst an der Zither beteiligt, ist LEOPOLD HURT ein äußerst spannender junger Komponist und Musiker.

Inhalt
1. Erratischer Block (22:09)
2. Dead Reckoning (16:42)
3. August Frommers Dinge (17:56)
4. Seuring / Schalter (18:17)

~ 75 min.
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