GAITO GASDANOW nun auch als Hörspiel

GAITO GASDANOW sorgte 2012 mit seinem ersten auf Deutsch erschienenen Roman posthum für Wirbel in den Feuilletons. Begeisterte Kritiker lobten "Das Phantom Des Alexander Wolf", Vergleiche mit CAMUS oder NABOKOV fielen zuhauf. Der 1971 verstorbene Russe gelangte im Alter von 20 Jahren über Bulgarien nach Paris, wo er bis zu seinem Tod – zwischenzeitlich auch in München – lebte und hauptsächlich als Journalist arbeitete, lange Jahre bei RADIO LIBERTY. Außerdem veröffentlichte er neun Romane und knapp 40 Erzählungen, die kleine Exilverlage bei überschaubarer Rezeption publizierten. Seit dem Zerfall der Sowjetunion erscheinen seine Arbeiten auch in Russland, wo er seit den 1990er-Jahren breiter verlegt und als eine der wichtigsten literarischen Entdeckungen der vergangenen Dekaden gefeiert wird.
In Deutschland dagegen blieb er weitgehend unbekannt, nur zwei seiner Erzählungen wurden überhaupt in deutscher Sprache veröffentlicht. Die preisgekrönte TOLSTOI-Übersetzerin ROSEMARIE TIETZE brachte "Das Phantom Des Alexander Wolf" – von GASDANOW 1948 geschrieben – vor zwei Jahren im HANSER-Verlag unter und sorgte, mehr als 40 Jahre nach dem Tod des Autors, für die oben erwähnte Verzückung. Vor einigen Wochen folgte mit "Ein Abend Bei Claire" (1929) die Veröffentlichung des zweiten Romans, GASDANOWs Debüt.

Auf den 192 Seiten von "Das Phantom Des Alexander Wolf" passiert – in aller Kürze – Folgendes: Der namenlose Ich-Erzähler, ein ehemaliger Weißgardist – nicht die einzige autobiografische Note des Romans – erzählt, wie er im Alter von 16 Jahren einen feindlichen Reiter niederschoss, der ihm auf einem übergroßen, weißen Hengst entgegenritt. Dieses Erlebnis verfolgt ihn die nächsten 15 Jahre, bis ihm ein Buch in die Hände fällt. Darin wird dieser Vorfall detailgenau beschrieben, so dass es sich bei dem Autoren um den Reiter handeln muss, den der Erzähler damals vermeintlich tötete. Über einen gemeinsamen Bekannten und eine geheimnisvolle Liebe treffen beide erneut aufeinander ...

Unter anderem bemerken die positiven Besprechungen des Buches, dass es so viele Motive gäbe und der Roman zahllose Genres streife. Dies gilt auch für das eben im HÖRVERLAG erschienene, kompakt auf eine CD komprimierte Hörspiel. Es geht um die Schuldfrage, die Unausweichlichkeit des Schicksals, die immerwährende Auseinandersetzung mit dem Tod, um die perfekte Liebe. "Das Phantom Des Alexander Wolf" ist auch in der Hörspielfassung Gesellschaftsroman, psychologische Studie – der Ich-Erzähler ist offenbar schizophren, so dass es sogar kurz möglich scheint, dass Täter und Opfer ein und dieselbe Person sind –, Drama, Krimi, Thriller. Für die recht verschachtelte Handlung besitzen die knapp 80 Minuten eine sehr klare Struktur, wozu vor allem Geräusche und Musik beitragen. Bestimmte Orte haben ihren Klang, zeitliche oder gedankliche Brüche werden durch krasse Soundbrüche gekennzeichnet, was aber das Hören einfacher macht. Zur dichten Atmosphäre tragen auch die Versatzstücke neu vertonter, französischer Chansons bei – der Erzähler lebt, eine weitere Parallele zu GASDANOW, in Paris. Die Stimmen sind äußerst passend ausgesucht, geben die teils unterkühlte, verkopfte Selbstwahrnehmung der Charaktere wieder, ihre Verlorenheit in sich selbst. Besser als Kino!

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