Soso. Ein neuer Tonträger von CELER. Was darf man davon halten, was soll man dazu sagen? – Nun, zuerst einmal wohl, dass es durchaus größere Sensationen gibt: Das Projekt hat im Verlauf seines, noch nicht einmal zehnjährigen Bestehens eine schlechterdings nicht mehr überschaubare Flut von Veröffentlichungen auf die Welt losgelassen, und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Alleine bei discogs umfasst die Discographie gegenwärtig 112 Posten auf fünf Seiten, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, die CELER-Homepage listet 63 Label- und 33 Eigenveröffentlichungen auf, und die Wahrheit wird wie immer wohl irgendwo dazwischen liegen – einigt man sich also mal auf irgend etwas um die hundert, was immer noch einem stattlichen Jahresdurchschnitt von Pi mal Daumen zehn Veröffentlichungen entspräche, so wird man den tatsächlichen Verhältnissen wohl einigermaßen gerecht. Alleine im noch jungen Jahr 2014 hat man bereits eine LP, "Voyeur“, und eine CD, eben die an dieser Stelle zu besprechende, vorgelegt. Bis zum frühen Tod seiner Frau DANIELLE BAQUET-LONG im Jahre 2009 betrieb der US-amerikanische Schriftsteller, Fotograf und Filmemacher WILIAM LONG CELER mit dieser gemeinsam, später führte er das Projekt dann im Alleingang weiter. Die überaus tragische Zäsur in seinem Leben – DANIELLE starb mit nur 28 Jahren an den Folgen eines Herzfehlers – sowie die damit verbundene Reduktion CELERs auf ein Solounternehmen wirkten sich auf den Sound nichtsdestoweniger nur äußerst marginal aus. Vorher wie nachher ließ und lässt sich dieser als Drone/Ambient im emphatischsten nur denkbaren Sinne bezeichnen, im Grunde genommen ausschließlich aus Klangflächen bestehend, welche in größtmöglichem Abstand zu allem gehalten werden, was auch nur im entferntesten nach Rhythmus oder gar Beat riecht. Die Leidenschaft für dergleichen fundamentalistisch-orthodoxen Radikalambient rührt wohl nicht zuletzt von der offen gelebten Affinität der beiden zum Buddhismus her: Insbesondere DANIELLE, die an der University Of California in Santa Barbara unter anderem Religionswissenschaften und Tibetstudien belegt hatte, unternahm lange Reisen nach Nepal und Indien, lebte in buddhistischen Klöstern, traf dort den Dalai Lama, pflegte mithin also eine Perspektive auf Welt und Leben, die die intensive Ausrichtung auf die vita contemplativa in CELERs Musik einigermaßen folgerichtig erscheinen lässt. WILL LONG, der heute in Tokio lebt, führt diesen Kurs seit DANIELLEs Tod unbeirrt fort, gerne auch in Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen Vertretern des Genres wie YUI ONODERA oder HAKOBUNE. Zusätzlich betreibt er das Label TWO ACORNS, das er als Plattform für Musik, Text und Film gleichermaßen verstanden wissen will; hier veröffentlichte er als Debüt "Generic City", die besagte Kollaboration mit dem Tokioter Künstler YUI ONODERA. "Zigzag" nun ist eine bereits vor einigen Jahren verfertigte Arbeit, deren Veröffentlichung verschleppt und erst jetzt realisiert wurde. LONG selbst gibt als Inspirationsquellen die Minimal Music der 60er- und 70er- sowie – man höre & staune! – den New Wave der frühen 80er-Jahre an. Erscheinen Namen wie STEVE REICH, PHILIP GLASS oder LA MONTE YOUNG mit dem musikalischen Konzept von CELER noch halbwegs kompatibel, so gerät man spätestens bei dem Begriff "New Wave" ernsthaft ins Grübeln, insbesondere, wenn LONG mit Blick auf den genretypischen Rhythmus (sic!) die Absicht äußert, "to use this inspiration with my own music, giving the music a tempo, and a new pathway in a forward direction.“ – Moment mal! Haben wir richtig gelesen: Rhythmus? Tempo?? Forward direction??? Was, zur Hölle, ist denn jetzt plötzlich los?! Soll mit "Zigzag" das CELERsche Rad komplett neu erfunden werden? Haben wir demnächst mit einem ALEC EMPIRE-Remix zu rechnen? Kündigte LEMMY KILMISTER an, in Zukunft nur noch Opern singen zu wollen, könnte das Erstaunen wohl kaum größer sein! – Doch gemach, gemach, nichts wird so heiß gegessen, wie's gekocht wird, und auch im vorliegenden Falle ähneln die faktischen Neuerungen, gemessen an den sie ankündigenden Donnerworten, eher einer sanften Frühlingsbrise denn einem grundstürzenden stilistischen Erdbeben: Der "Rhythmus", der das knapp 49 Minuten lange Titelstück durchzieht, kann bestenfalls in Gestalt eines intervallartig sanft an- und abschwellenden Sequenzerloops erahnt werden, während ansonsten das allermeiste beim Alten bleibt. Zusätzlichen Aufschluss verschafft übrigens der Trailer zur CD, der offenbar den, von LONG im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von "Zigzag" hervorgehobenen Umstand der Geburt seines ersten Kindes thematisiert, denn was wir, unterlegt von einem kurzen Musikausschnitt, hier sehen, ist die Ultraschallaufnahme eines Fötus im Mutterleib. Und vor diesem Hintergrund wird klar, wohin die Reise geht, wenn LONG über seine neuartige Faszination für Rhythmus spricht: "The music had a strong persistence, and while the listener can drift away from following it consciously, the rhythm stays grounded. In it there is something human, like a heartbeat." Und in der Tat: Die Analogie des sanft heranflutenden und wieder verebbenden Sounds, der den ganzen Track prägt, zur kontinuierlichen Regelmäßigkeit eines Herzschlages scheint nicht aus der Luft gegriffen: Gleichermaßen erdverbunden wie dynamisch und dabei doch unendlich entspannt entwickelt sich "Zigzag" ganz organisch und vermeidet dabei konsequent jene lähmende Statik, an der frühere CELER-Werke wie bspw. "Butterflies" oder "Noctilucent Clouds" bisweilen krankten. Hier scheint einer tatsächlich den Blick für neue Ufer frei bekommen und in neue Richtungen gewendet zu haben – wenn er es vorerst auch gaaanz langsam angeht. Doch CELER wäre nicht CELER, wenn es anders wäre. Der ALEC EMPIRE-Remix wird wohl noch ein Weilchen auf sich warten lassen.
Endsal für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » CELER-Homepage » CELER @ bandcamp » CELER @ discogs » CELER @ wikipedia » Zigzag-Trailer @ vimeo » Zigzag @ bandcamp » SPEKK-Homepage Themenbezogene Artikel: » CELER: Xièxie » CELER: Nacreous Clouds » CELER: Another Blue Day » CELER: Akagi » CELER: Sky Limits
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Zusammenfassung
Gewohnt entspanntes Werk des langjährigen Drone/Ambient-Projektes, das sich durch einen Hauch mehr Dynamik als seine Vorgänger auszeichnet, ohne deshalb gleich tanzbar - haha! - zu werden. Angenehm unkitschiger Sound für Meditation oder Lektürestunden.
Inhalt
01 Zigzag (48:46)
Verpackung: Kartonumschlag, 17 cm x 14,5 cm |