Wer regelmäßiger auf diesen Seiten unterwegs ist, hat möglicherweise die des Lobes übervolle Rezension zu HALO MANASHs letztjährigem Werk "Wesieni Wainajat" zur Notiz genommen, die vor einigen Wochen an dieser Stelle zu lesen war. Der Rezensent zeigte sich von Grund auf begeistert, doch abgesehen von einem, mit gutem Grund geäußerten, allgemeinen Enthusiasmus angesichts eines, formal wie inhaltlich gleichermaßen gelungenen Stückes Musik, wusste insbesondere jene perfekt abgestimmte Melange aus kontemplativ-rituellen und rhythmisch-tribalesken Elementen über die Maße zu entzücken, die für diese – bis dato aktuellste – Veröffentlichung so charakteristisch ist. Bei "Caickuwi Cauwas Walkeus" sieht das etwas anders aus. Anders nicht unbedingt hinsichtlich des empfundenen Grades an Begeisterung – dazu später mehr –, wohl aber hinsichtlich der besagten, erfrischend vielschichtigen Melange: Im Unterschied zu "Wesieni Wainajat" ist "Caickuwi Cauwas Walkeus" nämlich HALO MANASHs so genannter "Forest Music"-Phase zuzuordnen und kommt demgemäß deutlich ruhiger, ja: meditativer daher; das Album präsentiere, so verkündet der Promotext vollmundig, "contemplative forest music in its purest form – a return of lost, primeval forest hymns". Diese scheinbare Zäsur in der musikalischen Kontinuität beider Alben erklärt sich durch das simple Faktum, dass es sich bei vorliegender CD um die Wiederveröffentlichung einer, bereits 2009 in Kleinstauflage (29 Stück) erschienenen CD-R handelt, die von AURAL HYPNOX jetzt im Rahmen der Re-Release-Serie "StellarMansion" einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wird.
So wartet man denn auf die unlängst hier bejubelten, rhythmisch-treibenden Passagen vergebens, stattdessen nimmt sich die aus Nordfinnland stammende, multimedial arbeitende Sound-, Performance- & Schamanentruppe alle Zeit der Welt und ergeht sich in extrem ruhigen, rituell-sakralen, ausschließlich qua akustischem Equipment hervorgebrachten Klanglandschaften, die vornehmlich auf Schlag- und Blasinstrumentarium basieren und in der Summe ein atmosphärisches Konglomerat irgendwo zwischen ZERO KAMA, O YUKI CONJUGATE, STEVE ROACH und Z'EV ergeben. Stellt man die Auskunft der Presseinfo in Rechnung, die Musik HALO MANASHs changiere zwischen "serene serpentine ambient and rhythmic outpourings of primal ecstasy", so kann jedenfalls nicht der geringste Zweifel bestehen, dass man es hier mit einem lupenreinen Exponenten des "Serene serpent ambient"-Aspektes der Bandprogrammatik zu tun hat.
Und das muss keineswegs schlecht sein, läuft jedoch angesichts einer gewissen, genreimmanenten Variationsarmut sowie der inflationären Fülle ähnlichen bzw. vergleichbaren Materials stets Gefahr, sich in schwurbeliger Beliebigkeit zu verlieren und somit günstigenfalls in Wohlgefallen aufzulösen, ungünstigenfalls zu nerven. Im vorliegenden Fall sollen jedoch keinerlei despektierliche Nörgeleien laut werden, und dafür besteht auch kein Anlass, spürt man doch in jedem Track die Ernsthaftigkeit und Ambitioniertheit der beteiligten Musiker, die mit HALO MANASH, betrachtet man deren künstlerischen Output als Ganzes, in der Tat ein extrem eigenständiges, dezidiert kultisch-schamanistisch orientiertes und aufgrund seiner Authentizität dennoch weder albern noch klischeelastig wirkendes Gesamtkunstwerk geschaffen haben, das von Redundanz oder/oder Langeweile kaum weiter entfernt sein könnte. Dies gilt ohne jeden Zweifel für das Projekt in seiner Gesamtheit. Dessen ungeachtet kann "Caickuwi Cauwas Walkeus", insbesondere im Vergleich zu "Wesieni Wainajat", wenigstens bei oberflächlicher Betrachtung die Tendenz zu einer ebenso subtilen wie buchstäblich zu verstehenden Langatmigkeit schwerlich abgesprochen werden: Die einzelnen Titel sind durchweg überaus zurückhaltend arrangiert, spärlich instrumentiert und setzen auf ruhige, gleichförmig sich entfaltende Sounds, die die Stille eher betonen, als dass sie sie verdrängten. Zudem unterscheiden sich die einzelnen Titel nicht allzu prägnant voneinander, sondern sind strukturell eng miteinander verbunden, was den oberflächlichen Eindruck einer gewissen Monotonie hervorrufen kann; dieser erweist sich jedoch als gegenstandslos, wendet der Rezipient jenes Maß an Konzentration auf, das nötig ist, um sich dem kontemplativen Impetus des Albums rückhaltlos zu öffnen. Zum schnellen Durchhören erscheint es deshalb ähnlich ungeeignet wie zu Zwecken untermalenden Hintergrundgeplätschers. Denn auch, wenn die dargebotenen Soundscapes eine durchaus organische, lebendige, ja phasenweise sogar warme Atmosphäre generieren – was zum mindesten bemerkenswert ist, entstanden sie laut Booklet doch in den endlosen Polarnächten des Jahres 2008 (was der offizielle Album-Trailer übrigens noch einmal eindrücklich in Szene setzt) –, ist der dargebotene Sound für alle Formen nicht fokussierter Rezeption zu streng, zu reduziert, zu puristisch, zu trocken, ja, man möchte sagen: zu orthodox.
Was, wie eigentlich alles aus dem Hause AURAL HYPNOX, einmal mehr vollumfänglich überzeugt, ist die künstlerisch-visuelle Aufbereitung der Verpackung: Die reguläre, auf 444 Stück limitierte Version erscheint im handgefertigten Kartonpapier-Cover nebst 8-seitigem Booklet; die auf 49 Stück limitierte Sonderedition umfasst darüber hinaus noch ein kunstvoll gefertigtes, hölzernes, an einen Buchumschlag erinnerndes Klappcover, acht Fotodrucke sowie einen mit Siebdruck versehenen, 21x70 cm großen Wandbehang. Booklet und Coverartwork zeichnen sich durch den für AURAL HYPNOX typischen, reduzierten, schlicht und archaisch, beinahe prähistorisch wirkenden Stil sowie die Passgenauigkeit aus, mit der sie sich in das seit einigen Jahren vom Label verfolgte Corporate-Design-Konzept einfügen. Die für unsere Ohren mittelschwer bizarr klingenden Titel seien übrigens einer finnischen Leichenrede des 18. Jahrhunderts entnommen, wie das Booklet aufklärt – um sich über ihre Bedeutung zum Bedauern des Lesers dann diskret auszuschweigen.
Alles in allem betrachtet eine, insbesondere in der Gesamtschau des HALO MANASH'schen Oevres bemerkenswerte und durchaus faszinierende Wiederveröffentlichung, die vor dem Hintergrund des aktuellen Opus "Wesieni Wainajat" zwar etwas abfällt, für Liebhaber rituell orientierter Dark Ambient-Klänge, die das entsprechende Einfühlungsvermögen und die nötige Konzentration aufzubringen willens sind, aber dennoch von einigem Reiz sein dürfte.
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Zusammenfassung
Betont meditatives Re-Release in gewohnt ansprechender Aufmachung, das ein hohes Maß an Konzentration erfordert, will man seine verborgenen Juwelen entdecken. Weniger eingängig als die jüngste VÖ, trotzdem oder gerade deshalb von besonderem Reiz.
Inhalt
01 Yli Corpein Huocawat
02 Läpi Soiden Waeltawat
03 Caickuwi Cauwas Walkeus
04 Mustan Mullan Alle Maatumahan
05 Pimeys On Ninquin Walkeus / Puuxi Tullut
Standard Edition limitiert auf 444 Stück, bedrucktes Cardboard-Cover, 8-seitiges Booklet.
Special Edition limitiert auf 49 Stück, Cover & Booklet s. o., inkl. Holz-Klappcover, 8 Fotodrucke, 21x70 cm messender, bedruckter Wandbehang.